carsten werners

Archive for the ‘Werner’ Category

(m)ein Sommerinterview

In Medien, Politik, wörtlich!, Werner on 23. August 2012 at 22:05

Politik und Medien nehmen sich vielleicht gegenseitig zu wichtig und zu ernst, denke ich manchmal – und unterschätzen dabei oft die Macht des Faktischen: (m)ein Sommerinterview mit Calvani zu Klischees, Überraschungen … und dem ganzen Apparat.

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„Künstler sollen Stadtleben stärker prägen“

In Ideenwirtschaft, Kunst, Politik, Stadt, Werner on 1. Oktober 2011 at 17:57

Wie (und dass) Stadtentwicklung, kulturelle Bildung, Kreativwirtschaft und Kunst zusammengehören, durfte ich in einem Interview im Bremer Weser-Kurier erklären:

[ An einem konkreten – und gerade dieser Tage wieder aktuell werdenden – Beispiel habe ich sowas vor einiger Zeit schon mal durchgespielt. – Und siehe gerne auch noch mal da: Bürgerbaubeteiligung. ]

grüner Start

In Politik, Werner on 18. Juli 2011 at 16:39

So. Fast neu sortiert: Langgehegte Jobs auf oder unter „standby“ gefahren, in die Bremische Bürgerschaft nachgerückt und „eingezogen“ (wie das klingt). Viel Auflösung also, noch keine Abschiede, alles Zukunft gerade. Jetzt lese, lese, lese und rede, rede, rede ich, guck mich um, hör mir an, plane und denke: „Bremen ist erneuerbar.“ Und das machen wir jetzt mal.

Danke an alle Grünen, Ex-Arbeitgeber, Familienmitglieder und Kollegen, die mich angelernt und eingeführt, arbeiten lassen und ausgehalten, mit mir oder auf mich gewartet, für mich gestimmt und geworben, mit mir diskutiert, gedacht und geschrieben haben: Jetzt machen wir was draus! Demnächst in diesem Theater:

Bündnis 90/Die Grünen – Fraktion in der Bremischen Bürgerschaft – Carsten Werner    (Da steht hinter den Links schon wieder ein wenig Grundsätzliches.)

Für die Politik gewonnen

In Politik, Werner on 28. Mai 2011 at 19:22

Als die Bremer Grünen-Landesvorsitzende Susan Mittrenga im Sommer 2010 den freien Redakteur, Regisseur und Projektentwickler fragte, ob er für die Grünen in der Bremischen Bürgerschaft in den Wahlkampf und dann vielleicht ins Parlament ziehen würde, war nach ein paar Telefonaten und Treffen zügig klar: „Ich mach das.“ Ich kandidiere. Mitten aus der in Medien- und Kulturkreisen alltäglichen „Politikverdrossenheit“ heraus eigentlich eine  komplizierte Frage für einen Freiberufler zwischen Sylter Meerkabarett, Tagesspiegel-Politik- und Lokalredaktion, Bremer Kulturetatkürzungs-Abwehrkampf und Familie.

Aber ich bin politisch, seit ich denken kann, grün sozialisiert und will was bewirken. Und mit Mitte 40 Ideen aus dem Stadtleben, Erfahrungen im (kultur)politischen Nahkampf, gewachsene Überzeugungen in Politik und Stadtentwicklung zu übertragen – eine schöne Perspektive! Sich nach zehn Jahren Pendelei auf einen Ort konzentrieren, täte bestimmt nicht nur dem Kind, sondern auch der eigenen Gesundheit gut. Ich bewerbe mich. Dabei ist das nicht so meine Art: Für mich werben, das wird auch später im Wahlkampf noch mal heikel werden.

Überraschend, wie toll Ende November meine Rede zur Listenaufstellung ankommt. In Kampfkandidaturen ergattere ich Listenplatz 14 – einen „sicheren Platz“ nennt das die Lokalpresse, irgendwas zwischen „aussichtsreich“ und „gar nicht sicher“ finde ich: Bremen hat ein neues Wahlrecht,  Personenstimmen können die Liste kräftig durchschütteln. Ich fahre meine Berufe runter – wie für ein paar Sabbat-Monate; denn den Wahlkampf bezahlt mir niemand und wer weiß, wann ich in die Jobs zurück komme? – und taste mich in die Lokalpolitik.

 

Das Feilen an Konzepten, das Ringen um die richtigsten Worte und besten Argumente ist mir ja vertraut. Aber ich bin beeindruckt, wie viel konzentrierter und genauer das in der politischen Arbeit dieser grünen Fraktion möglich ist, in der ich jetzt Gast bin. Es geht, wie im Journalismus oder im Theater, um Inhalte, für die eine Form gesucht und gestaltet, Wirkung erzielt wird. Also euphorisiert auf in den Wahlkampf:Diskussionen, Ausstellungseröffnungen, Debatten über Kultur- und Stadtentwicklung,  kulturelle Bildung, Medienpolitik. Mich erstaunt, wie offen die politische Welt für einen von „außen“ ist. Und wie verschlossen die Öffentlichkeit plötzlich: „Sie sind ja jetzt Kandidat“. Da müssen gute Ideen zurückstehen. Versteh einer die Medien.

Trotzdem grüßen plötzlich wildfremde Menschen auf der Straße. An Straßenständen und im Online-Wahlkampf erlebe ich eine geballte Ladung Lebenswirklichkeit – und zu allem bitte immer schnell eine Haltung. Festlegung erwünscht. „Prüfen“ ist nicht so gefragt – wird wahlweise als Ausrede oder verkappter Plan gedeutet. Also: Sarrazins Erfolg halte ich für ein kalkuliertes kommerzielles Projekt. Den Bürgerrundfunk sollten wir  aus überholter „Meinungsorgan für alle“-Ideologie zum zeitgemäßen Bürgermedium und Instrument kultureller Bildung machen. Kulturelle Bildung geht nur, wenn Bildungssenatorin und Kulturressort zusammenarbeiten. Von wie vielen AKW ist Bremen umzingelt und kann die Stadt Atomtransporte verbieten? Nazis waren für mich immer nur so eine nervige Randerscheinung, jetzt demonstriere ich gegen sie. An Polizeisperren deeskalieren Polizisten und sind selbst gegen Atomkraft oder Nazis. Müssen Lehrer unbedingt verbeamtet sein? Nein. Berufsverbote der 70er Jahre führen heute noch zu Nachwehen und Verletzungen. Für die Inklusion Behinderter in den Regelunterricht kann man in den USA viel lernen. Wer weniger Lärm in der Stadt will, muss auch die Bürgerparktombola zur Ruhe mahnen, die andererseits aber die Finanzierung der Bremer Innenstadt-Parklandschaft sichert. Ja. Und wie halte ich es eigentlich mit der Frauenquote?  Finde ich gut: Weit über die Hälfte meiner Förderer, Chefs und Freunde waren und sind Frauen. Aber ich habe vorher nie darüber nachgedacht. Zur Vergänglichkeit und Umweltverträglichkeit von Urnen auf Bremer Friedhöfen muss ich passen. Parallel beginnt privat die erniedrigende Suche nach einem Kita-Platz für unsere dreijährige Tochter: „… diese Politiker“-Geschimpfe allerorten: Zu wenig Plätze, zu wenig Betreuungsstunden. Ich verspreche zaghaft, mein Bestes zu tun, demnächst, nach der Wahl … „Sie können mich übrigens auch wählen!“

Die fast unsichtbare, unhörbare Gegenseite im Landtagswahlkampf macht uns immer wieder stutzig: Die FDP verliert durch einen Austritt den Fraktionsstatus und zerlegt sich ein eine Restpartei und eine Wählervereinigung , in der CDU wird um Listenplätze gestritten, rechte Gruppen und Nazis mobilisieren – nicht wirklich erfolgreich. Handelskammer und CDU schimpfen auf drei Fußgängerampeln und schüren Angst vor einer City-Maut – nicht viel mehr, merkwürdig uninspiriert und planlos.

Ob es nicht gerade jetzt „etwas opportunistisch“ sei, für die Grünen in die Politik zu gehen, will die Lokal-taz schon Weihnachten wissen. Aber als Schülervertreter haben wir in den 80ern Norddeutschlands ersten Dosensammelcontainer aufgestellt. Im April 1986 bin ich mit meiner ersten Freundin auf dem Bremer Marktplatz von meiner ersten Anti-Atom-Demo aus dem Tschernobyl-Regen in den nahen Dom geflüchtet. 25 Jahre später stehe ich jetzt wieder da, mit einer Dreijährigen auf den Schultern. Wahlkampf? Auch. Angst vor der Atomkraft? Mehr. Auch fünf Tage vor Fukushima haben wir auf dem Marktplatz demonstriert. Es ist eine Generationen- und Zeitfrage: Wir kommen jetzt in der Gesellschaft an – die Ideen und die Leute. „Politik ist was anderes als das Einwirkenlassen von Gefühlsdünsten. Ich weiß, daß die nicht wegzukriegen sind, aber man sollte ihrer soweit es geht Herr werden.“ – wusste schon 1962 Herbert Wehner. „Ideen zu Taten schrumpfen“ habe ich mir als Wahlspruch aus dem Theater mit in die Politik genommen.

11. März, später Vormittag: In Japan hat gerade die Erde gebebt und einen Tsunami ausgelöst. DieDeutsche Bahn hat Verspätung, ich werde wieder zu spät in die Berliner Redaktion kommen.Noch ins Handy wütend, treffe ich im Ersatz-Nahverkehrszug Reinhard Loske, unseren Senator für Umwelt, Bau, Verkehr und Europa. Aus der grünen Bundestagsfraktion ist er vor vier Jahren nach Bremen gekommen und hat frischen Wind in die Stadtentwicklung gebracht, Innenverdichtung statt Flächenfraß am Stadtrand gepredigt, Kulturschaffende und Bürger in die Stadtplanung einbezogen, Verkehrspolitik auch auf Fußgänger, Radfahrer, Rollatorenschieber bezogen. Gerade Loske hat mir neue Lust gemacht auf meine Heimat und grüne Politik. In seiner Denkschrift „Abschied vom Wachstumszwang“ skizziert er „Konturen einer Politik der Mäßigung“: Ein Werbeverbot im Kinderfernsehen etwa, ein Ende der „Börsennachrichten“ als Dauerwerbung für Aktienspekulanten, Schluss mit Gier,den Handel regionalisieren, weniger konsumieren, auch weniger arbeiten: Eine 20-Stunden-Woche? Bedingungsloses Bürgergeld? Man wird doch wenigstens mal drüber nachdenken müssen, über die Zukunft.Auch inBremen. 2030 führt ein „Weiter so“ zum Kollaps, sagt der „Club of Rome“. Das ist ja nun bald. Wir reden über unsere Kinder, Literatur, Bremen. Und denken kurz an Japan: „Hoffentlich halten die AKW da direkt am Meer.“

Stunden später sitze ich im Tagesspiegel-Newsroom und produziere die Sonntagausgabe. Ein Bremer CDU-Kandidat postet bei facebook, jetzt würden die Ereignisse in Japan zu „widerlichen Kampagnen“ gestrickt und Bundesumweltminister Röttgen hält eine Atomdebatte  für „völlig deplatziert“.  Einige Stunden und Tickermeldungen später stellt er „die Grundfrage der Beherrschbarkeit von Gefahren“ der Atomkraft „mit dem heutigen Tag neu“.Uns Grünen wird so was wie Schadenfreude unterstellt. „Alles muss aus“ haben wir in Bremen plakatiert – die Plakate waren schon fertig, als Japan bebte. Im Wahlkampf sind sie und die „Nein Danke“-Sonnen-Aufkleber der Renner – und Anlass für viel weiter gehende Gespräche.

Am Sonntag wurde gewählt, alle Welt gratuliert . Am Dienstag die ersten Personalstimmen-Ergebnisse: Das wird nicht reichen. Von wegen „Kultur zieht, Du bist doch bekannt“! Also Hoffen auf ausreichend grüne Listenstimmen für meinen 14. Listenplatz. Ein fieses, fiebriges Gefühl – wie „Warten aufs Christkind“, um Tage gedehnt. Mitten in die Hochrechnungen eine SMS: Reinhard Loske zieht sich zurück, will nicht Senator bleiben – auf den und seine Impulse zur fairen, nachhaltigen, ökologischen Stadtentwicklung ich mich so gefreut habe. Irgendwas ist ihm zu viel geworden. Anfeindungen und Polemik? Provinzialität? Fehlende Achtung? „Persönliche Gründe“- eigentlich klar, dass ein Wahlkampf, ein Wahlergebnis einen Menschen beeindrucken, so oder so. Aber schwer zu erklären, zu verstehen – Schock für uns Parteifreunde, rätselhaft für Außenstehende. Immerhin: Er beteiligt sich noch an den Koalitionsverhandlungen.

 

 

Und ich bin aus meinem inneren Wahlkampf gerissen. Mein Listenplatz hat noch ein bisschen gewackelt und ist dann in einem Herzschlagfinale der viertägigen Stimmenauszählung zur Linkspartei gekippt: Die behalten so ihren Fraktionsstatus und ich bin raus. Oder ich rücke nach, wenn eine Kollegin oder ein Kollege in den Senat wechseln. Denn in Bremen muss man sich entscheiden. Meine Zukunft? „Ereignisoffen“, wie der letzte SPD-Kanzler Gerhard Schröder mal sagte. Aber für die Politik bin ich gewonnen – vielleicht um irgendwann mal wie Winfried Kretschmann, der erste deutsche grüne Ministerpräsident in Baden-Württemberg, zu bekennen: „Ich bin wirklich ein absolut leidenschaftlicher Provinzpolitiker.

 

 

 

faire und soziale Stadt :: kreatives Bremen

In Politik, Stadt, Werner on 9. Mai 2011 at 22:00

Eine Flugschrift.

faire und soziale Stadt :: kreatives Bremen

mein Flyer zur Bremer Bürgerschaftswahl 2011

Nehmt und tragt sie in die Stadt.
Leiht mir Auge, Ohr und vor allem: Eure Stimmen!

Vorbei. Verpasst.

In Ideenwirtschaft, Konsumempfehlung, Kunst, Medien, Werner on 8. Mai 2011 at 09:08

Nachwort zum Verschwinden einer Homepage.
Vorwort zu Schnipseln und einem Buch, die sie retten.
(ungekürzte Fassung)

Vorbei. Verpasst. Das kann man sich ja kaum noch vorstellen. Haben wir zu viele Worte oder Bilder geschrieben, mögen wir uns im schönen Materialwust nicht entscheiden, gibt’s „den ganzen Text“, „alle Bilder, alle Infos“ oder „das Projekt komplett“ eben „online“. Da steht es dann rum – man kann sich noch mal wehmütig erinnern, wie schön das alles beim Machen war, wie lebendig beim ersten Zeigen, wie wichtig für diese geschäftliche Entscheidung neulich oder jenen persönlichen Schritt damals.
Aus dem eben noch wild visionierenden, utopisierenden und streitenden Blog wird mit drei Klicks ein „Archiv“.

Kommen unsere Eltern mit Tüten voll Zeitungsartikeln, Flyern, Fahr- und Eintrittskarten, schmunzeln wir leicht genervt.
Beim Kind lächle ich gerührt, dass die Werbekarte mit Lenis Mama drauf, die Muschel aus Rantum, zwei mal 5 Cent und ein kaputtes Blümchenportemonnaie auf ewig zusammengehören und bleiben.

Früher haben wir Postkarten gesammelt und Aufkleber und Buttons und Fotos und Artikel und Flyer, erst in Kisten, dann in Schränken, dann in Räumen und dann alles dem Staatsarchiv in verantwortungsvolle Hände übergeben. Heute speichern wirs ab in einem merkwürdigen Zwiespalt: Wo „alles“ gesichert ist, soll „nichts“ vergessen werden. Aber wo nichts vergessen wird, bleibt wenig Raum für Erinnerung.

Im Datenraum rutscht nichts nach unten oder hinten, vergilbt oder verstaubt nichts. Aber es wird/bleibt auch nichts wichtiger als das andere. Neulich war meine erste Homepage noch da, dann entfernte sie sich aus dem HTML-Leben und war nur noch Code – immerhin. Eben gerade habe ich nachgeguckt: weg, ganz. Glaube ich.

Während das Festhalten, persönliches Markieren und intuitives Sortieren schon schwierig sind, geht die Verknüpfung mit Gefühlen gleich ganz schief. Datenträgerarchive sind ja noch noch viel toter, unsichtbarer und unwirtlicher als muffige-kühle, abgelegene und mies beleuchtete Staats- und Unternehmensarchive oder private Lager.
Meine Projekte-CD-Sammlung sieht nur scheiße aus, schrabbelig, und ob die Daten noch lesbar sind, will ich lieber gar nicht so genau wissen, da sitzt man sonst wieder tagelang frustriert und übernächtigt am Rechner und ärgert sich.
Meine kindliche Postkartensammlung riecht heute noch nach burti-Waschmittel, wegen eines dämlichen Experiments. Aber sitze ich mit Rückenschmerzen da mittendrin, spüre ich die Wichtigkeit, den Anlass, die Aufregung zu jeder einzelnen Karte – von Opa im Skiurlaub bis zu meiner ersten Freundin, auf dem anderen Kontinent. Das Pixi-Entenbuch hilft mit dem Zoo-Ticket zusammen der Erinnerung auf die Sprünge – auch an meine blöde Schwester, die die vorletzte Seite zerfetzt hat, worauf ich sie auf den Balkon … und so weiter. Alles noch da und verknüpft in Hirn und Herz. Aber Vieles ist und bleibt weg und das ist auch gut so.

Wenn Giraffentoast seine Homepage – das öffentliche digitale Gedächtnis der Firma – jetzt zurück in die Wirklichkeit rettet, ist das konsequent und steht für Eure Liebe in den Produkten, soziale Haltung zu den Projekten. Für das Primat der Inhalte und Gedanken und Gefühle, aus denen sie gemacht sind. Jetzt leben sie weiter an Pinnwänden und in Schubladen, in Mappen und Schachteln, hinter den Spiegeln in den Hinterhöfen, Hinterzimmern und Hinterköpfen – haben Platz und Raum geschaffen für Neues und Nachfolger auf www.giraffentoast.de. Und sie sind als Geschenke unterwegs zurück ins wirklich wahre Leben: Als Ideendünger und Impulsgeber, als Bastelelemente und Erinnerungen an schöne Momente, gute Arbeit. Welcome back!
Es lebe die Wiederverwertung! Und es lebe die Unvollständigkeit!

Hoffentlich scheitert dieses Buch also auch ein bisschen: Weil man nicht alles festhalten kann, weil das auch nicht gut wäre. Es soll mindestens so viel Anstöße. Wie es festhält im Hier und Jetzt. Wir brauchen ja viel mehr Platz und Zeit und Hirn für Neues!

Zum deconstruct–Buchprojekt von Giraffentoast

Katastrophenradio!

In Medien, Werner on 15. März 2011 at 20:53

cwerg war gestern nach 2 Wochen Berlin recht betrübt über den Zustand der norddeutschen Radiotiefebene mit ihren in der aktuellen Weltlage – Umbruch in Arabien, Gau in Japan – besonders abstrusen Infohäppchen, Gesprächlein und Nah-Beim-Menschen-„Ideen“ – und über die Unfähigkeit oder den Unwillen, die Stimmungslage in Tonfall, Inhalt und Musik zu erfassen, was anderes zu „machen“ als die übliche vorgeschützte „Geschäftigkeit“, Standard-Aktualitäts-Floskelei und höchstens Betroffenheits-Getue. Das ist alles so alt und so verbraucht und untauglich.

– Aber allein die drei Deutschlandradios sind in diesen Tagen die GEZ mehr als wert; jedes für sich, on air oder im Internet: Interessierte Experten und Redakteure aller Fächer am Studiotisch, Bezüge herstellend, sich ergänzend und gemeinsam informierend und fragend, einordnend, denkend, fürchtend sogar – sendend eben. Das will ich hören und bezahlen. (Nicht bloß „irgendwie dabei“.)

„Ich will nicht nur der Kulturhansel sein“

In Politik, Werner on 29. Dezember 2010 at 14:21

AUSBLICK Mit Carsten Werner zieht ein langjährig Kulturschaffender für die Grünen wohl ins Parlament ein. Ein Gespräch über Kompromisse, Institutionen und kollektive Führung

INTERVIEW JAN ZIER

taz: Ist es Sendungsbewusstsein, dass Sie als erfolgreichen Regisseur, Kurator und Journalisten dazu treibt, in die Politik zu gehen, Herr Werner?

Carsten Werner: Ich kann dem nicht widersprechen. Ich agiere und äußere mich politisch, seit ich denken kann, bin grün sozialisiert und will was bewirken mit dem, was ich tue. Das war auch mein Ansatz für alles, was ich künstlerisch gemacht habe. Und mir ist es wichtig, um Konzepte zu streiten, die besten Argumente zu suchen.

Bisher konnten Sie dabei kritische Distanz wahren, künftig müssen Sie womöglich Koalitionsentscheidungen „mittragen“. Warum geben Sie diese Freiheit auf?

Das ist ein Klischee – wenn man Leiter einer komplexen Einrichtung wie der Schwankhalle war oder für eine große Redaktion Zeitungsseiten produziert. Ich habe mehr Verwaltung mitgemacht als mancher Politiker ertragen muss. Da hab ich keine Angst. „Lasst Ideen zu Taten schrumpfen“, ist ein schöner Theater-Spruch, Theater ist immer ein großer Kompromiss: Du hast eine Vision, aber nur ganz selten erlebst du die eins zu eins auf der Bühne. Nun muss ich Kompromisse auch öffentlich vertreten. Aber ich glaube, ich war immer ein guter Mittler zwischen Kunst, Politik, Verwaltung und Einrichtungen.

Ist es nicht etwas opportunistisch, jetzt für die Grünen in die Politik zu gehen, wo ihre Umfragewerte so hoch sind?

Der Hype wäre aber auch ein schlechter Grund dagegen! Vielleicht ist die Sympathiewelle ja auch eine Generationen- und Zeitfrage. Ich bin jetzt biografisch an einem Punkt, wo ich das, was ich kann und gelernt habe, auf ein anderes Level weitergeben will – ohne nur der Kulturhansel der Grünen zu sein.

Viele werden Sie aber als „Sprachrohr“ der freien Kulturszene wahrnehmen.

Das ist nicht meine Aufgabe. Und wenn wir den „Großen“ Geld wegnehmen und den „Kleinen“ geben, ist keinem geholfen. Aber ich weiß, wie die Szene tickt. Die freie Szene versucht viel zu oft, der Welt der etablierten Kultureinrichtungen nachzueifern. Ich versuche, eher nicht so institutionell zu denken. Inhaltlich kann man viel lernen und erfahren von freien Künstlern. Ich bin ein überzeugter Freiberufler.

Warum sind Sie 2005 zu den Grünen gegangen?

Helga Trüpels Europawahlkampf und -arbeit hat mir gezeigt, was grüne Politik alles sein kann. Auch die Lähmung durch die „große“ Koalition und Bremens Bewerbung als Kulturhauptstadt spielten eine Rolle.

Angesichts Ihrer Bekanntheit könnten Sie beim neuen Wahlrecht darauf setzen, durch Personenstimmen gewählt zu werden. Sie bevorzugen den sicheren Listenplatz 14. Warum?

Das war eine Momententscheidung: Bei den Grünen wird man ja auf den Listenplatz gewählt. Meine Bekanntheit unterschätze ich vielleicht, der Zuspruch hat mich freudig überrascht. Aber wer mir seine Stimmen gibt, gibt die der Partei. Und das will erst mal geschafft sein.

Bei Ihrer Bewerbung auf dem Parteitag haben Sie Sinn für gute Performance bewiesen.

Ja? Aber ich bin kein Schauspieler, hab das nie gelernt und noch nie vorher eine Rede gehalten.

Was verbindet die Politik und das Theater?

Es ist jeweils, wie auch im Journalismus, Inhalt, für den man eine Form gestaltet. Und natürlich geht es immer um Wirkung.

Den Grünen wird vorgeworfen, inhaltlich äußerst flexibel zu sein: Für Kriegseinsätze und dagegen, für Hartz IV und dagegen, für Olympia und dagegen.

Eine gewisse Ambivalenz ist total normal und spannend. Ich will auch die Umwelt schützen – und „muss“ Auto fahren. Die Welt ist nicht schwarz-weiß: Ich will Qualitäten diskutieren und Bewusstsein.

Reizt Sie die Macht?

Nein. Ich gebe eher Macht ab. Aber ich habe Lust auf gute Kompromisse, will Themen voranbringen – stärker, unmittelbarer als ich das als Künstler kann. Kulturpolitik besteht nicht nur darin, permanent Einrichtungen zu retten und dafür Bedarfe anzumelden …

etwa im Bremer Theater.

Um es mit Harry G. Frankfurt zu sagen: Hans-Joachim Frey hat „Bullshit“ geredet, von Anfang an. Das vermochten der damalige CDU-Kultursenator Jörg Kastendiek und seine Staatsrätin Elisabeth Motschmann nicht zu erkennen, die lobten ewig seine „guten Manieren“. Er hat ein paar interessante und richtige Fragen gestellt. Aber an dem, was er gemacht hat, war nichts neu, es gibt kein finanzielles Perpetuum mobile. Und das Kulturimage Bremens, die hiesige Szene wird viel länger und intensiver an Freys Wirken leiden, als wir heute wahrhaben wollen.

Hat die Politik nicht gut genug auf Frey aufgepasst?

Das weiß ich nicht. Aber Politik, auch rot-grün, und die Medien in Bremen sind fast alle zu lange auf Freys Gesabbel hereingefallen. Auch Jens Böhrnsen hat viel zu spät reagiert.

Braucht ein Theater überhaupt einen Intendanten?

Ja. Kollektive Leitungsmodelle funktionieren immer nur phasenweise. Sie sind impulsreich, aber extrem aufwändig und anstrengend. Und am Ende braucht es Entscheidungen – ob alleine gut getroffen oder gut moderiert. So viele Menschen in einem Stadttheater sind nur schwer kollektiv zu führen.

Macht Carmen Emigholz als SPD-Kulturstaatsrätin einen guten Job?

Ja. Sie kommt mit jungen Newcomern genauso gut ins Gespräch wie mit alten Hasen. Aber sie hat es noch nicht geschafft, die Szene wieder miteinander ins Gespräch zu bekommen. Da ist vieles eingeschlafen. Und es fehlt an der Vernetzung von Kultur- und Kreativwirtschaft, von Kultur- und Stadtentwicklung und an einer vernünftigen Aufstellung der kulturellen Bildung.

Dabei ist Kultur „Chefsache“.

Jens Böhrnsen ist als Kultursenator kaum wahrnehmbar. Er kann unheimlich gut zuhören, setzt aber kaum Impulse. Sicherlich schützt sein Bürgermeisteramt das Kulturressort in einer prekären Phase. Ich finde es besser, wenn Kultur zu einem großen, gestaltenden Ressort gehört.

Welches Projekt würden Sie als Politiker gerne anstoßen?

Kultur als wesentliches Element der Stadtentwicklung positionieren. Im Kleinen: ein Projekt gegen Zwangsbeschallung in der Öffentlichkeit und für Lärmbewusstsein finde ich unheimlich reizvoll, wie Linz es mit der „Hörstadt“ hat. Sogar Supermärkte verzichten dort auf Dudelmusik. In Bremen hat mich der stille autofreie Sonntag darauf gebracht.

Hinweis zum Interviewpartner

29.12.2010 taz Nord Nr. 9381 Bremen Aktuell 223 Zeilen, JAN ZIER S. 24
nur in taz-Teilauflage

Bewerbung als Grüner, Vollbremer, Politiker

In Politik, Stadt, Werner on 27. November 2010 at 22:03

Liebe Freunde und Kollegen,

nach fast 25 Jahren Spagat und Pendeln zwischen Kunst und Journalismus will ich die dritte Ebene der guten Argumente, der bestmöglichen Ideen und der deutlichen Vermittlung erleben und beleben – und grüne Politik machen. Die Ermutigung durch grüne Freunde und den Landesvorstand, hier quer einzusteigen, freut mich riesig. Und die Intensität und Qualität der Arbeit am grünen Wahlprogramm hat mich überzeugt und inspiriert.

Meine Erfahrungen als überzeugter Freiberufler und Arbeitgeberwechsler, als Künstler, Projekt- und Organisationsentwickler, als Journalist und Öffentlichkeitsarbeiter, als Ausbilder und Vater möchte ich in Bremer Politik übersetzen und dazu vom Teilzeit- wieder zum Voll-Bremer werden. Ob (zuletzt) als freier Politikredakteur beim Berliner „Tagesspiegel“, als Ausbilder und Projektentwickler für die Bremer Schwankhalle, als Theaterregisseur oder als wirtschaftlich handelnder Programmmacher für Breminale und Sylter Meerkabarett: Meinen Tätigkeiten und meiner Bewerbung um einen grünen Listenplatz für die Bremer Bürgerschaftswahl 2011 liegen der feste Glaube an die Kraft des guten, besten Arguments und die Begeisterung für intensives Vermitteln zugrunde – und die Überzeugung und Lust, damit etwas zu bewirken.

In meinem Berufsleben ist der Wechsel von Arbeitsplätzen branchenüblich und sinnvoll. Meine wichtigsten Chefs und Förderer waren Frauen. Als Ausbilder lege ich viel Wert auf einen individuellen Weg der Auszubildenden. Kritik ist mir zum wichtigsten Werkzeug geworden: „Blattkritik“ bei der Zeitung, Kritik als Regisseur oder Redakteur nach einer Probe, Vorstellung oder Sendung, oder die klassische Veranstaltungskritik – in diesem Sinne will ich auch Politik, Gesellschafts-Kritik: nicht dagegen, sondern dafür, im Interesse von und an Menschen, an Inhalten und ihrer Zukunft, in kreativem Streit und Dialog. Ich beherrsche dieses Handwerk ganz gut – wach, sensibel und kreativ in die Welt zu blicken, um sie im Konkreten immer ein bisschen besser zu feilen: „Das Bessere ist der Feind des Guten!“ „Lasst Ideen zu Taten schrumpfen!“ Das ist auch realistische grüne Politik.

Gesellschaftliche Veränderungen – ob im Arbeitsmarkt oder in der Stadtentwicklung – müssen und können kreativ und offen angebahnt werden. Die vielen Parallelgesellschaften, in die unsere Gesellschaft sich splittet und die wenig voneinander wissen, müssen sich öfter treffen und berühren: Solidarität und Chancengleichheit entstehen ja nur gemeinsam. Was in Nachbarschaften, in guten Schulen und in guter Arbeit klappt, funktioniert am effektivsten über Sport, Kultur und – wenn man die nicht sowieso zur Kultur zählt – über Medienangebote. Wichtige Akteure und Partner dabei sind jenseits institutionalisierter Interessenvertretungen sich stetig wandelnde Communities und auch die Freizeitwirtschaft.

Gut vermittelt und inhaltlich gefüllt, schaffen Konsum- und Medienkompetenz, Freizeitfähigkeit und Naturerleben, Stadtleben und Umweltbewusstsein Teilhabe und Bildung, schärfen Sinne und Ziele. Eine „Politisierung“ von „Freizeit“ in diesem Sinne, in Richtung einer Gesellschaft, macht mir großen Spaß. Interdisziplinär, genre- und fachübergreifend interessieren mich dabei vor allem

– Stadtentwicklung

– gesellschaftliche Teilhabe und demokratische Beteiligung

– Kulturentwicklung, Bildungs- und Medienpolitik

– Freiberufler und Mikrowirtschaft

Was trägt konkret zum sozialen Gelingen, zur Lebens- und Beschäftigungsqualität in Bremen bei? An dieser Frage müssen sich nicht nur Schulen, sondern auch die Handelskammer messen lassen. Aber auch Kultureinrichtungen, Medien und Stadtplaner. Wir brauchen eine Verbindung der über die Senatsressorts verteilten kulturellen Themen, Ansprüche und Förderungen – und mehr inhaltliche Kommunikation der Einrichtungen, wo es zu oft nur um Kosten geht.

– Die Überseestadt muss mit einer gesellschaftlichen, kulturellen Vision „gefüllt“ werden.

– Bibliotheken müssen selbstverständlich gerade am Wochenende geöffnet sein.

– Kulturelle Bildung braucht kluge Elternpolitik, klare eigene Förderformate – und bessere Zugänge.

Ich will, dass in Bremen 20-Jährige eine Geschäftsidee, ein Kulturprojekt, eine politische Initiative gründen und starten können, ohne dass Zugangsvoraussetzung in die „boomende“ Kreativwirtschaft die Möglichkeit zu jahrelanger Selbstausbeutung ist.

Die Entwicklung nachhaltiger Ideen, nachhaltiges Handeln sind wichtiger als zunehmende Institutionalisierung.

„Kultur“ also ist für mich nicht nur (aber auch) die Produktion und Präsentation von Kunst. Vor hundert Jahren waren Zeitung und Theater mal fast eins: tagesaktuelles, politisches und populäres Medium. Diese Rolle hat später das Fernsehen übernommen, heute das Internet. Aber Kultur (und Kunst) können Stadt und Gesellschaft prägen:

– Das vor 20 Jahren im Kulturzentrum Lagerhaus erfundene Car-Sharing oder die zeitgenössische private Bildungseinrichtung Universum Science Center sind florierende kommerzielle Unternehmen.

– Nicht zufällig sind der „Klub Dialog“ und die „Zwischen Zeit Zentrale“ als vielleicht wichtigste Innovationen für die Stadtkultur in Obhut der Ressorts für Wirtschaft, Finanzen und für Stadtentwicklung entstanden.

An einer herausfordernden, impulsgebenden „Unternehmenskultur“ Bremens müssen starke, gestaltende Ressorts wie Stadtentwicklung, Bildung oder Wirtschaft, müssen Bürger und Bürgerschaft Anteil nehmen!

Ich freue mich drauf, das auszuprobieren – und über jeden, der mich dabei  unterstützt: Mit Auseinandersetzung, Hinweisen und Fragen, mit Vertrauen, Euren Stimmen und Weitersagen.

„Meine Bundesrepublik“ ???

In Politik, Welt, Werner on 23. April 2009 at 11:07
Ich war ja nicht von Anfang an dabei. Im Nachdenken über meinen Staat und mich drängen schwer angstbesetzte Situationen aus der Erinnerung, die wohl mein gesellschaftliches, politisches Bewusstsein geweckt haben: Die ungeheure Angst, als Lilienthaler Teenie von brutalen RAF-Terroristen mit meinen kleinen Schwestern vom Schulhof oder aus dem Vorortgarten entführt zu werden – oder direkt im Postamt, wo finstere Steckbrief-Visagen vor äußerster Brutalität und direktem „Schußwaffengebrauch“ warnten. Medien, Polizei und Politik implizierten mir dieses mögliche Schicksal. Etwas später beherrschte mich monatelang große Angst, bei der Bundeswehr einmal selbst zum Waffengebrauch gezwungen zu werden. Und meinen ersten und einzigen DDR-Besuch verbrachte ich absurd kreiselnd wandernd durch Ost-Berlin – sollte doch hinter jedem Busch und Schild ein Verfolger stehen. Keine sehr schönen Erinnerungen. Aber heute bin ich manchmal noch fröhlich überrascht, dass Helmut Kohl hier nicht mehr Kanzler ist und wie schnell Demokratie doch gehen kann. Ich kenne keine andere als diese eigentlich nette, liberale Bundesrepublik. In „der Krise“ von System und Staat verdichtet sich gerade mein Gefühl, dass sie sich noch mal gewaltig verändern wird und muss. Meine Angst reduziert sich jetzt auf bürokratische Monster und ist sonst Neugier und Entdeckerlust gewichen.

(für den Weser Kurier)

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