Braucht die Welt eigentlich noch Arbeit? Schon. Aber braucht die Arbeit noch Menschen? Schon weniger. Goetz Werner, Besitzer der Drogeriemarktkette „DM“ sieht, polemisch zugespitzt, eine wesentliche Aufgabe der Wirtschaft darin, die Arbeit abzuschaffen – möglichst wenig Menschen möglichst wenig arbeiten zu lassen – und plädiert für ein Grundeinkommen, unabhängig von Arbeit, Ausbildung und Beruf. Reine Konsumsteuern würden die entsprechenden Einnahmen bringen. Eine beeindruckende Idee, die auch unter Wirtschaftswissenschaftlern zunehmend Anhänger gewinnt – zumal das finanzierbar scheint. Natürlich aber macht sich auch Angst breit: Wer das alles und wie man das alles missbrauchen könnte! Wer denn dann die Schrankwand als kleinen Luxus finanziert? Und überhaupt: So einfach alles anders? Steuererklärung auf dem Bierdeckel wäre ja schon schön – aber gar keine mehr?
Wer bin ich und wenn ja wie viele?
Es gibt auch Menschen, die der Gedanke entspannt, beruhigt, erleichtert: Selbständige, die mal ein, zwei Monate (oder Jahre!) durchatmen könnten, sich konzentrieren könnten, Zeit hätten. In Zeiten umfassender „Losigkeit“ wäre das schon eine Frage der Gesundheit, auch eine der Kreativität. „Arbeiten, um zu leben“ scheint nicht mehr dauerhaft notwendig und möglich – und warum soll nicht die Technik allein tun, was sie kann? „Leben, um zu arbeiten“ ist schon länger out, da ist die Freizeitgesellschaft davor. „Lebenslanges Lernen“ ist für manchen noch eine Bedrohung – für andere klingt das fast paradiesisch.
Wie sieht Arbeit in Zukunft aus? Fremdbestimmt oder selbstbestimmt? Abhängig oder unabhängig? Lohnt sie sich noch? Braucht sie überhaupt noch jemand? Braucht mich überhaupt noch jemand. Eher nicht. Aber was „bleibt“ von uns, wenn wir nichts mehr (oder anderes) „schaffen“? Arbeit hat jahrhundertelang unser (!) Leben bestimmt und geprägt. Deshalb lässt sie keiner so leicht und gern hinter sich – was kommt denn danach? Leben und Arbeit hängen zusammen, verdammt vertrackt. Während Politiker noch munter die Lüge von der Vollbeschäftigung verbreiten, überlegen sie schon lange, ob und wie Menschen überhaupt noch auf dem Arbeitsmarkt einsetzbar sind. Und die überlegen schon mal, wer und was sie ohne Arbeit überhaupt noch wären.
Kultur macht Arbeit
Bei diesem Nachdenken hilft und provoziert jetzt eine bundesweite Initiative der „Freunde der Deutschen Kinemathek“ im Rahmen des Programms „Arbeit in Zukunft“ der Kulturstiftung des Bundes: „work in progress“ untersucht in Filmreihen vor allem kulturelle Aspekt der Arbeit – die unerträgliche Realität ebenso wie die utopische Vision. In Bremen haben das Kino 46 und die Arbeitnehmerkammer ein Filmorakel im Angebot und fragen Zukunftsforscher, was sie aus Science-Fiction-Filmen lesen, untersuchen das aktuelle Verhältnis von Reisen und Arbeiten, kontrastieren die „digitale Bohème“ mit dem neuen Armutsbericht. Arbeit ist auch zutiefst privat.
Die Industrialisierung ist heute schon wieder Geschichte, Freizeit ist Wirtschaft geworden, Kultur macht Arbeit: Sich nicht zu verirren zwischen „Ich-AG“, „Biografie-Design“, Urheberrechten und Kleinunternehmersteuerfragen – das sind ganz neue Herausforderungen. (cwe)