carsten werners

Archive for the ‘Welt’ Category

#bremenlernt … von Jan Gehl

In Ideenwirtschaft, Stadt, Welt on 5. März 2015 at 19:07

Wie die Cappucinokultur die Stadtentwicklung prägt.

Wie Menschen ab dem 5. Stock aufwärts den Blick, den Zugang und die Lust auf Straßen- und Stadtleben verlieren.

Warum eine gute Verkehrsplanung wie ein Babyboom aussieht.

Warum ein guter Kultursenator sich für Städtebau, öffentliche Räume  und Verkehr interessieren muss.

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Warum wir alle mehr Italien spielen sollten.

Warum eine sensible, genaue Stadt-Wahrnehmung und Daten, Gutachten, Untersuchungen die Grundlage für Stadt-Planung und gutes Stadt-Leben sind.

Warum wir dafür radikalen Willen und spürbare Maßnahmen brauchen.

Warum Tunnel so 80er, Brücken unpraktisch sind – und wie man mit Rücksicht und Umsicht trotzdem über die Straße und durch geteilte Verkehrsräume kommt.

Das alles und noch viel mehr haben wir von Jan Gehl gelernt, der uns für einen Tag in Bremen besucht und uns seine Ideen für eine menschengerechte Stadtentwicklung nahegebracht hat – für die der Mensch der Maßstab ist und nicht das Auto.

 

Habt Ihr verpasst? – Das lässt sich reparieren. Dafür gibt es ja gute Lokalpresse,   gute Magazine,   gute Buchhandlungen und  gute Netzwerke!

 

Danach ist klar:

Dass die besten Ideen und Inspirationen und die besten Claims von Einzelnen kommen – von Kindern und alten Menschen, von Studierenden und Künstlern, von irgendwie Betroffenen oder Interessierten, aus den Initiativen und den NGOs, in Familien, Unis, Teams und Communities.

Dass Verkehr durch die Stadträume wie Wasser fließt – wo kein Platz dafür ist, zieht er sich zurück.

Dass die Menschen trotzdem und gerade in die Citys kommen.

Dass man gegen städtebauliche Sünden der Vergangenheit nicht auf Erdbeben oder Gewalt warten darf – sondern Ideen und Geld zusammenlegen muss.

Dass Bremens Carsharing „world famous“ ist.

 

Es war uns eine Ehre und ein Vergnügen, Jan Gehl!

 

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Digitalpolitik ist kein Orchideenfach – was lernen wir von den Piraten?

In Ideenwirtschaft, Politik, Welt on 26. September 2014 at 19:20

Ich meine, dass angesichts der Austritte und Auseinandersetzungen in der Piratenpartei Schadenfreude oder Erleichterung über die Selbsterledigung einer politischen Konkurrenz völlig fehl am Platz sind.

Da zerlegt sich eine Bewegung, die versuchen wollte, die digitalisierte und entsprechend globalisierte Gesellschaft sozial und fair zu zivilisieren, in strukturellem und machtpolitischem Kleinklein. Das ist traurig für die Akteure – schade und ärgerlich vor allem aber für die politische und parlamentarische Arbeit zu Themen der digitalen Revolution und die gesellschaftliche Entwicklung mit digitalen Instrumenten.

Denn die Themen fallen nicht weg und die Herausforderungen lösen sich nicht auf, weil die Piraten sich in Posten- und Richtungsstreits und analogen Regularien aufreiben und verzetteln. Es wäre fatal, wenn unsere Auseinandersetzung mit digitalen Themen – und welches Thema hat heute keine digitalen Aspekte mehr? – jetzt nur noch von den Handreichungen, Leitfäden, Einladungen und Reklameschriften befeuert würde, die Tag für Tag von Google, Facebook, Wikimedia und den Verbänden der privaten Medien und der Internetwirtschaft auf uns Abgeordnete einprasseln. Denn das Internet ist mehr als ein Geschäft. Und Werbung ist ein schlechter Ratgeber.

Was aber bedeutet die Digitalisierung für den Arbeitsmarkt, für den Energieverbrauch, für die Entwicklung unserer Städte, wie prägt Digitalisierung die Kulturen und die Mobilität der Menschen weltweit? Das sind Fragen, die uns nicht die großen globalen Technologie- und Medienkonzerne stellen oder beantworten wollen und müssen. Wie künftig Teilhabe als Voraussetzung von Demokratie funktioniert, wie Menschen sich künftig begegnen und austauschen – das sind politische, gesellschaftliche Fragen.

Sie stellen sich uns in der Zeit einer #GroKo-Bundesregierung, für die das höchste der Gefühle ein funktionierendes W-LAN in ausgewählten Eisenbahnen und ein Leistungsschutzrecht sind, das nicht einmal dessen Auftraggebern – den großen Verlagen, die es allesamt nicht in Anspruch nehmen – taugt. Die juristische Konstruktion der Störerhaftung, die technisch längst mögliches und außerhalb Deutschlands übliches freies W-LAN in der Öffentlichkeit verhindert, will das Bundeswirtschaftsministerium jetzt ausschließlich für kommerzielle Anbieter abschwächen. Eine Reform der Urheberrechte zur rechtssicheren zeitgemäßen Anwendung lässt seit Jahren auf sich warten. Privatmenschen bleiben bei all diesen halbgaren, uneindeutigen Teil- und Scheinlösungen weiter billiges Anwaltsfutter. Die #GroKo blockiert weiter eine neue europäische Datenschutzrichtlinie. Sie wagt weder eine Definition noch eine gesetzliche Sicherung der Netzneutralität und leistet damit Drossel-Tarifen und vor allem der technischen Bevorzugung bestimmter Inhalte immer weiter Vorschub.

Und das sind „nur“ die technischen Aspekte der Digitalisierung. Individualisierten und zugleich global vernetzen Wirtschaftsformen des Sharings – vom Couchsurfing und Carsharing über airbnb bis zum Autofahrtenanbieter Uber – wird man mittelfristig nicht mit Verboten und dem Arbeitsrecht des vergangenen Jahrhunderts begegnen können. Dass neue Wirtschaftsmodelle und -angebote alte Produkte und Produktionsformen ablösen, ist logische Wirtschaftsentwicklung. Dass dabei Kriminalisierung kein erfolgversprechender Weg ist, haben die Musik- und die Filmindustrie leidvoll erfahren. Dass rein kommerzielle Lösungen nicht der einzig sinnvoll Weg sein müssen, muss man doch zumindest in Erwägung ziehen!

CDU und SPD betreiben Digitalthemen als Klientelpolitik. Die digitalenMöglichkeiten bieten aber – immer noch – riesige gesamtgesellschaftliche Chancen für Teilhabe und freie Meinungsäußerung und kulturelles Schaffen. Sie stellen nicht nur die Wirtschaft vor Herausforderungen, sondern auch etablierte Angebote des Gemeinwohls und der Daseinsvorsorge: von der Informationsfreiheit über den Gesundheitsbereich bis zu den Bibliotheken und Bürgerhäusern. Die Digitalisierung verändert unsere Gesellschaft rasant – bis tief ins Privatleben und in die sozialen Gefüge unserer Gesellschaft. Die Bundesregierung verweigert diese Erkenntnis. Analoge Politik reicht im digitalen Zeitalter nicht mehr aus.

Dass Digitalpolitik kein Nebenaspekt oder Orchideenfach ist, sondern in allen Politik- und Lebensbereichen nötig ist, das haben die Piraten gewusst und gelebt. Ich bin deshalb für einen offenen Dialog mit ehemaligen Piraten, ihren Communities und Szenen: Wir könnten viel von ihnen lernen und einiges mit ihnen erreichen!

Für eine digitale Agenda – international und kommunal

In Medien, Politik, Stadt, wörtlich!, Welt on 14. Dezember 2013 at 09:29

In dieser Woche haben weltweit operierende Konzerne wie Google, Apple, Twitter, Facebook, AOL, Yahoo und Microsoft bei der amerikanischen Regierung eine Geheimdienstreform angemahnt. Der deutschen Bundesregierung (der amtierenden, und der künftigen wohl gleich mit) wirft der Telekom-Chef „Leisetreterei“ vor und kritisiert ihren Umgang mit der Geheimdienst-Lausch-Affäre als „demokratiegefährdend“. Und 560 Schriftsteller mahnen digitale Bürgerrechte an.

Die Datenwirtschaft sitzt auf einem riesigen – so wertvollen wie gesellschaftlich und politisch gefährlichen – Datenschatz, den sie gesammelt hat und den sie in jeder Minute vergrößert. Die Unternehmen wissen, wo wir wann mit wem welche Straßen benutzen, wann wir aufstehen und wo wir essen gehen oder welche Filme wir gucken – Twitter und Google registrieren die Ausbreitung von Krankheiten oder revolutionären Bewegungen schneller als jede Behörde oder Nachrichtenagentur. Microsoft hat Zugang zu vier von fünf aller Computer in der Welt. Ohne digitale Hilfe können wir heute kaum noch reisen, uns informieren, kommunizieren, ein Medikament einnehmen, eine Verabredung treffen. Und niemand von uns hat es selbst in der Hand, die dicken digitalen Spuren zu löschen oder auch nur zu verwischen, die jeder von uns dabei hinterlässt; wir können nicht einmal deren Auswertung und deren Verkauf widersprechen. Staaten und Politik sind weitgehend ratlos, wie das gehen soll – wir stammeln von „Neuland“, Schwierigkeiten und Herausforderungen. Jetzt geht die Angst um – und am lautesten bei den weltmarktführenden Unternehmen um ihren Datenschatz und dessen Sprengkraft.

Fünfhundertsechzig Schriftsteller aus der ganzen Welt rufen, ebenfalls in dieser Woche, dazu auf, die Demokratie in der digitalen Welt gegen die systematische Überwachung im Internet durch Firmen und Geheimdienste zu verteidigen. Sie fordern das Bürgerrecht ein, über das Sammeln, Speichern und Verwerten seiner, meiner, Deiner Daten mit zu bestimmen. Das war in der analogen Welt eine banale Selbstverständlichkeit: Dass ich entscheide, wen ich meine Briefe lesen lasse, wem ich meine Schlüssel in die Hand gebe, mit wem ich meine Interessen und Beziehungen bespreche. Nun ist die Welt in diesem Jahr nicht plötzlich digital geworden: Seit Jahrzehnten arbeiten wir vertrauensvoll mit Computern, steuern sie Geräte und Maschinen, denen wir vertrauen. PINs und TANs waren schon immer digital, auch wenn wir sie auf ausgedruckten Minizettelchen zwischen Bibeln und Kochbüchern versteckt haben. Sicher war das nie. Dass persönliche Geheimnistuerei global gar nicht mehr funktioniert, merken, ahnen wir erst jetzt.

writersagainstDie SchriftstellerInnen erinnern in ihrem beeindruckend einfach gehaltenen, wichtigen Appell an die Unschuldsvermutung als zentrale Errungenschaft unserer Zivilisation (hier erläutern Juli Zeh und Ilija Trojanow ihre Initiative: „Alles ist gesagt, jetzt müssen wir handeln“). Und sie appellieren an die Vereinten Nationen, eine internationale „Konvention der digitalen Rechte“ zu verabschieden.

Ich meine: Diesem Aufruf müssen wir uns anschließen!Und wir müssen uns ihm politisch stellen: Es ist höchste Zeit, die Digitalisierung der Gesellschaft endlich ernst zu nehmen als das, was sie ist: die Digitalisierung der Gesellschaft. Auf allen Ebenen. Überwachung ist heute Realität.

Die Digitalisierung wurde ja nicht nur beim Datenschutz jahr(zehnt)elang weitgehend ignoriert oder auf rein symptomatischer Ebene diskutiert – auch die Musik-, Film- und Medienindustrie haben sie unterschätzt. In  dieser Woche hat der Digitalkonzern Springer – vor ein paar Monaten noch ein klassischer Verlag, der das gedruckte Wort mit Leistungsschutzrecht und Depublikationspflicht gegen Internetnutzer und Fernsehsender verteidigen wollte – den Fernsehsender N24 gekauft, um seine Medienangebote crossmedial und hybrid weiter zu entwickeln: Wir erleben gerade, dass Zeitung, Fernsehen, Blogs und Radio sich in Medienportalen vereinen. Arabische und afrikanische Machthaber haben ihre Potentiale unterschätzt. Im Bildungsbereich hinken wir der kulturellen und technologischen Entwicklung – und oft der Kompetenz und Lebenswirklichkeit der Schüler selbst – Jahre hinterher. Stadtplaner erklären uns heute, dass „das iPhone“ den Personenverkehr und das Einkaufen grundlegend verändern wird: Wer mit dem Telefon in der Hand PINs und ISBNs tippend, Codes scannend vorm Parkscheinautomaten oder in der Buchhandlung steht, der erlebt das. Kulturwissenschaftler nennen es eine neue industrielle Revolution.

(Dazu hier ein kleiner interaktiver Test:
Wann wurde das iPhone erfunden?
Schätzt mal – und dann sucht irgendwo die Antwort!)

Wir brauchen eine digitale Agenda – auf europäischer und nationaler Ebene sowieso. Aber auch international – und kommunal: Wohin soll uns die Digitalisierung als Kommune bringen – und wohin nicht? Denn Techniken sind keine Naturgesetze.

Grüne Bundestagsabgeordnete wie Konstantin von Notz und Tabea Rößner haben anlässlich der NSA-Affäre das Wort von der „Kernschmelze“ unserer Bürgerrechte, der Rechtsstaatlichkeit und Demokratie geprägt – schon ein paar Wochen später haben das jetzt die Weltwirtschaft und die Weltliteratur jetzt fast gleichzeitig übernommen. In den Wahlnachlesen unserer Partei habe ich das Wort „digital“ dagegen so gut wie gar nicht gehört oder gelesen. Für dieses zentrale Thema sollten wir uns aber Zeit und Kraft nehmen und uns auch noch einmal mit den „Piraten“ auseinandersetzen – und zusammensetzen: Sie haben, wie auch die Grüne Jugend, das neue Betriebssystem für unsere digitale Gesellschaft schon ganz gut verstanden. Und deshalb können sie wichtige Partner dabei sein, es zu verbessern. Damit neben den Risiken auch wieder die wunderbaren Chancen der Digitalisierung auf der Agenda stehen.

Carsten Werner, Mitglied der Bremischen Bürgerschaft – Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, Sprecher für Kultur und Medien, Bau und Stadtentwicklung

Gegen Internet-Panik: Muttis Pillen schlucken

In Medien, wörtlich!, Welt on 20. Juni 2013 at 09:42

Der Spruch der Bundeskanzlerin vom #Neuland, das „auch Feinden und Gegnern unserer demokratischen Grundordnung (ermöglicht), mit völlig neuen Möglichkeiten und völlig neuen Herangehensweisen unsere Art zu leben in Gefahr zu bringen“, ist eine Binsenweisheit. „Das Internet ist Neuland“ wäre so richtig und so überflüssig als Aussage wie „Nachts ist es kälter als draußen“ – wenn nicht der Kontext des Gesagten (NSA, Prism, VDA) daraus eine hochpolitische Beruhigungspille á la „Die Ersparnisse der Deutschen sind sicher“ daraus machen würde: Weil das so neu ist, darf auch mal was schiefgehen? Prism und Tempora, das Planen und Agieren der Geheimdienste als Panne in einem Zukunftsexperiment? Bei dem „die „Feinde“ witzigerweise mal so ein bisschen keck im eigenen Freundes- und Kulturkreis sitzen?

Da ist nichts schiefgegangen – sondern gerade in diesem Kontext ist das Internet alles andere als Neuland: Planvoll entwickelte und angewandte Technik. Das macht den Satz zum Politikum. Mutti ist nicht technisch unbefangen, sondern sie will sagen: Kümmert Euch nicht drum, fragt nicht, zweifelt nicht, redet nicht so aufgeregt drüber – wir regeln das. Das mag Fortschritts-Ängstliche und Veränderungspaniker beruhigen. Für Skeptiker, Techniker, Intellektuelle, Fortschrittswillige muss es bedrohlich klingen.

Denn natürlich weiß Merkel ja sehr genau, dass das Internet einzusetzen, zu benutzen und zu verstehen (und das meint nicht Surfen, Mailen, Googeln!) ein wichtiger Teil ihres Jobs ist. Nicht, dass sie „keine Ideen und Zukunftsvisionen“ hätte, wie viele Akteure der Netzkultur jetzt grienen und greinen, ist das Problem damit. Sondern gerade die vorhandenen Ideen und Visionen von ihr, ihrer Partei, ihrer Regierung, deren Verbündeten (aber eben auch und vor allem weit über Partei- und Landesgrenzen hinaus) müssen einem Angst und Sorgen machen: Prism und Tempora sind kein Unfall und technisch und rechtlich gesehen eigentlich auch keine Überraschung – sondern staatliches Handeln. Totale Überwachung ist nicht mehr eine witzige oder beängstigende Idee George Orwells, keine Verschwörungstheorie oder ein durch Datensparsamkeit und Medienkompetenz irgendwie zu umgehendes Risiko: Totale Überwachung ist Realität. Damit werden wir leben müssen.

Das Internet ist für Angela Merkels Regierung kein Neuland, kein Experiment, sondern ein strategisch und vielfältig beackertes Feld. – zeit.de fasst das zusammen: „Vorratsdatenspeicherung, Netzsperren, Bestandsdatenauskunft, Staatstrojaner, Leistungsschutzrecht und die ausbleibende Reform des Urheberrechts, der stockende Breitbandausbau, eine Stiftung Datenschutz ohne Datenschützer, die Blockade der EU-Datenschutzverordnung, die Weigerung, Netzneutralität gesetzlich festzuschreiben, die gescheiterte Selbstverpflichtung für soziale Netzwerke, sich an deutsches Datenschutzrecht zu halten und nun auch noch ein geplanter Ausbau der Internetüberwachung beim BND – so sieht die netzpolitische Bilanz der schwarz-gelben Regierung nach zwei Legislaturperioden aus.“ Und das alles aus Unkenntnis, Unerfahrenheit, Unwissen, nun endlich eingestanden? Nein, dahinter stehen Haltungen zu Freiheit und Sicherheit, zu Privatheit, Individualismus und Veränderungen, dahinter stehen Klientel und Lobbyisten, dahinter steht ein Staatsverständnis und eine Haltung zu Bürgerrechten.

„Wirtschaftswachstum ist nicht das Maß der Dinge – neue Indikatoren für Wohlstand und Lebensqualität“

In Politik, wörtlich!, Welt on 5. Juni 2013 at 18:42

(M)ein(e) paar Argumente für das Grüne Wahlprogramm-Schlüsselprojekt Nr. 5:

„Mein Projekt“: Nr. 05 – „Wirtschaftswachstum ist nicht das Maß der Dinge – neue Indikatoren für Wohlstand und Lebensqualität“

Wirtschaftswachstum ist nicht das Maß aller Dinge und das Maß von Wohlstand – wir wollen neue Indikatoren und Maßstäbe für Wohlstand und für Lebensqualität in die Politik und ins staatliche Tun bringen. Bisher ist der Maßstab dafür das Bruttoinlandsprodukt – das steigt aber auch durch Umweltverschmutzung, Unfälle, Krankheiten und Umweltkatastrophen und deren Beseitigung.

Ich finde, dass Politik noch viel mehr auch immaterielle Werte zum Maßstab von staatlichem Handeln machen muss. Dabei und dazu muss man gesellschaftliche Realitäten anerkennen. Die zu sehen und wertzuschätzen, wären schon ein wichtiger Schritt in Richtung neuer Kriterien für Lebensqualität. Das gilt von der Mehrstaatigkeit bis zur Homoehe, in der Familienpolitik und auch für die Arbeitswelt:

Die Welt ist viel bunter und vielfältiger, als das viele Gesetze und Vorschriften und auch die Besetzung vieler Gremien vorsehen. Individuelle Lebensformen und individuelle Arten, zu arbeiten oder zu wohnen, Aus- und Freizeiten zu nutzen  – Vieles  hat sich in den letzten Jahren und Jahrzehnten verändert im Zusammenleben und in der Zusammensetzung unserer Gesellschaft. Deutschland ist eine Einwanderungsgesellschaft, eine moderne und bunte, vielfältige, kreative Gesellschaft.

Wir müssen raus aus den vielen Parallelwelten , müssen Nachbarschaft und Stadt gemeinsam leben und entwickeln. Freiheit muss nicht immer die Freiheit VON sein – Freiheit ist vor allem auch die Freiheit ZU … – gestaltetem Leben, zu Selbstvertrauen und Selbstbewusstsein, Freiheit zur Gestaltung und Wahrnehmung.

Deshalb ist uns Grünen eine Beteiligungskultur nicht nur im politischen Bereich wichtig, sondern im ganzen Stadtleben, in der sozialen Verantwortung, in der Entwicklung unseres Gemeinwesens, in der wirtschaftlichen Teilhabe. Was und wer „gesellschaftlich relevant“ ist, wie das immer etwas technokratisch heißt, müssen wir neu verhandeln und ständig aktualisieren.

Wenn wir Vielfalt und Indiviualität als Wert verstehen und zur Grundlage von Politik machen, dann ergibt sich daraus ein Mehrwert an Möglichkeiten, an Erfahrungen und Kompetenz für alle Lebensbereiche – und auch andere, weitere Maßstäbe für Wohlstand:

–         Eine lebenswerte Umwelt  – der Stadtraum, der einlädt zum Verweilen und zum Austausch, intakte und gesunde Grünräume, saubere Luft, bezahlbares Wasser: Alles das ist Wohlstand! Und der ökologische Fußabdruck ist so messbar wie das alte Bruttoinlandsprodukt.

–         Zeit muss für die Politik eine wichtigere Rolle spielen: Zeit, die gutes Leben ausmacht: Zeit für die Familie, Zeit für Muße und Innovationen, Zeit für Kultur und Gefühle, Zeit für Nachbarn und Mitmenschen – Zeit für Wahrnehmung. Auch Zeit ist sehr einfach messbar.

–         Vielfalt und Diversität, Austausch und Interaktion sind in der Wirtschaft, im sozialen und kulturellen Bereich genau so wichtig für Entwicklungen und Innovationen, wie sie wichtig für Umwelt und Evolution sind – bunt sind nicht nur Werbung und Konsum.

–         Und Konsum muss nicht nur Shopping und Verbrauch sein – Konsum ist auch der Genuss von gutem Essen, von Musik und Filmen und Literatur: Auch den kann man messen – in Wissen, in Gesundheit, in Zeit.

–         Wissen und Kreativität sind wichtige, unbegrenzte und erweiterbare Ressourcen einer freien und freiheitlichen Gesellschaft – Geld ist dafür nur eine von vielen Maßeinheiten.

In allen diesen Bereichen ist das Wachstumspotential riesig – und der Wohlfühlfaktor, der subjektive und individuelle Wohlstand, effektive Lebensqualität sind gar nicht so schwierig zu erreichen; wenn wir sie wahrnehmen, sie auch politisch und ökonomisch anerkennen – sie möglich machen und wirken lassen.

Deshalb bin ich für eine Nachhaltigkeitsberichterstattung in Wirtschaft und Gesellschaft, für soziale und ökologische Kennzahlen, für soziale und kulturelle Parameter bei der Bemessung wirtschaftlicher und gesellschaftlicher Erfolge und Entwicklungen.

… und dazu gibt es natürlich noch ein paar mehr Projekte, die mir am Herzen liegen:


Bremen in Riga in Europa erleben

In Kunst, Politik, wörtlich!, Welt on 18. Dezember 2012 at 12:51

Als Bremen sich – leider vergebens – als Kulturhauptstadt Europas 2010 bewarb, hatte sich unsere Partnerstadt Riga an Projekten im Rahmen der Bewerbung beteiligt. Im Jahr 2014 wird Riga Kulturhauptstadt Europas sein, und nun soll umgekehrt sich Bremen mit unterstützenden kulturellen Projekten und der Beteiligung Bremer Künstlerinnen und Künstler revanchieren. Dies ist das Ziel eines in der Bremischen Bürgerschaft einstimmig beschlossenen Antrags.

Ich finde, dass nicht nur die formalen Beziehungen in der Städtepartnerschaft eine Rolle spielen sollten, sondern auch das, was für die Kulturszenen in Lettland wie in Bremen gegenseitig interessant und herausfordernd ist. Vor allem die Bremer KünstlerInnen, Kultureinrichtungen, Projekte, Initiativen und Stiftungen sollten für 2014 konzentriert nach Lettland schauen und sehen, was uns heute mit Riga verbindet – an gemeinsamen Zukunftsideen, gemeinsamer Erinnerung, an Austauschprojekten, Kooperationen und Stipendien.

 

Meine Rede dazu in der Stadtbürgerschaft:

Sehr geehrter Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen,

die Kulturhauptstädte Europas sind, so hat das der Ausschuss der Regionen der Europäischen Union gerade festgehalten, “eine der ambitioniertesten, weitrei­chendsten und wirksamsten Maßnahmen der EU im Kulturbereich, die den Reichtum, die Viel­falt und die Gemeinsamkeiten lokaler, regionaler, nationaler und europäischer Kulturentwicklung zum Ausdruck bringt“. So ist es. Und das kann jeder bestätigen, der oder die die Entstehung von Programmen der Kulturhauptstädte, die Hauptstadtjahre jeweils selbst, und nicht zuletzt auch den jeweiligen Nachklang, den Effekt erleben konnte:

Ob das nun Linz oder Essen, Liverpool oder Tallinn, Istanbul waren oder nächstes Jahr Marseille. Selbst für die Städte, die gerne Kulturhauptstadt werden wollten, für die das aber nicht geklappt hat – wie zum Beispiel Newcastle oder Bremen – hat die Beschäftigung mit dem europäischen Kulturraum, mit ihrer eigenen kulturellen Identität in diesem Raum und ihrer Zukunft, eine erhellende und mit Blick aufs Kulturelle eine öffnende Wirkung. Wir haben das in Bremen erlebt, und wir erleben den Nachhall dieser Auseinandersetzung sieben Jahre nach der gescheiterten Bewerbung immer noch hier und da: In den offenen Beteiligungen an Entwicklungsprozessen im Kulturbereich – aber auch nicht nur im Kulturbereich; wir haben vorhin gerade über die Entwicklungsagentur West gesprochen; das hat, glaube ich, kulturell sehr viel miteinander zu tun – und in Projekten, die damals hier entstanden sind und die heute weiter bestehen.

In die Bremer Bewerbung waren damals natürlich auch Bremens Partnerstädte einbezogen. Ich erinnere mich an gute Projekte gerade der jüngeren Generationen von Kulturschaffenden, in denen zwischen Danzig und Bremen oder zwischen Riga und Bremen kommuniziert, gereist und hin und her geschaltet wurde, im wahrsten Sinne des Wortes zum Beispiel per Internet-Konferenz-Show.  Ich erinnere mich, wie ganz weit vorne Riga damals in Sachen Video und Lichtkunst war, dass die ersten lettischen Regisseure an deutschen Theatern – erst in den freien und dann in den Stadttheatern – zu der Zeit gastierten; dass Künstler aus Bremen, Weimar und Riga gemeinsame Schiffsreisen auf den historischen Spuren von Johann Gottfried Herder unternommen und künstlerisch dokumentiert haben – und dass diese  Video-Chat-Konferenz-Shows zwischen der Waller Kneipe Hart Backbord und einem Rigaer Club stattgefunden haben. Diesen Geist wünsche ich mir auch für 2014 wieder.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen und bei der SPD)

Ich glaube, wir tun gut daran, wenn wir wie auch schon in den Jahren 2004 und 2005 in Bremen nicht allein auf die formalen Beziehungen in der Städtepartnerschaft schauen, sondern auch gucken, was darüber hinaus für die Kulturszene in Lettland und die Kulturszene hier bei uns gemeinsam interessant und herausfordernd ist. Ich kann mir zum Beispiel sehr gut vorstellen, dass sich Künstler von dort und von hier gemeinsam Gedanken machen, wie Erinnerung an die beiden Weltkriege fortleben, fortgesetzt werden kann.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen und bei der SPD)

– Zwei im Kern eigentlich europäische Bürgerkriege, die unser Leben bis heute prägen – und die wir gerade auch in den Auseinandersetzungen über und mit Europa in diesen Tagen nicht vergessen dürfen. Wir müssen, glaube ich,  nach dem Ableben der letzten Zeitzeugen, die selbst dabei gewesen sind, Fantasie und Ideen nutzen, um uns zu erinnern.

Ich würde mir wünschen, dass die vielen Austauschprojekte, Kooperationen und Stipendien, die Bremer Kultureinrichtungen durchführen oder mit Initiativen und Stiftungen ausschreiben, für das Jahr 2014 einen konzentrierten Blick nach Lettland werfen – und schauen, was uns heute mit Riga verbindet und was uns in Zukunft gemeinsam sein kann. Wir bitten den Senat, solche Initiativen positiv zu begleiten – und wir bitten die Einrichtungen, nach Riga zu schauen und sich mit Riga zu beschäftigen, wo das möglich und interessant ist.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen und bei der SPD)

Die Europäische Kommission bringt gerade die Kulturhauptstadt-Ausschreibungen für die nächste Dekade, für  2020-2033, auf den Weg. Danach wäre Deutschland erst im Jahr 2025 wieder an der Reihe. Aber Europa ist Austausch – und da sollten wir dabei sein, nicht erst wenn Deutschland an der Reihe ist, und wir sollten daran teilhaben, wo und wie es eben geht. Deshalb wäre eine Beteiligung Bremens an der Europäischen Kulturhauptstadt Riga nicht nur eine Geste an unsere Partnerstadt – sondern auch eine schöne Chance, unsere eigene Stadt, Bremen, in Europa zu erleben!

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen und bei der SPD)

Vielen Dank.

Ein vorauseilender Sommernachtstraum: Bremen 2022

In Ideenwirtschaft, Politik, Stadt, Welt on 3. Dezember 2012 at 10:00

Für die Bremer Grünen verfassen Mitglieder jeden Freitag einen Meinungsbeitrag. Im Sommer haben wir uns Gedanken gemacht, wie die Zukunft unserer Stadt aussehen könnte, für die wir arbeiten – Grüne Denkanstöße zur Diskussion und Verständigung.

 

Hier mein vorauseilender Sommernachtstraum: Bremen 2022 – kreative, soziale Stadt der Ideen!?

Auch viele grüne Kollegen haben sich sommerliche Gedanken gemacht:

Robert Bücking meint: Der Geist der Bürgerbeteiligung ist aus der Flasche. Den bekommt man da auch nicht wieder rein. BürgerInnen wollen mitreden, machen sich schlau, machen Druck, definieren ihre Ziele und Interessen, an allen Ecken und Enden der Stadt. Wie geht es damit weiter?

Hermann Kuhn fällt auf, dass Wünsche und Träume und gute Absichten ziemlich selten durch Politik machbar und beeinflussbar sind. Deshalb: eine Mahnung zur Bescheidenheit – und Ideen für 2020.

Kirsten Kappert-Gonther: Bremen ist reich, Bremen und Bremerhaven sind reich an der Vielfalt der Menschen, ihrer unterschiedlichsten Vorstellungen, Wünsche und Bedürfnisse, ihrer unterschiedlichen Herkunft, ihres unterschiedlichen Glaubens, ihrer unterschiedlichen Fähigkeiten.

Joachim Lohses grüne Visionen und Fakten für Bremen: Klimaschutz, Wohnungsangebote sowie bessere und nachhaltige Verkehrsbedingungen für alle Verkehrsteilnehmer.

Zahra Mohammadzadeh über den Anfang der Menschwerdung, an dem wir noch stehen – ein Augenblick in Millionen Jahren Evolution.

Michael „Pelle“ Pelster über Gesche und Roland im Jahr 2020 – und was bis dahin zu tun ist.

… und jeden Freitag gibt es eine neue grüne „Meinung am Freitag“.

 

Ein vorauseilender Sommernachtstraum: Bremen 2022 – kreative, soziale Stadt der Ideen!?

Bremen hat sich seiner Eigenheiten besonnen und lockt mit seinem Stadtmarketing Besucher, die sich für die Soziale Stadt, eine Stadt diversifizierter Quartiere und Communities interessieren, die im Austausch und Ideenstreit miteinander den Stadtstaat als Experimentier- und vor allem Erkenntnislabor für die überall wachsenden Städte in Deutschland entwickeln: Bremen ist als erste deutsche Großstadt „European Transition Town“ die unter dem Motto „Stadt der Ideen“ Wert auf regionale und lokale Versorgung, eigenständige und sublokale Entwicklung legt. Bremens tradiertes Image und Selbstverständnis als tolerante, soziale und kreative Stadt mit hoher Lebensqualiät und ökologischem Anspruch war dafür eine ebenso wichtige Voraussetzung wie die Erklärung aller Bundesländer und der Bundesregierung zur Eigenständigkeit und Entschuldung Bremens von 2020.

Dafür hat Bremen schon Jahre zuvor die Weichen gestellt und gute Voraussetzungen geschaffen: In der City wird wieder gewohnt und gelebt. Arbeiten und Wohnen gehören wieder zusammen. Eine kleinteilige, konkrete Stadtentwicklung zur sozialen Durchmischung des Wohnens und Arbeitens, aber auch des kulturellen und gesellschaftlichen Lebens wirkt sich auf alle sozialen Bereiche, aber auch auf die Inhalte der wissenschaftlichen, kulturellen und medialen Angebote aus. Teilhabe ist kein fernes politisches Ziel und kein weitgehend undefiniertes politisches Projektionsfeld mehr, sondern gelebte Erfahrung und Verantwortung. So gewinnen Visionäre, WissenschaftlerInnen, KünstlerInnen und kreative UnternehmerInnen zunehmend Einfluss auf Politik und die städtische Entwicklung: Sie bilden neue Träger und übernehmen gesellschaftliche Aufgaben. BürgerInnen und IdeeninvestorInnen entwickeln Quartiere, erkennen und planen Veränderungen für ihre Stadtteile, schaffen Öffentlichkeit, entwickeln ihre Räume und Gebäude, ihre sozialen Einrichtungen und ihre Natur. Brachen sind keine Problemzonen, sondern eröffnen neue Möglichkeiten.

Die Bremische Bürgerschaft hatte dazu 2015 ein umfangreiches Genossenschafts-Förderprogramm beschlossen. Im Bremer Parlament sitzt inzwischen auf jedem 5. Platz ein Mensch mit familiären oder frischen, konkreten Erfahrungen, die wir 2012 noch als „Migrationshintergrund“ bezeichnet haben – auf jedem 10. Sitz haben KünstlerInnen, PhilosophInnen und Kreative Platz und Stimme gefunden. Das Senatsressort für Stadtentwicklung ist längst auch für Kultur, für Stadtmarketing und Tourismus zuständig.

Aus dem ehemaligen Bürgerrundfunk und dem ehemaligen Stadtportal „bremen.de“ war 2015 ein öffentlich-rechtliches Stadtmedium geworden, in dem Kinder, Lehrende und Lernende, Kreative und WissenschaftlerInnen, Bürgerredaktionen und Alltagspezialisten aller Quartiere und Disziplinen Bremens sich gegenseitig informieren, beraten und gemeinsam Bremens Ideenreichtum und Bremens Entwicklungskraft darstellen und im Diskurs weiter entwickeln – 2022 bekam „Bremen Live“ dafür den Grimme-Preis und einen Echo. Die offen und jederzeit sichtbaren Ideen der BremerInnen und Bremer haben auch das lokale Tageszeitungsmonopol radikal verändert: Der Weser-Kurier erreicht weiter fast jeden Haushalt – als populäre Wochenzeitung, die sich mit relevanten Ideen beschäftigt, mit viel journalistischer Energie und Neugier tiefer Analyse, Aufklärung, Teilhabe und Zukunftsideen widmet, mit den Bremern und ihren Gästen Haltungen, Gemeinwesen, Heimat und Zugehörigkeit entwickelt. Nachrichten empfängt man per Internet und Digitalrundfunk.

Die Quartiere und die Bremer City können frei von Autos befahren werden – der Autoverkehr ist aber aufgrund der guten Nahversorgung und der hohen Anschaffungs- und Betriebskosten radikal zurückgegangen und wird immer weniger als Bedrohung für andere Verkehrsteilnehmer und das Stadtbild empfunden. Carsharing ist das Mittel der Wahl, die Bremer Straßenbahnen haben Lasten-Abstellflächen und Leih-Lastenfahrräder gibt es wie alle anderen Fahrradtypen an vielen Stellen der Stadt unkompliziert „to go“ … Rollatoren, Skater und Kinderwagen gehören als Verkehrsteilnehmer zum Stadtbild, Fußgänger und Fahrräder werden immer mehr zum Maßstab der Straßengestaltung.

Die Bebauung des Rembertiviertels hat sich aufgrund der vielfältigen Ansprüche der genossenschaftlich organisierten Baugruppen verzögert und soll jetzt im Sommer nächsten Jahres als autofreies Cityquartier eröffnet werden. Die Hochstraße wird nun doch nicht abgerissen, weil eine Bürgerinitiative sich erfolgreich für den Erhalt der seit ihrer Stilllegung entstehenden und durch Guerillagärtnerei intensivierte Vegetation eingesetzt hat: Der Bürgerparkverein hat sich im Rahmen der Bewerbung als „Transition Town“ bereit erklärt, diesen grünen Park-Streifen in der Bahnhofsvorstadt zu pflegen und ökologisch weiter zu entwickeln. Dazu hat er mit interessierten Bürgern ebenfalls eine Genossenschaft gegründet. Verantwortung entsteht in Bremen zunehmend auch aus Teilhabe – am gesellschaftlichen Wirken, aber auch an Eigentum.

Oberneuland hat sich zur angesagten Künstler- und Familienkolonie im Grünen entwickelt, die 2015 aus der „Entwicklungsagentur West“ hervorgegangene Investitionsgesellschaft für den Bremer Westen feiert unter dem Label „Reicher Westen“ den erfolgreichen Abschluss der städtebaulichen Sanierung – neben anderem mit einem „Theater der Kulturen und Religionen“ im ehemaligen Waldau-Theater, mit konfessionell und sprachlich, kreativ und sportlich spezialisierten Ganztagsschul-Profilen. Die Überseestadt ist durch einen Rückbau der Nordstraße an Walle herangerückt. Architektonisch macht Bremen seit einigen Jahren durch eine kleinteilige und flexibel nutzbare, einfache Architektur auf sich aufmerksam, in familiäre Wohneinheiten und Single-Wohnen, generationengerechtes und -übergreifendes Wohnen und Arbeiten miteinander vielfältig und variabel kombiniert werden können – der Senat hatte dazu unter international renommierten Architekten Wettbewerb zur Neuerfindung des Typus „Bremer Haus“ ausgeschrieben und zehn Modelle prämiert sowie Bauinteressenten zur Nachahmung empfohlen und freigegeben.

Die Mobilität des Reisens ist deutlich teurer geworden – insofern gilt es für touristisch geprägte Städte und Regionen, sich für längere, mehrwöchige Aufenthalte interessant und erlebenswert zu machen. Am 1. Januar hat das erste sozialwissenschaftliche Science Center mit Lern-, Spiel- und Experimentierangeboten zu Toleranz, Nachbarschaft und Streitkulturen eröffnet, ebenfalls noch in diesem Jahr soll in einem zweiten Modul ein populärwissenschaftliches Institut Programmangebote zu den Themen Angst und Sorge, Mut und Courage machen. Das Universum widmet sich in einer komplett neuen Sonderausstellung den international ausgerichteten Themenkomplexen Mobilität, Migration und Kulturen des Teilens – in einer Public Private Partnership mit dem aus Übersee- und Fockemuseum fusionierten Historischen Museum Bremen. Dessen Museen werden sukzessive um zahlreiche Außenstellen erweitert: Das Konzept „Erinnerung im Leben“ sieht den Erhalt und die Bespielung oder wirtschaftliche Nutzung von denkmalgeschützten Gebäuden und Inneneinrichtungen vor. Der Bunker Valentin entwickelt als zentrale Gedenk- und Erinnerungsstätte mit einer innovativen multimedialen Bespielung und Stipendienprogrammen für junge AutorInnen und BildkünstlerInnen Kriterien und Formate für Erinnerung und Gedenken der Generationen nach dem Ableben der letzten Zeitzeugen.

2030 soll die 222. Weltmeisterschaft in Bremen stattfinden – nach bis dahin 221 Randsportarten die 1. Weltmeisterschaft der nun boomenden Funsportarten. Ebenfalls für 2030 wird mit Botanica, Bürgerpark, der Wümmeniederung, Hollerland, Hemelinger Marsch und dem neuen Naturschutzgebiet Unisee sowie einigen kleineren, sublokalen Naturerlebnisräumen eine Bundesgartenschau als Großstadt der regionalen und städtischen Artenvielfalt von Pflanzen und Tieren geplant. Denn gesundes, regionales Essen und gesundes (Stadt)leben sind längst ein touristisch relevanter Faktor geworden.

Die Kreativwirtschaft ist zum wesentlichen Standortmerkmal des produzierenden Gewerbes, Handwerks und auch des Handels geworden: Fahrradwirtschaft, Mode, Souvenirs, Kunsthandwerk sind inzwischen Reiseanlässe für Bremen-Besucher. Die Kreativwirtschaftsförderung hat Bremen mit offenen Werkstätten für alte und neue Produktionstechniken in Kunst und Handwerk – hervorgegangen aus der Neuaufstellung von Fockemuseum, Städtischer Galerie, Designzentrum, Güterbahnhof und Schwankhalle – zu einem Hotspot auch reisender Kreativer im nationalen und internationalen Kulturaustausch gemacht, die als Gäste neben deren technischen Möglichkeiten auch temporäre Ateliers nutzen können. Die ehemalige „Hochschule für Künste“ wird gerade zur „Schule der Improvisation“, hat einen neuen Lehrstuhl für Zeitpolitik und bietet auch Aus-, Fort- und Weiterbildungen außerhalb der Hochschul-Studiengänge für verschiedene Branchen der Kreativwirtschaft an. Das Klaus-Kuhncke-Archiv, das Studienzentrum für Künstlerpublikationen und das Tanzfilminstitut sind unter dem Dach der Hochschule zum Institut für kulturelle Dokumentation fusioniert, das für acht Jahre vom Google-Konzern aus dessen Gewinnen aus der Facebook-Übernahme finanziert wird. Radio Bremen hat von der ARD den Auftrag und die Finanzierung zugesagt bekommen, als Modell- und Referenzprojekt des Senderverbundes gemeinsam mit der Stadtbibliothek sowie Partner aus der Verlags- und der Filmbranche ein öffentlich-rechtliches On-Demand-Portal für Wissen und Kultur zu entwickeln. Open Airs und Festivals bespielen schon seit einigen Jahren die Stadträume nicht nur der City alljährlich von Juli bis September durchgehend mit Kultur „umsonst und draußen“ – der Bremer Kultursommer lockt immer mehr Touristen in die Stadt, die Hotels sind in dieser Zeit oft ausgebucht und temporäres Wohnen im Grünen, auf dem Wasser und in Zwischennutzungen werden auch von Touristen immer stärker nachgefragt. Das ehemalige DDR-Fischfang-Motorschiff „Stubnitz“ pendelt immer noch einmal jährlich zwischen London und Bremen im Dienste des kreativen Ex- und Imports und als Schaufenster der kreativen Branche. Die Bremische Landesvertretung in Berlin veranstaltet schon seit 2015 jährlich im Frühling ein Kulturfestival „made in Bremen“ in der deutschen Hauptstadt.

Alle Zuwendungsempfänger Bremens sind aufgefordert, Bildungs- und Freizeitangebote für Kinder und Jugendliche in ihren Betrieb zu integrieren – jede Grünanlage, jede Kultureinrichtung, jeder Sozialträger bieten Beschäftigung und Bildung für junge Menschen. Denn die Übergänge zwischen Kindergarten, Schulen und weiterer Ausbildung werden fließender. Die demografischen Veränderungen prägen die Bildungslandschaft transkulturell und generationenübergreifend: Gruppenstärken schrumpfen, Betreuungsquoten steigen, Alte und Junge lernen und arbeiten zunehmend voneinander und gemeinsam. Berufliche Bildung wird sich im Schnitt alle 10-12 Jahre grundsätzlich erneuern müssen. Die durchschnittliche Wochenarbeitszeit sinkt deutlich unter 30 Stunden. Grüne Bundesministerinnen fordern vehement die inführung eines bedingungslosen Grundeinkommens.

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Zur Orientierung: Ein Blick zurück von vorn, 2012:

In den vergangenen 5 Jahren
– ist Radio Bremen in die City gezogen und hat sich als trimediales Funkhaus neu erfunden.
– ist Bremen nicht Kulturhauptstadt Europas geworden, sich aber seiner Kraft als Kulturstadt bewusst geworden.
– ist Bremen bei jungen Menschen eines der beliebtesten deutschen Reiseziele geworden.
– ist Osterholz-Tenever vom prekärsten Stadtteil Bremens zu einer sehr gefragten, lebenswerten Hochhaussiedlung mit einer der besten Schulen Deutschlands geworden.

In den vergangenen 10 Jahren
– ist die neue Überseestadt entstanden
– der Spacepark entstanden, gescheitert und von der „Waterfront“ beerbt worden.
– hat Radio Bremen einen Großteil seiner bis Ende der 90er zur Verfügung stehenden Mittel verloren.
– hatte Bremen das erste deutsche Science-Center
In den vergangenen 20 Jahren
– hat Bremen die Werftenpleiten erlebt.
– hat sich Bremen als „Stadt am Fluss“ entwickelt, die Schlachte etabliert und das Stadtleben wieder dem Fluss zugewandt.
– sind in Bremen ca. 20 Kultureinrichtungen und alle Kulturfestivals entstanden.
– haben Computer und Internet Einzug ins alltägliche und kulturelle Leben gehalten.
– war Radio Bremen die wichtigste deutsche Ideen- und Talentschmiede der Fernsehunterhaltung und des Lokalfernsehens.
– ist Bremen zum wichtigen Ziel des klassischen Städtetourismus v.a. für ältere Menschen geworden.

Ein bisschen was geht immer!

Was wir dazu brauchen?
– Eine gerechte Steuerverteilung und einen guten Länderfinanzausgleich.
– klare soziale Ansprüche.
– Partner ohne Angst vor Veränderungen, Ideen und auch mal Experimenten.
– Vertrauen in die nachwachsenden Generationen und ihr Innovationspotential – auch als Träger gesellschaftlicher Aufgaben.
– Vertrauen in Wissenschaft und Kunst.
– Verständnis für Veränderungsängste, Respekt, Akzeptanz und Realismus: Zeitgenossenschaft.
– Neugier.
– Glück.

Bremen ist erneuerbar.

Bremen kann mehr für Genossenschaften tun – und mehr von Genossenschaften haben

In Ideenwirtschaft, Politik, Stadt, Welt on 6. Juli 2012 at 10:22

Bremen kann, Bremen sollte mehr für das Genossenschaftswesen tun: Die Genossenschaften sind eine Wirtschaftsform, die Solidarität und Teilhabe, gemeinsame Verantwortung für Wohlfahrt und Daseinsvorsorge sozial und wirtschaftlich konkret leben.

1000 Neugründungen von Genossenschaften gab es in den letzten Jahren in Deutschland – im Energiesektor boomt diese Wirtschaftsform. Aber auch im Sozialen, in Medien und Kultur, in Landwirtschaft und Einzelhandel ist sie erfolgreich. „Die internationale Finanz- und Wirtschaftskrise hat gezeigt, wie abrupt nicht nachhaltige Formen des Wirtschaftens uns in existenzielle Krisen stürzen können. Man muss schon sagen, dass die Genossenschaften nicht dadurch aufgefallen sind, dass sie besonders schlecht durch die Krise gekommen sind.“ Wer hats gesagt? Die Bundeskanzlerin. Und sie liegt richtig mit diesem Lob: In einer Zeit des vor allem von den Banken verursachten Misstrauens in Marktwirtschaft und Kapitalismus sollten uns unternehmerisch denkende und verantwortungsvoll handelnde, im Alltag sichtbare, nahbare, erlebbare Unternehmens- und Arbeitsformen wichtig und wertvoll sein.

Dass deren Akteure sich gesellschaftlich und politisch einmischen wollen, innovative Impulse setzen können, neugierig und gestaltungswillig sind, Zukunftsideen verfolgen, kann Genossenschaften auch zu Mutiplikatoren und Motoren gesellschaftlicher Veränderungen machen, an denen auch junge und alte Menschen, Selbständige und Inhaber von Klein- und Kleinstgewerbe beteiligen sein können. Sie könnten sich selbst als Genossen in die Lage versetzen, in gemeinsamer und gegenseitiger Verantwortung ökonomische Projekte zu finanzieren und zu realisieren.

Teilhabe und Finanzierungen im Bereich ökologischer, kultureller, sozialer oder kreativwirtschaftlicher Vorhaben zu ermöglichen, sie für die Energieversorgung, im Wohnungsbau, in der Nahversorgung oder der Gebäudebewirtschaftung zu nutzen, ist eine wichtige politische Aufgabe.

Die Antwort des Bremer Senats auf unsere Kleine Anfrage zum Genossenschaftswesen in Bremen, zeigt leider mehr als deutlich, dass hier in Bremen noch einiges zu tun ist: Sie beschränkt sich weitestgehend auf eine lexikalische Definition des Themas. (siehe http://www.gruene-fraktion-bremen.de/cms/default/dokbin/410/410531.kleine_anfrage_genossenschaftswesen_foer.pdf ) – Die Lektüre der aktuellen Genossenschafts-Serie des Weser Kuriers ist da schon viel aufschlussreicher und inspirierender. Ein weiterer Hör- und Lesetipp zum morgigen Tag der Genossenschaften: „Die Genossenschaften kehren zurück“ – http://www.dradio.de/dkultur/sendungen/zeitfragen/1800217

Eine Tradition des Genossenschaftswesens gibt es in Bremen kaum – eine Vision offenbar auch nicht. Dabei wäre gerade im Wohnungsbau ein Zusammenführen öffentlicher Interessen und privater, echter Verantwortung dringlich und wichtig. Im Energiebereich sind Genossenschaften oft schon Treiber des Marktes und seiner Entwicklung. Weil Genossenschaftsmitglieder traditionell auf Werte wie Ehrlichkeit, Sozialverantwortlichkeit und gegenseitiges Interesse setzen, kann ihr Wirken besonders nachhaltig sein. Auch das Weitergeben von Erfahrung, der generationenübergreifende Austausch in Genossenschaften wirkt nachhaltig. Ihre spezialisierte lokale Kompetenz, ihr teilhabendes Agieren und Wirken kann eine integrierte, soziale, ganzheitliche Stadtentwicklung vielfältig befördern.

Gründungshilfen, Entbürokratisierung, Qualifizierung und Beratung für Genossenschaften, Wertschätzung und Werbung für dieses Wirtschaftsmodell wären deshalb in Bremen besonders wichtig. Die seit 2008 geltenden Vorteile bei der Gründung von GmbHs könnten auch die Gründung von Genossenschaften attraktiver machen. Im Alltag niedersächsischer und nordrhein-westfälischer Schulen gibt es bereits Schüler-Genossenschaften: Bremen kann mehr für Genossenschaften tun – und mehr von Genossenschaften haben. Schade, dass der Wirtschaftssenator diese Chancen nicht sehen will.

Für die „leise Stadt“ Bremen

In Politik, Stadt, Welt on 4. Mai 2012 at 15:00

Wir sind von unterschiedlichsten Lärmquellen umgeben. Lärm macht auf Dauer krank. Die Grünen haben für die Fortschreibung der Lärmaktionsplanung ein Positionspapier vorgestellt: „Bremen – leise Stadt“. Dabei geht es nicht um Friedhofsruhe oder Landleben in der City: Bremen soll lebendig und urban bleiben. Wenn wir uns aber für alltäglichen Lärm sensibilisieren, können wir anfangen, ihn besser zu vermeiden: Im Alltag, in der Wirtschaft, politisch, gesetzlich.

Lärmaktionsplanung für Bremen – Ein Positionspapier

Tausende Bürgerinnen und Bürger in Bremen sind durch unterschiedliche Lärmquellen (Flug,- Straßen‐, Bahnlärm, Lärm durch Gewerbe) in ihrer Lebens‐ und Wohnqualität beeinträchtigt. Der innenstadtnahe Flughafen, aber auch die Zunahme von Verkehren, insbesondere die erhebliche Erhöhung der Güterverkehre durch die Stadt, sorgen für einen deutlichen Anstieg der Lärmbelastung für die Bürgerinnen und Bürger Bremens. Gesundheitsbelastungen durch Lärm werden zunehmend erforscht und nachgewiesen. Zudem haben sich konkret die Lärmschutzmaßnahmen der Deutschen Bahn als unzureichend herausgestellt. Die Verantwortung für eine Reduzierung der Lärmbelastung für die Bevölkerung muss auch von der Kommune übernommen werden, indem die Aktionsplanung zur Lärmminderung aus dem Jahr 2008 fortgeschrieben und in ihren Maßnahmen ausgeweitet wird.

Von Lärm geht eine Gesundheitsbelastung aus, die in ihren Auswirkungen nicht unterschätzt werden darf. In ihrem ersten Bericht zur Abschätzung der Krankheitslast durch Umgebungslärm in Europa, den das Regionalbüro für Europa der Weltgesundheitsorganisation vorlegte, kommt die WHO zu der Schlussfolgerung, dass Verkehrslärm im Westen der Europäischen Region jährlich zum Verlust von über einer Million gesunden Lebensjahren führt, sei es durch Erkrankung, Behinderung oder vorzeitigen Tod. Lärmbelästigung kann zu Schlafstörungen führen und erhöht das Risiko für Herzinfarkte, Lernstörungen, Tinnitus und Depressionen. Forschungen besagen, dass unter lärmbedingten Gesundheitseinflüssen weit überproportional viele Frauen betroffen sind. Umweltlärm steht nach Luftverschmutzung an zweiter Stelle auf der Liste der krankheitsverursachenden Umweltfaktoren. Lärmreduzierung bedeutet nachhaltige und aktive Gesundheitsvorsorge.

Akustische Ruhe sorgt für mehr Wohlbefinden und Lebensqualität der Bevölkerung und eine Verbesserung der Aufenthaltsqualität für alle Menschen, die in Bremen unterwegs sind. Weniger Lärm bedeutet auch weniger Einschränkungen in der Stadtentwicklung: In einer modernen urbanen Stadt gehören Mobilität, Wohnen und Arbeiten zusammen. Lärmschutz ist hier auch in der Raumordnungspolitik und der städtebaulichen Planung mit zu berücksichtigen. In einer leisen Stadt steigt die Verweildauer und ‐qualität auf öffentlichen Plätzen und kommt somit sowohl dem Handel als auch dem Image der Stadt zugute.

Wirtschaftsverkehre tragen zur positiven Wirtschaftsentwicklung und zum Arbeitsplatzerhalt bei. Bei lärmsteigernden Wirkungen jedoch, wie z. B. der Zunahme des Schienenverkehrs durch Verkehre des Jade‐Weser‐Ports, müssen die betroffenen AnwohnerInnen Hilfe erwarten können. Da Lärmschutz ein übergeordnetes Thema ist, das alle Ressorts betrifft, ist eine Zusammenarbeit insbesondere des Senators für Umwelt, Bau und Verkehr, des Senators für Wirtschaft, Arbeit und Häfen und der Senatorin für Bildung, Wissenschaft und Gesundheit nötig.

Lärm hat viele Quellen: Neben dem Straßen‐ und Schienenverkehr sorgt auch der Luftverkehr für eine erhebliche Lärmbelastung. Weitere Belästigung entsteht durch Lärm von Gewerbe und Industrie sowie durch Baustellen. Lärm muss zuerst und vor allem dort bekämpft werden, wo er entsteht. Der Aktionsplan zur Lärmminderung in der Stadt Bremen muss auf den Grundlagen aktueller Lärmkartierung und aktueller gesundheitlicher Forschung weiterentwickelt werden, die sowohl die Gesamtlärmbelastung (Gesamtlärmindex) als auch die Lärmbelastung durch einzelne Lärmquellen berücksichtigen. Für aktive und passive Maßnahmen zur Reduzierung des Schallpegels muss die Mehrfachbelastung durch verschiedene Lärmquellen berücksichtigt werden.
Die Herabsetzung der maximal zu erreichenden Höchstwerte des Dauerschallpegels von 70 dB(A) auf 65 dB(A) tagsüber und von 60 dB(A) auf 55 dB(A) in der Nacht, die für die zweite Stufe des Aktionsplans bis spätestens 2013 vorgesehen ist, ist sicherzustellen. Auch diese Werte sind noch sehr hoch angesetzt: Für den Nachtzeitraum sind ab einem Dauerschallpegel von 30 bis 35 dB(A) innen bereits nachteilige Wirkungen auf den Nachtschlaf möglich. Die WHO empfiehlt daher, nachts einen Dauerschallpegel von 45 dB(A) im Außenbereich nicht zu überschreiten. Tagsüber sollte ein Dauerschallpegel von 55 dB(A) nicht überschritten werden, um eine erhebliche Belästigung zu vermeiden. Die Unterschreitung dieser Pegel stellt daher ein langfristiges Umweltqualitätsziel unter dem Gesichtspunkt des präventiven Gesundheitsschutzes dar.

Im Sinne der vielen Lärmgeplagten in unserer Stadt und in Anbetracht nicht abnehmender Lärmwerte durch die prognostizierte Zunahme der Verkehre müssen wir langfristig überall in der Stadt für Lärmreduzierung sorgen. Bremen – leise Stadt: Es wäre auch volkswirtschaftlich vorteilhaft, so die Lebensqualität und die Gesundheit entscheidend zu fördern und das Stadtimage noch weiter zu verbessern.

Wir Grünen fordern:
Die Lärmaktionsplanung für Bremen muss auf Grundlage aktueller Lärmkartierung und Gesundheitsforschung fortgeschrieben und in ihren Maßnahmen mit einem kommunalen Lärmaktionsprogramm, wie es jetzt im Haushalt vorgesehen ist (zusätzlich 200.000 Euro in 2012, zusätzlich 600.000 Euro in 2013), ausgeweitet werden.

Aktive und passive Lärmschutzmaßnahmen:
• Effektiver Lärmschutz an den Bahnlinien: Lärmschutz direkt an den Gleisen, lückenloser Bau von Lärmschutzwänden unabhängig vom Baujahr der betroffenen Wohnhäuser und Gleise.
• Maßnahmen zur Entdröhnung des Hauptbahnhofs.
• Einführung einer Geschwindigkeitsbegrenzung für Züge in der Nacht, wirksame lärmabhängige Trassenpreise, Umrüstung veralteter Güterwagen auf moderne und lärmarme Bremstechnik.
• Einführung von Tempolimits: flächendeckend Tempo 30 in Wohnstraßen, Reduzierung der Höchstgeschwindigkeiten auf Autobahnen in der Nähe von Wohnbebauungen, die noch nicht durch Lärmschutzwände geschützt sind.
• Lückenloser Lärmschutz an den Autobahnabschnitten der A 1 und A 27, in deren Nähe sich Wohnbebauungen befinden, verstärkter Einsatz von Flüsterasphalt.
• verstärkter Einsatz der Geschwindigkeitsbegrenzung auf Tempo 40 auf Bremens Straßen. Gerade auf Strecken, wo Tempo und Lärm reduziert werden soll, auf denen aber auch ÖPNV fährt, ist dies eine gute Möglichkeit, die den Betriebsablauf nicht empfindlich stört. Die Geräuschentwicklung von Bussen ist zudem dabei geringer als bei Tempo 30, was ein ständiger Umschaltpunkt des Automatikgetriebes ist.
• Reduzierung des Lärms durch den ÖPNV: mehr Rasengleise zur Schalldämmung, Ausbau des Einsatzes von Hybrid‐ und Elektrobussen.

Verkehrsvermeidungs‐ und Verkehrsumsteuerungskonzepte:
• Ausbau und Verbesserung des CarSharing‐Netzes (Ziel bis zum Jahr 2020: mindestens 20.000 CarSharerInnen, Entwicklung von zwei Modellquartieren für CarSharing).
• Entwicklung einer ökonomisch und ökologisch sinnvollen Innenstadt‐Logistik (Logistikkonzepte, die mit dem Einsatz moderner Telematik die Fahrzeugauslastung erhöhen, Transportmittel‐Sharing, Benutzervorteile für lärmarme Lieferfahrzeuge, Kooperation der Logistikunternehmen zur Bündelung der Ladung).
• Überarbeitung des Lkw‐Führungsnetzes, damit der Lkw‐Verkehr möglichst flüssig verläuft und weitgehend aus der Stadt herausgehalten wird, Ausweitung von LKW‐Fahrverboten.
• Förderung eines lärmreduzierten ÖPNV sowie des Fuß‐ und Radverkehrs in Bremen.
• Förderung der Elektromobilität: Schaffung von Umstiegsanreizen auf Elektrofahrzeuge durch öffentliche Ladesäulen mit Strom aus erneuerbaren Energien und Parkvorteilen in der Innenstadt, Pedelec‐Modellprojekte für PendlerInnen und TouristInnen durchaus auch im Verbund mit dem ÖPNV.
• Reduzierung des Fluglärms durch konsequente Einhaltung der Nachtflugbeschränkungen, Einführung einer achtstündigen Nachtruhe.

Lärmschutz in der Stadtraumplanung
• Langfristige Schallbegrenzung und ‐reduzierung durch schallmindernde Architektur und Raumplanung.
• Schaffung von Ruhezonen und Ruhepolen in der Stadt: leise Aufenthaltsorte, verkehrsberuhigte Zonen und mehr Fußgängerzonen – auch in Verbindung mit Grünzügen, öffentlichen Plätzen und öffentlichen Gebäuden – schaffen (nach Vorbildern Freiburgs, Oldenburgs, Zürichs oder Linz‘).
• Sensibilisierung für und Begrenzung von Beschallung im öffentlichen Raum und öffentlichen Gebäuden im Rahmen von Stadtentwicklung und ‐gestaltung.

Öffentliche Sensibilisierung
• Aufklärung über alle Quellen und Folgen von Lärmbelästigung im Rahmen von Umweltbildung und Soziokultur und Beteiligung der Bevölkerung an der Maßnahmenplanung zum Lärmschutz in der Stadt.
• Verstärkte Öffentlichkeitsarbeit für Bremen als „leise Stadt“ mit hohem und wachsendem Erholungsfaktor.
• Sensibilisierung für Umweltbeeinträchtigung durch Lärm mittels Umweltbildung, autofreie Veranstaltungen und Kulturprojekte.

Ralph Saxe, Dr. Maike Schaefer, Carsten Werner, Dr. Kirsten Kappert‐Gonther, Jan Saffe, Dr. Matthias Güldner und Fraktion Bündnis 90/ DIE GRÜNEN.

Zahlen statt Kopf

In Kunst, Medien, Politik, Welt on 22. Oktober 2011 at 14:09

Das ist in der Tat unzurechnungsfähig, gaga, peinlich und vielsagend, wie’s die Ableger eines deutschen öffentlich-rechtlichen Senders gemeinsam mit Koryphäen wie Hilary Swank, Jean-Claude van Damme, Kevin Costner, Vanessa Mae (!!) und Heidi-Klum-Mann Seal schaffen, der Welt zu zeigen, was viele eh fürchten: Dass sie so viel Grips und politische Haltung haben wie Lothar Matthäus und Diego Maradona:

Bärendienst fürs Image von Künstlern

Warum auch politisch bewandert sein oder alternativ mal kurz bei Wikipedia nachschlagen, wenn man auf Freundschaft mit kriminellen und nicht nur halbseidenen Präsidenten macht und die Kohle stimmt. Andererseits: Wer würde sonst noch mal erfahren, dass es noch deutsche Fernsehbalette gibt – und wo könnten sie noch auftreten, wenn nicht in Hinterweltlers guter Stube?

Vielleicht wärs zur Vermeidung solcher Deppertheiten mal angesagt, auf solche Nasen im deutschen TV mal eine Zeit lang zu verzichten und stattdessen politische Kultur und Kunst zu finanzieren.