carsten werners

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Wahl-Nachlese

In Politik on 3. Juni 2015 at 08:21

Fotomeine Wahl-Nachlese zur Bremer Bürgerschaftswahl vom 10. Mai 2015 und dem Ergebnis der Grünen:

In einer Wahlanalyse hieß es, die Grünen hätten kein Angebot gemacht für Leute „die was machen wollen“ – Industrie, Handwerk, Dienstleistung. Ich ergänze: GründerInnen, Studierende und Auszubildende, Digital Natives … junge Leute überhaupt, Kreative und Künstler, Familien, prekäre Milieus – Leute, die sich über ihr Erleben definieren. Das meint nicht bloß Spaß und Pop oder „Unterhaltung“, wie dieser Sichtweise zu gerne unterstellt wird – das betrifft ganz harte soziale Erfahrungen, positive Patchwork-Realitäten, Familienleben, kulturelle Verflüssigungen und Parallelwelten gleichermaßen!

Wir haben zum Wahlkampf Inputs von außen zu wenig gesucht und zugelassen – weder Kritik noch Inspiration, von grün-affinen Umfeldern oder der Basis bis zur eigens engagierten Agentur. Wir haben WählerInnen und NichtwählerInnen differenziert und zu oft gezielt nur potentielle WählerInnen angesprochen. Wir haben uns stattdessen zu oft zu sehr mit der SPD gestritten (und nicht mit der Linken, der CDU oder gar der FDP, haben auch „die Partei“ und die Piraten wieder nicht wahrgenommen) – und für uns selbst „Realisierbarkeit“ und unsere Regierungs-Realität zum Mantra gemacht. Veränderung, für die wir stehen wollen, gibt es aber kaum ohne Aufwand und selten mit Garantieschein. Sie kostet aber auch nicht immer viel Geld – sondern „nur“ Aufmerksamkeit, Achtsamkeit, Anerkennung. Und Durchsetzungskraft – auch und gerade gegenüber dem „eigenen“ Senat.

Der Personalwahlkampf war das am stärksten nach außen vermittelte Moment, das diese wichtige Aufmerksamkeit für Andere zugelassen hat (und ausweislich des Verhältnisses von Personal- zu Listenstimmen auch produktiv gemacht hat): Communities, Herkünfte und emotionale Tags bestimmen jedenfalls in allen Parteien die Personalstimmen-Ergebnisse. Und da, wo es für uns Grüne schwierig war – in den Hochschulen, bei jungen Menschen, in der Kultur, gerade in Grünen-Hochburgen -, da ist das auch aus Betroffenheiten herzuleiten, die wir (mit) verantworten: von Wissenschaftsplan über Bürgerbeteiligung und Baustellen bis zu Zwischennutzungen, von Elternsorgen und -ängsten bis zum ortlosen „Zuckerwerk“. Von der Wahlbeteiligung in nicht-grünen Milieus (von der wiederum viele kluge und empathische, grün-affine Leute um uns herum wissen und erzählen) zu schweigen.

Als Partei haben wir Fragen, Kritik, Korrektur-Ideen, auch Diskurs-Bedarf oft weggestimmt – die Prüfung fahrscheinlosen ÖPNVs, eine klare Haltung zur Individualität von freien Schulen, eine kritische Fragestellung zum OTB: weggestimmt.

Und jetzt? Trauen wir uns an eine kleine Revolution des extrem männerdominierten Sportwesens? Geben wir Kultur die Aufmerksamkeit, die wir ihr in fast allen Politikbereichen zuschreiben? Natürlich muss und kann sowas nicht alles morgen, heute, jetzt gleich Realität sein. Aber dass es kaum gedacht, gefragt, utopisiert werden soll, schmerzt – mehr, als dass es nicht durchsetzbar oder leistbar sein könnte.

Gleichzeitig wurde in Schleswig-Holstein ein Kämpfer fürs bedingungslose Grundeinkommen zum Parteichef der grünen Regierungspartei gewählt: Arfst Wagner:

– und ein Philosoph und Künstler zum möglichen Bundes-Spitzenkandidaten: Robert Habeck: http://sh-gruene-partei.de/landesparteitag/egal-wie-es-ausgeht-robert-habeck-auf-dem-landesparteitag-2015. Cool und staatstragend. Geht doch!

Was wir Bremer Grüne im – vorbildlich diskursiven, interaktiven – Programmprozess diskutiert haben: Hätten wir das nicht auch nach außen tragen sollen und müssen, uns als viel offener fragend, suchend, aufgeschlossen, streitbar zeigen sollen?

Mich besorgt in Bremen die allgegenwärtige Besorgnis, dass Energien frei werden könnten – das gilt für meinen Bereich der Kulturpolitik, das gilt für die Stadtentwicklung insgesamt, das gilt für die Unterstützung neuer Träger und neuer Ideen. Das gilt für die ununterbrochene SPD-Regierung in Bremen – und das gilt nach acht Jahren Regierungsbeteiligung auch für uns Grüne. Das ist unser Regierungsstil geworden. Hat diese staatstragende Politik eigentlich noch Gegenbilder, Weiterungen – oder wollen wir SPD-CDU-Handelskammer und dem Milieu der Institutionen und Systemrelevanzen möglichst gleichmäßig gefallen, nicht auffallen (und uns aufs real existierende Wähler-Milieu begrenzen)?

Wir haben nicht nur durch „zu viel Arbeit“ gleichsam „vergessen“, Erfolge auch zu feiern (oder damit Signale zu setzen, auch provokative), wie es jetzt vielfach heißt – wir haben das manchmal schlicht auch nicht gewollt oder gekonnt: Wir haben zu den Lebenswelten der Hochschulen nur Strukturdebatten geführt – und vermissen jetzt auch dieses „Milieu“. Zu den Quartieren und zum Grün, zum Fluss auch nicht viel – das ist aber die von uns sehr erfolgreich gepflegte Umwelt „da draußen“! Wir haben in Kultur nicht wirklich viel Grundsätzliches bewirkt oder gar Neues ermöglich – und wo, wenn nicht da, wäre das so nötig wie machbar? Wirtschaft kommt kaum vor als grünes Politikfeld – dabei gäbe es da in Richtung einer gemeinwohlorientiert(er)en Ökonomie, Sharing, gäbe es in der Gründerszene, im Mittelstand und bei den KMU viel zu tun und viele Partner. Zu digitalen Themen haben wir uns immer wieder vom Senat bremsen lassen; von einer eigenen Agenda zum digitalen Alltag sind wir weit entfernt.

Und viele Migranten und alle Flüchtlinge können uns per Stimmzettel gar nicht erreichen, weil sie nicht wählen dürfen – auch das wird ein Thema der nächsten Jahre sein. Sind wir dabei wenigstens richtig klar, wohin wir unsere gute Politik in diesem Feld überhaupt kommunizieren?

Joachim Lohse und Anja Stahmann hatten irre viel Arbeit, die bundesweit hoch geschätzt wird (gerade auch in Communities, Fachöffentlichkeiten, Initiativen und Projekten, politisierten Gruppen!) – aber in Bremen geben wir damit nicht an, fühlen die Lebensqualitäts-Gewinne nicht vor Ort nach.

Wir vermissen „Nachwuchs“ – aber suchen wir ihn überhaupt, halten wir ihn aus und die Risiken, die die Jugend mitbrächte (oder das was Älteren dann unverständlich erscheint)? Jedenfalls hegen wir ihn nicht: Wie sollen wir junge Leute erreichen, wenn unsere eigenen jungen Leute nicht einmal aussichtsreiche Listenplätze erreichen – und in der Kampagne eigentlich nicht vorkommen? Sie wurden auch nicht ausreichend gefördert und beraten.

Wenn jetzt von Kritikkultur und Streitkultur (wieder, endlich) die Rede sein soll, müssen wir zunächst identifizieren, mit wem wir uns streiten wollen – und worüber. Auch innerhalb der Grünen. Dazu müssen wir Positionen entwickeln, über die sich zu streiten lohnt: nicht über Stilfragen, sondern über weitergehende Inhalte, Anliegen, gesellschaftliche Zuständigkeiten und Positionen. Und Streit und Kritik müssen sich entwickeln können; in einer guten Mischung (und Reihenfolge) von geschützten Runden, klaren Regeln – und dann Transparenz.

Durch eine irrsinnig frühe Koalitionsaussage schon Ende 2013 – mehr noch: unbedingte Verbindung mit der SPD, mehrstimmig erklärte Alternativlosigkeit! – haben wir Grünen a) uns unnötig zum Teil und Spielball der großen Bremer SPD-forever-Erzählung und -Kampagne gemacht, und b) allen, mit denen wir über Alternativen zu 70, 75, 80 Jahren SPD in Bremen auch nur hätten nachdenken, reden, hinhören oder -fühlen können, gesellschaftliches Desinteresse daran signalisiert, sie desillusioniert. Der Journalist Jan-Philipp Hein hat am Tag nach der Wahl getwittert: „Das Ergebnis der Bremen-Wahl: Diese Stadt ist nicht mehr Eigentum der SPD“

– ist das nicht auch unser Verdienst? Oder gehören wir schon mit zu den Bremen-Besitzern?

Die beiden Chefredakteure Andrea Schafarczyk (Radio Bremen) und Moritz Döbler (Weser-Kurier) haben für Bremer Verhältnisse fast brutal einen politischen Neuanfang angemahnt – die SPD hat umgehend postuliert: „Die SPD hat verstanden!“ und dazu fix das Beste und Größte aus den Programmen von CDU, Linken und Grünen zusammengekehrt: Von allem mehr – in alten, fantasie- wie richtungslosen Bahnen und Strukturen. Wollen wir das mitmachen?

Was ist das grüne „Wir haben verstanden“?

Ich meine: Wir brauchen jetzt das genaue Gegenteil von Wagenburg und Selbstbestätigung! – Wir müssen uns aufmachen: Die Köpfe, die Partei, die Diskurse! Für mehr Köpfe und ihre Inhalte: Es gibt viele Ideen und Initiativen, Wissen und Anliegen ganz real in diesem „da Draußen“, von es immer heißt, dass es „uns nicht mehr versteht“ – wir müssen uns da nur committen und connecten.

Aber immer mehr „da draußen“ haben gerade keine Lust mehr, von uns „hier drinnen“ erzählt zu kriegen, was alles nicht geht. Sie haben einfach Lebensweisen und -sorgen, Ideen, Sprachen, deren Realität wir anerkennen und „verstehen“ müssen. [Wenn es einen „Fukushima-Effekt“ gegeben hat, dann bestand der ja auch nicht in plötzlich kollektiv ausgebrochener umwelt-, klima-, wirtschafts- und energiepolitischer Einsicht und Überzeugung eines großen Teils der Bevölkerung – sondern ganz wesentlich darin, dass vorhandene grüne Kompetenz und (in diesem Fall: geschocktes, elektrisiertes, beängstigtes) Lebensgefühl für ein aktuelles, zufälliges Moment zusammen passten.]

Für viele, und immer mehr, Menschen in Bremen gibt es eine Welt, ein Leben, und auch ein Bremen, das nicht mehr so viel mit dem SPD-AWO-Gewerkschafts-Personalrats-Komplex zu tun hat – viele in Sorgen und Ängsten, viele auch in Zufriedenheit und Entspanntheit. Das sind nicht alles Sanierungsgegner und Realitätsverweigerer!

– Das haben Linke, FDP, auch Satire-„Partei“ und Piraten, selbst die CDU antizipiert. Um 5% für „Die Partei“ plus Piraten und hohe Gewinne der Linken und der FDP in Grünen-Hochburgen: Sind da viele WählerInnen plötzlich zu spaßbesessenen Deppen geworden? Nee! Wogegen protestieren, was wollen die uns sagen, die uns vorher öfter mal gewählt hatten und jetzt (immerhin!) „schade“ sagen? Die Leute formulieren Ansprüche an Politik(erInnen), auch an Politikvermittlung, auch an politische Teilhabe und Betroffenheit – sie fordern: Anerkennung. Respekt, Gehör, Unterstützung. Das haben die Linke und die FDP erkannt – und genutzt. Und das hat „die Partei“ ironisiert – und deutlich gemacht. Und das lässt sich auch aus grünen Personal-Ergebnissen lesen. Da passiert Mobilisierung.

Unser staatstragender Wahlkampf jetzt ist nicht aufgegangen – weder die schweigende SPD-Variante, noch die Grüne Konsens-Dialektik-Version. Funktioniert haben Kampagnen, die bunt, „frech“, ideenreich, auch lustig waren (oder wenigstens so getan haben). Und die waren deswegen eben noch lange nicht weniger inhaltsreich als unsere. Niemand wählt ein Plakat. Aber wäre es gerade darum nicht auch legitim gewesen, Regierungsarbeit einerseits und Wahlziele, Wahlkampf andererseits zu differenzieren? Sich (natürlich) mehr zu wünschen, als man „machen“ kann? Grüne (neue, alte) Utopien? Die SPD zeigt (schon jetzt wieder …), wie das geht: Forderungen, Vorstellungen benennen. Auch wenn sie in der Realität scheitern sollten, im Kompromiss anders aussehen.

Für neues grünes Selbstbewusstsein wird’s nicht ausreichen, sich der (kleinen) grünen Mitgliederbasis und wackerer EinzelkämpferInnen zu versichern und an Landesarbeitsgemeinschaften in neonbeleuchteten Besprechungsräumen zu appellieren. Zurück zu Wurzeln könnte auch heißen: ran an die, rein in die Bewegungen – aber dazu müssen wir sie auch wahrnehmen und ernstnehmen. Unsere Veranstaltungen im Herbst und Winter waren knallvoll. Erst, als sie „Wahlkampf“ hießen und waren, wurde der Zuspruch dünner.

Mich nervt deshalb die Desavouierung von „Köpfen“ und Personalisierung. Sie ist nämlich unehrlich. Weil auch bei uns Grünen Eitelkeit, Hormone, Bekanntheitsgrade und Sendungsbewusstsein eine Rolle spielen; warum denn auch nicht, wie denn auch nicht? Lassen wir sie doch spielen! Wo sollten denn Inhalte, Erlebnisse, Wissen, Ideen herkommen, wenn nicht bitteschön aus individuell sozialisierten, denkenden und arbeitenden Köpfen? Natürlich müssen wir über Köpfe reden – und streiten! Mehr! … und was die verkörpern! Auch vor und bei künftigen Listenaufstellungen. Inhalte werden wir nicht ohne Körper „mobilisieren“.

Wenn die SPD eine Erneuerung, frischen Wind, Neustart, „Verstehen“ ernsthaft will, sind wir Grünen dafür der natürliche, kompetenteste Partner. Aber es kann ja nicht bedeuten, „die SPD hat verstanden“ – dass ihre Stammklientel weiter/wieder Wohltaten kriegen muss – und die Grünen wieder/weiter die (bl)öden Bremser sind. Erneuerung muss dann auch passieren, – real für alle, die sie sehen, brauchen oder ersehnen.

FotoWir müssen Politik – und unsere Partei – nach Lebenswelten ausrichten; nicht nach Verwaltungseinheiten. Nach heutigen Lebenswelten, nicht nur denen aus der goldenen grünen Gründerzeit: Ich möchte eine LAG Familie und eine LAG Transition gründen. Eine AG „Ideengrün“ darf kein Hinterzimmertreffen von verrückten Nischen-„Kreativen“ bleiben, sondern gehört ins Zentrum eines kreativen Landesverbandes und Wahlkampfes. Festivals und Symposien zu unseren Lebenswelten setzen Energien frei, statt sie einzufangen. Denkräume, die halbwegs frei sind von der Zuständigkeit für Alternativlosigkeit und Systemrelevanz.

Ich wünsche mir eine/n FamiliensenatorIn, die sich um Familien und ihre Kinder von der Geburt über die Kita und die Schulen bis zur Pflege kümmern kann. Carsten Sieling hat diese urgrüne Forderung inzwischen  zu seiner gemacht. Ich wünsche mir ein Stadtentwicklungs-Ressort, das das Bauen und die Stadtentwicklung in Bremen auch wirklich steuern kann – und nicht ständig von WFB, IB, Wirtschafts- und Finanzressort in aufgesplitterter Zuständigkeitspraxis immer wieder konterkariert wird und unendlich Zeit in „ressortübergreifender“ Abstimmung verbringt. Ich wünsche mir, dass ein Ressort Arbeit (und das heißt immer öfter auch das Gegenteil von Erwerbsarbeit) und individuelle Zeit als zentrale Elemente gesunden Lebens und sozialer Entwicklung sehen darf und muss. Ich wünsche mir eine Politik für kulturelle Angelegenheiten, die sich nicht auf die Kunstsparten des vergangenen Jahrhunderts begrenzt, sondern an der Schnittstelle der sozialen und ökologischen Stadtentwicklung stattfindet, Digitalisierung realisiert, kulturelle und künstlerische Bildung gemeinsam mit dem Bildungsressort bewegt – und nicht in einer Nische der Senatskanzlei verschattet abgestellt bleibt und von dort Nichtzuständigkeit für Nichtfinanziertes verkündet.

Ich wünsche mir eine kritische Analyse von Bürgerbeteiligung als Wunschkonzertenttäuschungsmaschine statt der fortgesetzten undifferenzierten Verkultung eines Begriffes, mit dem wir permanent Erwartungen schaffen, die wir schneller enttäuschen als wir sie erfüllen können.

Dasselbe gilt für unseren Umweltbegriff: Stadt ist nicht unberührte Natur – wer das glaubt oder dem auch nur nicht widerspricht, schafft auch zukünftige Enttäuschungen statt Lust auf Lösungen – und vernebelt und frustriert den Blick für Realität: Wir leben in Bremen ja nicht in einer zugebauten Betonwüste und das droht auch nicht – Bremen ist eine grüne Stadt.

Ich finde, wir müssen uns auch aus Bremen heraus auch Bremerhaven widmen – gesellschaftlich, gesellschaftspolitisch, vielleicht aus einer Landes(!)Arbeitsgemeinschaft Bremerhaven?

Ich wünsche mir eine Anerkennungskultur den BürgerInnen und ihren Interessen und Initiativen gegenüber – ihrer demografischen, migrantischen, kulturellen und digitalen Realität. Der Zustand des Unisees, Möglichkeiten für Urban Gardening, die Folgen von Zwischennutzungen, die Verkehrs-, Lärm- und Müllsituation im Viertel, die kulturelle Situation im Bremer Westen, Norden und Süden, geeignete Räume für Flamingo Gym, Zuckerwerk und Klapstul, Hundespielplätze und eine vernünftige Projektberatung, eine Anerkennung und Unterstützung des Mietersyndikats, die Förderung von Freifunk oder Bundesratsinitiativen gegen Störerhaftung und für Netzneutralität gehören sicher nicht en detail in einen Koalitionsvertrag – aber wir müssen klar machen, dass uns solche lebensweltlichen „Details“ erreichen, interessieren und angehen!

Ich glaube dagegen nicht, dass das Wähler und Wählerinnen und schon gar nicht Nicht-WählerInnen interessiert, ob wir 2 Ressorts bekommen oder 3 oder 2 1/2 … und ich glaube, deren Interesse gilt auch nur bedingt der „Performance“ der SenatorInnen. Das ist nur „Politik-Politik“, das ist noch keine Stadt-Politik!

Die Frage muss sein: Mit welchen Inhalten, mit welchen Ideen und Werkzeugen, mit welchen Leuten und Kompetenzen machen wir unsere Politik und unsere Ideen für die Zukunft konkret erlebbar, vorzeigbar und produktiv? Grüne und SPD, miteinander und auch füreinander – nicht gegeneinander und wir als Grüne nicht bloß als „kleine bessere SPD“.

Wir haben in der ersten rot-grünen Legislaturperiode mit dem neuen Leitbild der Stadtentwicklung und einer neuen Finanzpolitik gute strukturelle Grundlagen geschaffen – und in der zweiten Legislatur haben wir daraus richtig gute Pläne und Masterpläne und Gesetze entwickelt. Aber wie das so schön heißt: Der Pudding erweist sich beim Essen. Dass Bremen erneuerbar ist, wie Hermann Kuhn das vor vier Jahren so schön geclaimt hat, das muss sich jetzt zeigen!

Das alles schreibe ich hier nicht auf, weil das alles unbedingt nächste Woche Realität werden muss. Aber weil ich sagen und zeigen will, was man machen KÖNNTE, was Grüne verlangen, einfordern, sehen und sagen könnten, was „die Menschen da draußen“ (und hier drinnen) auch interessieren könnte: genauso sehr, mindestens, wie 111 oder 222 LehrerInnenstellen und 55 PolizistInnen, eine technokratische „Ausbildungsgarantie“, 1.234 Wohneinheiten und 5 oder 7 Geschosshöhen auf dem heiligen Konsolidierungspfad.

(c) Mirja Thiel

(c) Mirja Thiel

Ich wünsche mir eine politische Führung, die solche Veränderungen und Erneuerungen sucht und annimmt und ermöglicht und managed – auf der Parteiebene, in der Fraktion und natürlich vor allem auch im Senat! – Und ich wünsche mir, dass wir ausscheidenden Abgeordneten und Beiräte nicht in dreieinhalb Jahren per Weserkurier verkünden, dass wir wieder kandidieren und alles irgendwie besser machen wollen – sondern ich hoffe, dass, möglichst viele von uns dabei jetzt schon dabei, im Gespräch bleiben und mithelfen.

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Ich bewerbe mich.

In Ideenwirtschaft, Politik on 2. Mai 2015 at 10:21

Am 10. Mai 2015 sind in Bremen Bürgerschaftswahlen. Ich bewerbe mich für die Grünen erneut um ein Mandat. Um die Entscheidung zu erleichtern, ob 5 (oder 4,3,2,1) Stimme(n) bei mir gut aufgehoben wären – oder doch lieber bei den Grünen insgesamt oder bei jemand anderem, habe ich hier ein paar wesentliche Aspekte meiner politischen Haltung und Arbeit, ein paar Puzzleteile des Riesenpuzzles Bremen zusammengetragen.

Mehr dazu findet sich in meinem Blog hier – oder beantworte ich gerne, wenn ich gefragt werde.

Wählbar bin ich als Kandidat Nr. 10 der Liste 2. Ganz klar Grün.

Stadt ist Entwicklung. Stadt ist KonfliktNutzungskonflikt, Interessenkollision, Clash der Kulturen. Bremen ist grün – und laut, wie jede Stadt. Bremen ist lebendig und vielfältig – und dreckig und eng, wie jede Stadt. Das Bremer Stadtleben hat viele Vorzüge: Kultur, eine tolle Nahversorgung, soziale und gesundheitliche Versorgung, lebendige Quartiere und gute Nachbarschaften und öffentliche Räume für alle BürgerInnen. Diese Vorzüge muss jede/r gegen die Vorzüge eines Lebens in reinen Wohnquartieren oder ländlichen Gemeinden abwägen. Ich setze mich mit den Grünen dafür ein, dass der Maßsstab des Stadtlebens der Mensch als wichtigste Einheit fürs Bauen, für den Verkehr, für die Wirtschaft und für alle sozialen und kulturellen Belange bleibt. Qualitäten lassen sich nicht allein mit Kennzahlen, Rankings und Strichlisten schaffen und beurteilen. Ein bisschen Streit kann dabei nicht schaden – wenn wir uns im Ziel einig sind: Bremen als sozialer, fairer, toleranter, lebenswerter Lebensraum. Offen für alle und offen für Neues.

Kulturkoepfe

Digitalisierung ist. Globalisierung und Digitalisierung prägen Mobilität und Migration, Kultur und Handel, Wissen, Medien und Politik. Das müssen wir wissen, bedenken und politisch steuern: die digitale Revolution. Nicht, um virtuell zu leben – sondern um wach ihre Chancen zu ergreifen.

Kultur ist Respekt. Kunst ist Freiheit und die Kunst muss frei sein. Kulturpolitik muss sich neben der Förderung der Kunst auch der Entwicklung des Kultur- und Stadtlebens, kultureller Bildung, Medien und kultureller Wirtschaft widmen. Bremen braucht eine verlässliche Projektförderung – damit auch Experimente und Neues eine Chance haben. Kulturpolitik trägt Verantwortung für die Räume und das Bild der Stadt, künstlerische Visionen und neue Kulturtechniken.  Kulturentwicklung ist Stadtentwicklung.

Die Wirtschaft sind wir. Die Handelskammer ist nicht der natürliche und automatische dritte Koalitionspartner jeder Bremer Landesregierung – und sie vertritt längst nicht alle, die in Bremen Wirtschaft sind. Ich bin gegen Zwangsmitgliedschaften. Ich setze mich für kleine und kleinste Unternehmen ein, für GründerInnen und Selbstständige, für Freiberufler, für Genossenschaften, für Kultur, Gastronomie und Einzelhandel – für Menschen mit neuen Ideen, mit Mut zum Experiment, mit Lust zur Konkurrenz und auch zum Streit, mit Hinweisen für Staat und Politik, was anders laufen kann. Ich möchte innovative Träger sozialer, kultureller und ökologischer Aufgaben unterstützen. Eine gemeinwohlorientierte Wirtschaft ist für den Wohnungsbau, für lebendige Quartiere, für gute Nachbarschaften Gold wert – und Geld wert: Besondere Leistungen brauchen besondere Wertschätzung. Die Gemeinwohlökonomie verdient besondere Aufmerksamkeit und passende Regeln. So können Projekte und Unternehmen Vorreiter für Politik und etablierte Wirtschaft werden, wenn sie sich gesellschaftlichen Veränderungen stellen. Bremen ist erneuerbar.
Auch wenn sich Behörden und Institutionen – und  SPD, CDU und Linkspartei – damit oft schwer tun.

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Zeit zum Teilen. Familie ist zusammen Leben. Egal, welchen Geschlechts und egal in welcher Konstellation und Zahl: Familie ist Verantwortung füreinander. Deshalb bin ich für Kinder- und Familienförderung statt Ehe-Subventionen. Menschen müssen entscheiden können, in welchen Lebensphasen sie Zeit für die Familie brauchen – und wann neben dem Erwerbsleben auch Zeit für Ruhe und Muße, zur eigenen Orientierung ist. Lebenslanges Lernen ist wichtig für Medien- und Konsum-Kompetenz. Digitalisierung und Automatisierung bieten die Chance, dass Menschen arbeiten, um ihr Leben selbst zu gestalten – nicht bloß leben, um zu arbeiten. Darum bin ich für die individuelle Gestaltung individueller Arbeitszeiten und Lebensphasen.

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Gern geschehen!
Nach über 20 Jahren Kultur- und Medienarbeit in Bremen und Berlin sitze ich seit 2011 für die Grünen im Bremer Parlament, zuständig für Bau und Stadtentwicklung, Kultur- und Medienpolitik. Das Riesenpuzzle Bremen erschließt sich mir als ein komplexes Geflecht aus Interessen, Anliegen, Bedürfnissen und Ideen. Ich möchte weiter helfen, die zusammenzubringen – aus allen Stadtteilen und Quartieren. Politik ist ja kein „Wünsch Dir was“: Wir arbeiten auch für alle, die nicht laut ihr Anliegen einfordern. Dabei muss auch Neues Platz und Stimme finden.

Ich bin‘s:
Ich bin im Viertel und in der Neustadt zuhause und lebe hier mit meiner Frau und meiner kleinen Tochter. Nach dem Abschied aus dem kulturellen Schaffen steht demnächst vielleicht die Gründung einer kleinen Ideen- Agentur mit Buchladen, Kaffee und Kuchen an.

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Darf‘s ein bisschen mehr sein?
Nicht für alle Ideen gibt‘s schon Mehrheiten. Aber: Lasst uns weiter über ein bedingungsloses Grundeinkommen nachdenken und über fahrscheinlosen, abgabefinanzierten öffentlichen Nahverkehr diskutieren! Lasst uns Logistik und Lieferverkehre der Stadt neu denken, autofreie Quartiere erproben! Ich bin neugierig auf die Innovationskraft privater Schulen, der Kulturwirtschaft und neuer, internationaler MitbürgerInnen in Bremen. Ein freies Internet kann keins der Wirtschaft sein. Die Welt verändert sich rasant. Es wäre dumm, nicht mit nachzudenken, wie das gehen soll. Ganz klar grün.

Fragen? Fragen!
An Ihrer Haustür klingele ich nicht. Wenn Sie mehr von mir wissen wollen – hier freue mich auf Ihre Fragen und Ideen:
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carsten.werner@gruene-bremen.de
www.carstenwerner.de

Das gesamte grüne Wahlprogramm finden Sie hier.

Medien selbstbewusst und selbstbestimmt nutzen

In Medien, Politik on 17. April 2015 at 23:30

Medien selbstbewusst nutzen – über die eigenen Daten selbst bestimmen

Positionen zur Medienkompetenz im digitalen Zeitalter
von Linda Neddermann und Carsten Werner

zum Download als PDF

Digitale Medien spielen in der Gesellschaft heute eine zentrale Rolle, auch für Kinder und Jugendliche. TV, Smartphone, PC und Tablet sind aus dem Alltag nicht mehr weg zu denken. Das Internet ist integraler Bestandteil des täglichen Lebens geworden. Zwischen On- und Offline-Sein wird von den meisten Jugendlichen nicht mehr unterschieden.

Der Konsum und die Nutzung von Massenmedien sind seit jeher wesentliche Elemente gesellschaftlicher und kultureller Teilhabe – über das Internet, die Sozialen Netzwerke und digitale Plattformen sind vielfältige Interaktionsmöglichkeiten, aber auch Differenzierungsnotwendigkeiten hinzugekommen. Medien sind heute „alltagsintegrierte und multifunktionale Bestandteile des sozialen Lebens und für den gesamten Prozess des Aufwachsens bedeutsam“ und „tragender Bestandteil sozialer Handlungsfähigkeit“, wie es das von der Bundesregierung eingesetzte Bundesjugendkuratorium beschreibt.

Die Nutzung von Medien – vom Bilderbuch über Filme bis zum Web 2.0, von der Tageszeitung bis zum Computerspiel, vom Sozialen Netzwerk bis zur Smartphone-App – kann neugierig machen und Berührungsängste abbauen, soziale und kulturelle Toleranz, Inklusion und Selbstvertrauen fördern. Digitale Medien sind Teil des öffentlichen Raumes geworden. Grenzen zwischen ProduzentIn und KonsumentIn, zwischen geistigem Eigentum und digitaler Almende, zwischen Besitzen und Teilen, zwischen SenderIn und EmpfängerIn, zwischen Inhalt und Form definieren sich neu.

Medienkompetenz beginnt mit Sprachkompetenz: Lesen und Schreiben, Verstehen und Einordnen, klare und freie Meinungsäußerung sind wesentliche Fertigkeiten, um Medien zu verstehen und zu nutzen. Ebenso unabdinglich für einen kompetenten Umgang mit Medienangeboten und –produkten sind Empathie und Selbstbewusstsein und nicht zuletzt Informationsfreiheit.

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Auf die Vielzahl von Möglichkeiten, die das Internet und andere digitale Medien bereit halten, sind viele Kinder und Jugendliche, aber auch viele Erwachsene, nur unzureichend vorbereitet. Die Überwachung der Einhaltung von Altersbeschränkungen gelingt im grenzenlosen Raum des Internets kaum. Daher muss im Zentrum der Medienbildung und –kompetenzvermittlung vor allem das Lernen eines souveränen Umgangs mit Medien und Daten stehen.

Soziale Netzwerke können Kinder und Jugendliche auch negativen Einflüssen aussetzen: Cybermobbing und -bullying, Grooming[1] und Sexting, herabsetzende Kommentare, entwürdigende Videos oder intime Fotos machen Kinder und Jugendliche im Internet leicht zu Opfern psychischer oder physischer Gewalt. Technischer und juristischer Kinder- und Jugendmedienschutz kann davor nicht umfassend bewahren. Der kompetente Umgang mit Medien muss daher dazu befähigen, die Folgen zu übersehen und sich dagegen wehren zu können. Medienkompetenz ist der zentrale Baustein für einen wirksamen Kinder- und Jugendmedienschutz.

Für die selbstbestimmte und selbstbewusste Nutzung der digitalen Medien ist Medienkompetenz die Grundvoraussetzung und geht weit über das technische Know-How zur Bedienung der „neuen“ Medien hinaus. Sie beinhaltet unter anderem:

  • die Sprachkompetenz als unabdingbare Fertigkeit, um Medien verstehen und zur freien Meinungsäußerung nutzen zu können: Lesen und Schreiben, Verstehen und Einordnen,
  • die selbstbewusste und empathische Partizipation an Information, Wissen, Politik, Kunst und Kultur auch durch soziale und mediale Interaktion
  • Filterkompetenz zur Einordnung, Interpretation und Wertung, Gewichtung von Informationen, Inhalten und Meinungen,
  • die Fähigkeit zur Differenzierung zwischen AnbieterInnen und NutzerInnen,
  • den bewussten und verantwortungsvollen Umgang mit den eigenen Daten und Bewusstsein über Datensparsamkeit und Datenschutz,
  • die Fähigkeit zur kritischen Auseinandersetzung mit den medialen Inhalten und dem eigenen Medienkonsum und –verhalten,
  • das Verständnis von Medien und Medienaktivitäten (auch) als Branchen und Anliegen der Wirtschaft.

Medienkompetenz muss immer wieder neu definiert und erworben werden – und dies parallel zur Entwicklung der Medienkultur und -technik. Sie ist heute wichtiger Teil des lebenslangen Lernens: weil die Nutzung digitaler Medien immer früher beginnt, muss die Vermittlung von Fertigkeiten für selbstbestimmtes, sachgerechtes, reflektiertes, sozial verantwortliches und kreatives Handeln in der digitalisierten Welt bereits im Kindesalter beginnen.

Weil jüngere Generationen als „digital natives“[2] mit den jeweils aktuellen Techniken vertraut aufwachsen, ist Medienkompetenz ein wichtiges Feld des generationsübergreifenden Lernens: Erwachsene (Eltern, ErzieherInnen, LehrerInnen, ältere Menschen) können auch mit und von jüngeren Menschen lernen, Erfahrungen sammeln und austauschen.

Die Vermittlung von Medienkompetenz ist ein wichtiges Element grüner Kinder- und Jugendpolitik, Bildungs- und Kulturpolitik, VerbraucherInnen- und Konsumpolitik. Sie muss sich regelmäßig den kulturellen, technischen und demographischen Veränderungen anpassen, um dem Grundsatz von Prävention statt Reparatur“ folgen zu können.

Wir Grünen vertreten die Auffassung, dass:

  • jedes Kind, jede Jugendliche, jede BürgerIn ein Recht auf freien Zugang zum öffentlichen Rundfunk und zum Internet.  Dazu brauchen wir in Deutschland und Europa eine echte, gesetzlich geregelte Netzneutralität – und freies WLAN ohne Störerhaftung.
  • jedes Kind, jede Jugendliche, jede BürgerIn ein Recht auf Ausbildung und Entwicklung der persönlichen Medienkompetenz hat.
  • Medienkompetenz die grundlegende Voraussetzung für wirksamen Jugendschutz ist.
  • Kinder und Jugendliche eigene und angeleitete Erfahrungen im Umgang mit Medien machen müssen.
  • Kindermedien grundsätzlich der Entwicklung von Medienkompetenz dienen müssen oder diese zumindest nicht beeinträchtigen dürfen.
  • Medienkompetenz in der Schule durch „Lernen über Medien“ in den musischen und geisteswissenschaftlichen Fächern sowie durch „Lernen mit Medien“ als fachübergreifende Querschnittsaufgabe gelehrt werden muss.
  • Medienbildung sich als roter Faden durch alle staatlichen Bildungsangebote ziehen muss.
  • Schüler- und Bürgermedien ein wichtiger Baustein der Medienbildung und des Medientrainings für den Nachwuchs sowohl der Medienberufe als auch der Medienkonsumenten sind.
  • alle BürgerInnen die Möglichkeit haben müssen, auch als Medienakteur in Erscheinung zu treten und die eigenen Anliegen und Ideen unabhängig von Verwertungsinteressen öffentlich zu machen und zu vertreten: im öffentlichen Raum, im Rahmen von digitalen und analogen Bürgermedien und im Internet.

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Deshalb fordern wir Grünen:


… in den Schulen und Kitas:

  • die Fortschreibung und Weiterentwicklung des Rahmenplans Medien für alle Schulstufen und die Kitas sowie einheitliche Standards und Evaluationen der Angebote zur Vermittlung von Medienkompetenz durch fächerübergreifendes Lernen mit, von und über Medien.
  • eine explizite Verankerung von Medienkompetenzförderung als Querschnittsaufgabe im SGB VIII und Medienkompetenz als Bildungs- und Erziehungsziel für Kindertageseinrichtungen und Schulen.
  • die Aus-, Fort- und Weiterbildung der LehrerInnen, ErzieherInnen, PädagogInnen und sonstigen Fachpersonals im Bereich Medienbildung/-kompetenz sowie die Verwebung von Medienbildung in alle staatlichen Bildungsangebote.
  • eine Verbesserung der technischen Infrastruktur in den Kitas und Schulen.
  • die freie Entscheidung von Schulen über die Einrichtung von WLAN und mobilen Endgeräten im Unterricht anstelle von kabelgebundener, stationärer Hardware sowie die weitere Erprobung von sog. „Tablet-Klassen“.
  • die Sensibilisierung und Unterstützung von Eltern und interessierten BürgerInnen als Multiplikatoren für Medienkompetenz.

… medienpolitisch:

  • eine gesetzlich definierte Netzneutralität und freies W-LAN im öffentlichen Raum.
  • die Einführung eines institutionenübergreifenden „Medienkompetenztages“ nach dem Vorbild anderer Großstädte zur Förderung eines generationsübergreifenden Lernens.
  • Die Einführung eines „Freiwilligen Digitalen Jahres“ für Jugendliche.
  • Den Umbau des Bremer Bürgerrundfunks zu einem zeitgemäßen und zugangsfreien Bürgermedium zur Medienkompetenzvermittlung für ProduzentInnen und KonsumentInnen sowie die zielgerichtete Förderung von Kinder– Schüler-, und Bürgermedien in allen Medienformaten.
  • hohe Sicherheits- und Privatsphäre-Einstellungen in Sozialen Netzwerken und anderen interaktiven Angeboten als vorgeschriebene Standardeinstellung.
  • eine Neuregelung der Werberichtlinien für Kindermedien bis hin zu einer möglichen Werbefreiheit von Kindermedien.

… kulturpolitisch:

  • die regelmäßige Sonn- und Feiertagsöffnung von Bibliotheken als zeitgemäßes, familien- und arbeitnehmergerechtes Bildungs-, Kultur- und Freizeitangebot.
  • eine Verknüpfung von kultureller Bildung und Medienbildung.
  • die selbstverständliche Einbindung auch „älterer“ Medien, wie z.B. Zeitungen und Bücher, Radio und Fernsehen sowie der Künste, in die Medienkompetenzvermittlung.
  • die Weiterentwicklung und Nutzung der Deutschen Digitalen Bibliothek.
  • die Unterstützung von Kooperationen von Kultureinrichtungen mit Bildungsträgern, der Medien- und Kreativwirtschaft und den Hochschulen für Medienkompetenz-Projekte.

unsere „Meinung am Freitag“ zum Thema Medienkompetenz

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[1] Gezieltes Ansprechen von Personen im Internet mit dem Ziel der Anbahnung sexueller Kontakte zu Minderjährigen.

[2] Personen, die mit digitalen Technologien wie z.B. Computern, Internet, Mobiltelefonen und MP3-Playern aufwachsen.

Museum … im Fluss

In Kunst, Politik, wörtlich! on 10. April 2015 at 18:55

Gutachten, Meinungen, Befürchtungen ohne Ende – aber  das Museum Weserburg braucht eine neue Struktur, ein neues Konzept, eine neue Leitung und neue Räume.

Die Weserburg ist Bremens wichtigstes Gefäß für zeitgenössische Bildende Kunst. Ihre konzeptionelle und strukturelle Zukunftsfähigkeit steht für die Grünen vor der Standortfrage. Die Geschichte und die aktuelle künstlerisch-wissenschaftliche Arbeit der Weserburg bieten die großartige Chance, auch in Zukunft junge Kunst zu präsentieren – und das Sammeln selbst als künstlerischen und gesellschaftlichen Akt zu thematisieren.

Als Besucher interessiert mich z.B.: Wie sammeln Sammler heute auch im Nahen oder Fernen Osten, in Ost- und Südeuropa, im arabischen Raum oder auf dem afrikanischen Kontinent? Was bedeutet die Digitalisierung und die Reproduzierbarkeit von Kunst fürs Sammeln? Wer sammelt lokal wie was warum?

Um solche spannenden Fragen auch in naher Zukunft im Diskurs mit Künstlern thematisieren zu können, braucht die Weserburg nach meiner Auffassung:

  • 1. auch für die Zukunft eine künstlerische Leitung – die der Stiftungsrat endlich ausschreiben und besetzen muss: am sinnvollsten für einen zeitlich befristeten und konzeptionell begründeten Intendantenvertrag.
  • 2. einen Standort und ein Gebäude, wo deren Konzept unter verlässlichen finanziellen, technischen und räumlichen Bedingungen künftig und auch langfristig realisiert und präsentiert werden kann.
  • 3. eine Struktur, in der sich die Glieder der derzeitigen Stiftung (Stiftungsrat, künstlerische Leitung, Betriebsrat) nicht gegenseitig blockieren und in der die Rolle des Staates als Zuwendungsgeber klar und transparent wird.

– in dieser Reihenfolge.

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Die Arbeit der GAK mit jungen Künstlern und das wertvolle Studienzentrum für Künstlerpublikationen müssen gesichert werden.

Dazu müssen jetzt die Senatorin für Finanzen und der Kultursenator die drei verbliebenen Standort-Varianten verlässlich berechnen. Der Senat muss klären, wie weit die derzeitige Stiftungs-Struktur noch tauglich ist, so ein Museum zu betreiben. Wenn man die Kommunikation und das Gutachterwesen rund um die Weserburg betrachtet, kann man daran Zweifel haben.

Dass Gutachten vom Museum – und Schlussfolgerungen des Stiftungsrats daraus – zuerst in einer Pressekonferenz, dann der versammelten Kulturszene und erst anschließend der kulturpolitisch zuständigen Deputation vorgestellt werden, ist ein Unding – und eigentlich nur satirisch zu begründen, da die Inhalte offenbar von dort schlicht übernommen wurden.

Mehr … Grau wagen!

In Ideenwirtschaft, Kunst, Politik, Stadt on 27. März 2015 at 12:11

„Schlafstadt“ oder „Kulturstadt“ – wo ist der Widerspruch?

„Wohnen“ oder „Kultur“, „Bürger“ gegen „Feiern“, „Ruhe“ vs. „Leben“ – gar von „Krieg“, „Vertreibung“ und „Vernichtung“ war die Rede in den letzten Tagen: „bunt“ gegen „bieder“, live – aber leise. Braucht Kultur Wirtschaft – oder braucht Wirtschaft Kultur? Das „Viertel“ bebt. Das „Viertel“ lebt. Und andere Stadtteile wie die Neustadt seien auch „bedroht“. Nicht. Nein, ich meine: Wir brauchen auch in dieser spannenden Debatte etwas mehr Grau statt bösem Schwarz und strahlendem Weiß.

Ich halte das für Quatsch, dass „hier Wohn- & Lebensqualität“ und „da Kultur & Feierbedürfnis“ sich so widersprüchlich gegenüber gestellt werden. Zur Wohn- und Lebensqualität gehört Kultur. Zu den größten Schimpfern gegen Musik und Partylaune gehören auch Künstler, Kultur-Genießer und -Kunden – für die Ruhe und besonders Nachtruhe zu einem kulturvollen Leben dazugehören. Zu Recht. Und für die Partypeople gehört Dauerparty mindestens am Wochenende zu ihrer Kultur. Die Begriffe sind also unscharf geworden.

Der Rücksichtslosigkeit gegenüber Anwohnern wird von einzelnen Anwohnern mit Rücksichtslosigkeit begegnet: Sie klagen – nicht gegen grölende oder randalierende Passanten, nicht gegen röhrende Autos, sondern gegen Gastronomen und Veranstalter. Die wiederum sorgen zwischen diesen Fronten auf der Straße für Ruhe – und in manchem heiß- und vollgelaufenen Kopf für einen Ansatz an Bewusstsein für die städtische Umwelt und die Mitmenschen im Bett nebenan.

Dabei haben alle ein großes und gemeinsames Anliegen und Interesse: Ein lebendiges, quirliges, ein Stück weit unberechenbares, überraschendes „Viertel“ – auch für Gäste aus den anderen Stadtteilen.

Wäre das nicht so, würden sich die einen oder die anderen zurückziehen – den Schaden hätte das Quartier: Es würde nach und nach entweder zur Systemgastronomie-Meile – oder zur Schlafstadt.

Es muss wieder gelingen, das Zusammenleben von Kulturen positiv und nicht störend wahrzunehmen – was wir global postulieren, gilt auch im Quartier. Und Lärm und Dreck (und auch überbordender Kommerz ohne Verantwortung) müssen da identifiziert werden, wo sie entstehen und wo sie Lebensbedingungen, Zusammenleben stören.

Also einmal tief Luftholen, bitte! Der Ton macht die Musik.

“Ja, das möchste:
Eine Villa im Grünen mit großer Terrasse,
vorn die Ostsee, hinten die Friedrichstraße;
mit schöner Aussicht, ländlich-mondän,
vom Badezimmer ist die Zugspitze zu sehn
aber abends zum Kino hast dus nicht weit.“
Kurt Tucholsky

Und jetzt: Reden hilft!

Beschwerden und Klagen von Anwohnern treffen nun ausgerechnet die Lokale, die greifbar und identifizierbar sind, weil ihre Konzerte einen Anfang und ein Ende und eine messbare Lautstärke haben. Die Gastronomen und Veranstalter haben Adresse und Namen – sie sind schlicht ansprechbarer als der grölende Junggesellenabschied, randalierende Hooligans, röhrende PS-Protzer, frustrierte Parkplatzsucher oder nächtliche Toilettenvermisser (huch … hab ich hier vergessen zu gendern, oder haben die Phänomene eine bestimmte Genderspezifik? ;-) ) – und auch ansprechbarer als die Hierarchien der Systemgastronomie oder aus dem Boden schießende und wieder verschwindende Quickshops. Dieses Schicksal der (An-)Greifbarkeit für hörbares Lebensäußerungen und Kunst teilen sie übrigens mit den klassischen Kultureinrichtungen wie Theatern und Kinos, mit Kindertagesstätten und sogar mit Federvieh.

Kinder machen keinen Lärm. Kultur ist keine unzulässige Zumutung. Aber Stadt bedeutet Konflikt: Nutzungskonflikt, Schnittmenge, Begegnung Kollision, Clash. Sönke Busch hat dazu eine wundervolle Rede gehalten.

Dem Stress werden wir nicht mit immer mehr „Rechten“ begegnen können. Neue Grenz- und Messwerte, „Schutzgebiete“ und dergleichen fordern Zeit, Regeln, Kontolle – und werden immer wieder er- oder beklagt werden. Wir brauchen eine neue, erweiterte Kultur des Umgangs. Die Anwohner-Schutzmaßnahmen der Kneipiers und Veranstalter sind dafür ein sehr gutes Vorbild und ein guter Ausgangspunkt: Auf der Straße miteinander sprechen, für Wahrnehmung sorgen. Das heißt nicht: Security. Ich finde zum Beispiel die Idee eines von der Szene gemeinsam gewählten „Nachtbürgermeisters“ interessant, die in Amsterdam und Paris gut funktioniert. Berlin schickt neuerdings Pantomime auf die nächtlichen Straßen. Auch die in verschiedenen Bremer Quartieren ehrenamtlich das Nachtlebens begleitenden „Nachtwanderer“ könnten ein Ansatz sein, ein eigenes Modell fürs „Viertel“ aufzubauen. Vielleicht sind die kursierenden Ideen für „Kulturkioske“ an den alten Kiosk-Standorten am Ulrichsplatz oder am Ziegenmarkt eine weitere Diskussion wert.

Kultur sind auch Fernsehen und Disko, Internet und Fußballbundesliga, Essen und Trinken. Auch Stadtnatur und öffentliche Freiräume. Wir haben dafür einiges erreicht – die ZwischenZeitZentrale leistet einen großen Beitrag dazu in Bremen, ebenso wie verantwortungsvolle und kommunikationsbereite Quartiersgastronomen, das sozial motivierte „Zuckerwerk“ und Urban-Gardening-Projekte wie z.B. am Lucie-Flechtmann-Platz. Was der Streit und die Diskussionen offenbaren: Wir müssen für die Kulturstadt Bremen einstehen!

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Dabei müssen wir all das, was die Digitalisierung mit uns macht, in politische Überlegungen einbeziehen: Denn die Digitalisierung verändert nicht nur die Wirtschaft, den Einzelhandel, die Medienlandschaft und politische Beteiligung. Die selbstverständlich gewordene Digitalisierung definiert auch das Verhältnis von „Privat(heit)“ und „Öffentlich(keit)“ völlig neu. In unseren Veranstaltungen mit dem Stadtarchitekten Jan Gehl und mit dem Architektur- und Kulturjournalisten Hanno Rauterberg haben wir gelernt, wie wichtig das Maßstabsverhältnis zwischen Menschen und Bauten ist – und wie und wo das Gefühl von Privatheit das Erleben und Handeln von Menschen prägt.

Wenn wir also über die Zukunft des Stadtlebens, nicht nur im „Viertel“, sprechen, dann dürfen sich nicht Anwohner und Kneipen, nicht Künstler und Wirtschaft, nicht Gäste und Einheimische unversöhnlich gegenüberstehen: Dann zeigt sich viel mehr, dass unser Zusammenleben empfindlich gestört wird von Verkehrslärm, von fehlender gegenseitiger Rücksichtnahme und Wahrnehmung, von unverständlich und unverbindlich gewordenen Bildern von „Kommerz“ und auch von „Kultur“. Die wieder zu schärfen, bleibt unsere Aufgabe.

Politisch muss Kultur mehr sein als Künstler- und Veranstaltungsförderung: Wir müssen „Kultur“ viel stärker jenseits der bestehenden senatorischen Ressortgrenzen diskutieren. Es geht nicht immer gleich um Umwegrentabilitäten oder Kunstfreiheit  – es geht im eigenen Kiez und Quartier darum, hier zusammen zu leben, gemeinwohlorientiert zu planen, zusammen zu gestalten. Es geht um Empathie, Respekt und Spaß am Leben. Um das zu erkennen, sind Streit und laute Töne gar nicht schlecht. Und viel mehr Grau.

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Anfrage in der Fragestunde der Bremischen Bürgerschaft (April) – Fraktion Bündnis 90/DIE GRÜNEN:
Bremen ist eine Kulturstadt – in allen Quartieren

Wir fragen den Senat:

1. Welche Stellen sind in Bremen für Beratungen, Genehmigungen, Unterstützung und Konfliktlösungen im Bereich nicht staatlich geförderter Kulturangebote zuständig?

2. Wie bewertet der Senat in anderen Städten eingesetzte sogenannte „Nachtbürgermeister“ oder ehrenamtliche „Nachtwanderer“ als Möglichkeit, die Akzeptanz für kulturelle Angebote in Nachbarschaft zu Wohnbebauung oder zu Industrie- und Gewerbenutzung zu stärken, und welche alternativen Maßnahmen befürwortet der Senat?

3. Wie bewertet der Senat durch Kulturangebote im öffentlichen Raum ausgelöste Verkehrs-, Abfall- und andere Umweltbelastungen und wie könnte denen in den Quartieren besser begegnet werden?

Carsten Werner​, Dr. Matthias Güldner und Fraktion Bündnis 90/Die Grünen

Kunst im öffentlichen Raum … ist Stadtentwicklung

In Kunst, Politik, Stadt on 29. Oktober 2014 at 19:29

Kunst im öffentlichen Raum ist eine öffentliche Angelegenheit!

Für einen kleinen Moment wurde groß und breit und laut über Kunst diskutiert in Bremen: Anlass war die mögliche Aufstellung einer privat finanzierten Stadtmusikanten-Skulptur des Künstlers Markus Lüpertz. Leider fand diese leidenschaftliche Diskussion aber erst statt, als Geldgeberin und Künstler ihre Idee verschreckt von der schrillen Aufmerksamkeit schon wieder zurückgezogen hatten: In den Online-Foren von Radio Bremen wurde heftig geschimpft und gewütet – nicht immer dem Kunstwerk und dem Künstler angemessen. Aber das muss Kunst im öffentlichen Raum aushalten.

Ärgerlich finde ich, dass die Diskussion um das Kunstwerk von Anfang an nicht offen war. Offenbar wurde nur ein einziger Standort – vor der Bremischen Bürgerschaft auf dem Marktplatz – ins Auge gefasst, begutachtet, abgebildet, in Aussicht gestellt, wie auch immer: Anfragen und Meinungen machten die Runde, der Präsident der Bürgerschaft und der Bürgermeister äußerten sich öffentlich in den Medien, ohne die Öffentlichkeit oder zuständige Gremien vorher beteiligt zu haben.

Aber die Geschichte der Stadtmusikanten, diese Geschichte von Lebenslust, Aufbruch, Mut und Kreativität, legt nahe, „neue“ Stadtmusikanten an ganz anderen Orten Bremens willkommen zu heißen und zu inszenieren. Nicht 4, sondern 20 Meter groß, könnten die Stadtmusikanten als ältestes multikulturelles Improvisations-Ensemble sichtbares Symbol Bremens sein; am Lankenauer Höft und Pier 2, im Hohentorshafen, am Autobahndreieck in Tenever, am Ohlenhof oder auf dem Utbremer Kreisel – statt als touristischer Knips- und Klick-Anlass die dezenten, schüchternen Original-Tiere von Gerhard Marcks am Rathaus dreist in den Schatten zu stellen.

Stadtmusikanten Bremen

Über Kunst darf, muss und soll man reden, verhandeln, streiten und entscheiden. Es gibt dazu Verfahren und Gremien der Beratung und Beteiligung. Warum wurden die in diesem Fall nicht genutzt? Wenn z.B. der „Landesbeirat Kunst im öffentlichen Raum“, der Empfehlungen aussprechen soll, überholt ist, brauchen wir neue, zeitgemäßere Strukturen. Auch die gibt es schon – weil überall die Mittel für Kunst im öffentlichen Raum knapp, die rechtlichen Rahmen uneindeutiger geworden sind und auch, weil Kunst im öffentlichen Raum inzwischen über ganz andere Formen und Formate in öffentlichen Räumen agiert als in den 70er und 80er Jahren: Hamburg beschäftigt für diese kreative Auseinandersetzung eine Stadtkuratorin und das Programm „Neue Auftraggeber“ versucht, Ideen „für eine Kunst der Zivilgesellschaft“ zu generieren.

Denn Kunst im öffentlichen Raum ist ein Prozess. Kunst im öffentlichen Raum ist ein dynamisches Element der integrierten Stadtentwicklung geworden. Man müsste darüber streiten!

 

 

Kunst, zumal im öffentlichen Raum, ist längst keine Angelegenheit mehr allein von Stadtoberen und Geldgebern – das war der Ansatz und der Auftrag, der in Bremen in den 70ern formuliert wurde und die Stadt zum Vorreiter in diesem Diskurs gemacht hatte. Heute scheint hier nicht mehr so klar zu sein, dass das Öffentliche untrennbar zur Kunst im öffentlichen Raum gehört. Darüber müssen wir in Bremen debattieren. Bevor die nächsten Stadtmusikanten straucheln, ohne eine Chance zur Ankunft bekommen zu haben.

 

 

Zur weiteren Lektüre empfohlen:

Unsere Kleine Anfrage „Kunst im öffentlichen Raum und Kunst am Bau sind
Stadtentwicklung“

Hamburgs Stadtkuratorin
mehr dazu: http://gruenlink.de/u76
noch mehr dazu: http://gruenlink.de/u77

„Neue Auftraggeber“
mehr dazu: http://gruenlink.de/u79

Digitalpolitik ist kein Orchideenfach – was lernen wir von den Piraten?

In Ideenwirtschaft, Politik, Welt on 26. September 2014 at 19:20

Ich meine, dass angesichts der Austritte und Auseinandersetzungen in der Piratenpartei Schadenfreude oder Erleichterung über die Selbsterledigung einer politischen Konkurrenz völlig fehl am Platz sind.

Da zerlegt sich eine Bewegung, die versuchen wollte, die digitalisierte und entsprechend globalisierte Gesellschaft sozial und fair zu zivilisieren, in strukturellem und machtpolitischem Kleinklein. Das ist traurig für die Akteure – schade und ärgerlich vor allem aber für die politische und parlamentarische Arbeit zu Themen der digitalen Revolution und die gesellschaftliche Entwicklung mit digitalen Instrumenten.

Denn die Themen fallen nicht weg und die Herausforderungen lösen sich nicht auf, weil die Piraten sich in Posten- und Richtungsstreits und analogen Regularien aufreiben und verzetteln. Es wäre fatal, wenn unsere Auseinandersetzung mit digitalen Themen – und welches Thema hat heute keine digitalen Aspekte mehr? – jetzt nur noch von den Handreichungen, Leitfäden, Einladungen und Reklameschriften befeuert würde, die Tag für Tag von Google, Facebook, Wikimedia und den Verbänden der privaten Medien und der Internetwirtschaft auf uns Abgeordnete einprasseln. Denn das Internet ist mehr als ein Geschäft. Und Werbung ist ein schlechter Ratgeber.

Was aber bedeutet die Digitalisierung für den Arbeitsmarkt, für den Energieverbrauch, für die Entwicklung unserer Städte, wie prägt Digitalisierung die Kulturen und die Mobilität der Menschen weltweit? Das sind Fragen, die uns nicht die großen globalen Technologie- und Medienkonzerne stellen oder beantworten wollen und müssen. Wie künftig Teilhabe als Voraussetzung von Demokratie funktioniert, wie Menschen sich künftig begegnen und austauschen – das sind politische, gesellschaftliche Fragen.

Sie stellen sich uns in der Zeit einer #GroKo-Bundesregierung, für die das höchste der Gefühle ein funktionierendes W-LAN in ausgewählten Eisenbahnen und ein Leistungsschutzrecht sind, das nicht einmal dessen Auftraggebern – den großen Verlagen, die es allesamt nicht in Anspruch nehmen – taugt. Die juristische Konstruktion der Störerhaftung, die technisch längst mögliches und außerhalb Deutschlands übliches freies W-LAN in der Öffentlichkeit verhindert, will das Bundeswirtschaftsministerium jetzt ausschließlich für kommerzielle Anbieter abschwächen. Eine Reform der Urheberrechte zur rechtssicheren zeitgemäßen Anwendung lässt seit Jahren auf sich warten. Privatmenschen bleiben bei all diesen halbgaren, uneindeutigen Teil- und Scheinlösungen weiter billiges Anwaltsfutter. Die #GroKo blockiert weiter eine neue europäische Datenschutzrichtlinie. Sie wagt weder eine Definition noch eine gesetzliche Sicherung der Netzneutralität und leistet damit Drossel-Tarifen und vor allem der technischen Bevorzugung bestimmter Inhalte immer weiter Vorschub.

Und das sind „nur“ die technischen Aspekte der Digitalisierung. Individualisierten und zugleich global vernetzen Wirtschaftsformen des Sharings – vom Couchsurfing und Carsharing über airbnb bis zum Autofahrtenanbieter Uber – wird man mittelfristig nicht mit Verboten und dem Arbeitsrecht des vergangenen Jahrhunderts begegnen können. Dass neue Wirtschaftsmodelle und -angebote alte Produkte und Produktionsformen ablösen, ist logische Wirtschaftsentwicklung. Dass dabei Kriminalisierung kein erfolgversprechender Weg ist, haben die Musik- und die Filmindustrie leidvoll erfahren. Dass rein kommerzielle Lösungen nicht der einzig sinnvoll Weg sein müssen, muss man doch zumindest in Erwägung ziehen!

CDU und SPD betreiben Digitalthemen als Klientelpolitik. Die digitalenMöglichkeiten bieten aber – immer noch – riesige gesamtgesellschaftliche Chancen für Teilhabe und freie Meinungsäußerung und kulturelles Schaffen. Sie stellen nicht nur die Wirtschaft vor Herausforderungen, sondern auch etablierte Angebote des Gemeinwohls und der Daseinsvorsorge: von der Informationsfreiheit über den Gesundheitsbereich bis zu den Bibliotheken und Bürgerhäusern. Die Digitalisierung verändert unsere Gesellschaft rasant – bis tief ins Privatleben und in die sozialen Gefüge unserer Gesellschaft. Die Bundesregierung verweigert diese Erkenntnis. Analoge Politik reicht im digitalen Zeitalter nicht mehr aus.

Dass Digitalpolitik kein Nebenaspekt oder Orchideenfach ist, sondern in allen Politik- und Lebensbereichen nötig ist, das haben die Piraten gewusst und gelebt. Ich bin deshalb für einen offenen Dialog mit ehemaligen Piraten, ihren Communities und Szenen: Wir könnten viel von ihnen lernen und einiges mit ihnen erreichen!

Die Kunst des Aufhörens

In Ideenwirtschaft, Kunst, wörtlich! on 10. Mai 2014 at 20:12

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Dieser Artikel ist ein Beitrag zu der Publikation „Brennen ohne Kohle“ der Böll-Stiftung, die hier bestellt oder als E-Book heruntergeladen werden kann. 

 

 

 

Wie schließen?

Mich nerven Leute, die aus Angst stehengeblieben sind,
obwohl sich die Welt um sie herum längst verändert hat.

(Peter Zadek)

Die anmaßende, überhebliche, unsinnliche und oberlehrerhaft arrogante Tonlage der «Kulturinfarkt»-Anstifter hat die Frage für Jahre frisch zum Tabu betoniert: «Wie schließen?» Ein kulturpolitisches No-Go also. Die Debatte wurde gar nicht erst politisch – sondern abgedrängt ins Feuilleton und entsprechend hysterisch, schrill und erratisch verhandelt; so gab es auf eine richtige Fragestellung nur vielzuviele vorlaute, vorschnelle Antworten, Geschrei; Tenor: Wir lassen alles so, wie es ist. Weil, so war es schon immer. Kulturfeinde! Freiheitsfeinde! Und: «Et hätt noch immer jot jejange!» (Wie man in Köln sagt.)

Kurz vorher noch hatten wir uns und der Kultur kühn in den rot-grünen Bremer Koalitionsvertrag geschrieben: «‹Altes› muss sich verändern und ‹Neues› muss in einer sich wandelnden Gesellschaft Räume und Ressourcen erobern können. Gerade auch zeitlich befristete Projekte können erhebliche Impulse für die Kultur- und Stadtentwicklung geben, ohne institutionalisiert werden zu müssen» – durchaus im Bewusstsein, dass solche Ermöglichung, Erneuerung nicht ohne Einschränkung geht. «Wie schließen?» wollten wir schon da lieber nicht fragen. Denn es können Mauern und Ideologien zusammenbrechen, Berufe vergehen und Wirtschaftszweige – in der Kulturförderung ist ein Schluss tabu.

Seit den 1970er Jahren bis heute boomt die Kultur in Deutschland – wo noch vor 40 Jahren pro Stadt 1–2 Theater, 1–2 Museen und 1–2 Bibliotheken die kulturelle Grundversorgung leisteten, sind ganze Industriezweige wie die Kreativwirtschaft mit Pop-, Medien- und Netzkultur hinzugewachsen, kulturelle Aufgaben und Beschäftigungsfelder wie die kulturelle Bildung und die integrierte Stadtentwicklung neu entstanden. Und vor allem ist eine Freie Szene erst entstanden und dann kontinuierlich gewachsen – in (zunächst) außerinstitutioneller Opposition zu den «Einrichtungen», eng verbunden mit der Entwicklung der Grünen und ihrer Themen übrigens: Freie Kultur kümmerte sich um Kindererziehung und sexuelle Aufklärung, um Ökologie und gesunde Ernährung, um Inklusion und Integration schon, als es die Begriffe dafür kaum gab. Freie Theater fanden (meistens) Worte und (nicht immer) Bilder für das, was irgendwie neu, kompliziert oder noch «heikel» war.

Wofür Lehrerinnen und Lehrern Worte oder Unterrichtsmaterial noch fehlten, machten irgendwo zwischen politischer Mission und Ehrenamt künstlerische Autodidakten «vermittelbar». Andererseits ging man auf die Straßen, probierte und provo zierte mit «unsichtbarem Theater». André Heller popularisierte und verknüpfte mit der künstlerischen Avantgarde der 1980er Jahre (und der Illustrierten Neue Revue) in der riesigen Park-Installation «Luna Luna» bildende Kunst und Clownstheater; Comedyfiguren wie Marlene Jaschke und der Biedermann «Herr Holm» erblickten dort das Licht der Welt. Aus diesen beiden Richtungen – institutionelle Opposition und kulturelle Avantgarde – entwickelten sich für die Theaterszene lukrative Märkte: Theater als pädagogische Funktion einerseits, Kleinkunst und Comedy andererseits.

Und so haben sie immer weitergemacht: Die Theaterspieler/innen spielen weiter, auch viele der Lehrer/innen unterrichten heute noch, die entstandenen Unterhaltungstheater sind erfolgreiche Touristenmagneten, ihre Protagonisten Fernseh-Mainstream. Sie haben (bis auf die Lehrer/innen) lange dafür kämpfen müssen: um Anerkennung in der Kulturwelt und ihrer erst entstandenen Berufe, um Gagen überhaupt, dann um Fördergeld und später auch um bauliche Institutionalisierung, zwischendurch immer wieder gegen wirtschaftliche Krisen und Unsicherheiten.

So wurden Lebenswerke daraus. Die gibt man nicht auf.

Dabei könnte das in – jetzt erst? – zeitgemäße eigene Strukturen führen: Genossenschaftsmodelle, Grundeinkommens-Versuche, Sharing nicht nur von Besitz, sondern auch von Ressourcen im Sinne einer Almende: In der Peripherie der «Freien» könnte erprobt werden, was in den Diskursen der regionalen, ökonomischen und intellektuellen Zirkel und Zentren längst wieder gedacht und behauptet wird. Welches Label, welche Formation der Freien Szene kommt eigentlich heute noch aus dem ländlichen Raum – arbeitet dort, kommt dort in Ruhe, mit Muße und Mut zu neuen Ideen? Auch da kam die «Freie Szene» mal her.

«Back to the roots», von den Ahnen lernen: Man müsste dazu die schnelle Aufmerksamkeit der Großstädte aufgeben, den dort so nahen, scheinbar greifbaren Erfolg. Aussteigen, raus ins Offene.

Stattdessen haben sich in der deutschen Theaterlandschaft Parallelwelten in Strukturen verfestigt, die Künstler und Künstlerinnen mit Missionen verdrängen oder erschöpfen. Der Nachwuchs betreibt Nachahmung von Funktionen, Nachbildung von Ästhetik. Die Stadt- und Staatstheater mitsamt ihrer Ausbildungsinstitute, Medienpartner und ihrem Publikumsabonnement verharren neben den «Freien», die auch lange schon nicht mehr so frei sind: Henning Fülle beschrieb beim «Impulse»-Festival 2012 ein «Parallelsystem der freien Theaterproduktion, das neben Künstlern und Künstlergruppen auch die Produktionshäuser, die Landesverbände und den Bundesverband der Freien Theater umfasst; das von kommunalen, Landes- und Bundes-Förderstrukturen getragen wird, dem eigene Festivals gewidmet sind und in denen die künstlerische performative und Theateravantgarde funktionieren kann. Dieses Paralleluniversum ist international orientiert und hat inzwischen auch Anschluss an die internationalen Entwicklungen der zeitgenössischen Theaterkunst gefunden.»

Diese Gegenbewegung holte für den deutschsprachigen Raum nach, was das rein literarische Bildungstheater an ästhetischen Entwicklungen der vorhergehenden Jahrzehnte in England und Amerika, Ost- und Südeuropa verpasst hatte: Mitte der 1980er Jahre fieberten wir auf Kampnagel beim Sommerfestival oder in den ersten Festivals «Politik im Freien Theater» für ein anderes Theater: politisch wirksam und aufklärerisch, ästhetisch innovativ, international. Endlich oben!

Viele «Freie» haben dabei etwas für Kunst Konstitutives ver- oder gar nicht erst gelernt: das Neuanfangen. Dem ja in der Regel ein Ende vorausgehen muss – hat doch jede und jeder von uns Hermann Hesses Ehrentags-Evergreen zur Konfirmation, zum Ende der Kindheit, zum Schulschluss, zur ersten Trauerfeier noch im Ohr – oder als Postkarte hinterm Spiegel klemmen, seine «Stufen»:
Es muß das Herz bei jedem Lebensrufe
Bereit zum Abschied sein und Neubeginne,
Um sich in Tapferkeit und ohne Trauern
In andre, neue Bindungen zu geben.
Bloß wie kommt man auf die Höhe so eines erhebenden Endes? Das hatten und haben die etablierten Häuser den «Freien» voraus: das Aufhörenkönnen. Das fällt leichter, wenn man mal raus- und weitergehen kann, ohne dass alles zusammenbricht – und wieder rein, ohne «alles» erst erfinden zu müssen. Den Traditionen, Intendanten-Verträgen und dem Normalvertrag Solo sei Dank! (Sie machen eine urgrüne Idee weiterhin produktiv: die Rotation, den Stellungswechsel, den Rollentausch und Perspektivenwechsel als Voraussetzung für echte, innovative Kreativität.) Wenn von uns Freien doch mal jemand (s)ein «Haus» geschlossen hat, dann aus schierer Not, unter Zwang – oder um damit vergrößert, optimiert und instituionalisiert («professionalisiert»!) Wiederauferstehung zu feiern. Endlich wie die vielgeschmähten «Tanker»: manifest, immobil, unverrückbar da.

Aber immer noch ohne Vertrag, geschweige denn Tarifvertrag. Neben wenigen erfolgreichen Gruppen, Künstlern und «Marken» und einigen wenigen Produktionshäusern haben die Leistungen und Wirkungen der Freien Szenen aber die Aufstellung und Finanzierung der kulturellen Landschaft nur seltsam wenig geprägt. Während in der Bildungspolitik die Reformen kaum noch zählbar sind oder die Bauleitplanung längst von einer sozial bewegten integrierten Stadtentwicklung abgelöst wurde, während ökologisches Leben aus erneuerbaren Energien zum Mainstream wurde, sich weltpolitische Blöcke verschoben und globale Migration in Gang gesetzt haben, während also «Modernisierungsimpulse der Siebziger- und Achtzigerjahre zu ziemlich nachhaltigen Veränderungen der Mainstream- Strukturen geführt haben» (Fülle), während gerade dieser Tage eine SPD(!)-Umwelt(!)-Bundesministerin Public Viewing zur Erleichterung öffentlichen Grölens zum Sport (nicht zu einer Kultur!) erklärt – währenddessen ist die Theaterwelt resistent gegen grundlegende Entwicklung geblieben: Man konnte einfach nicht aufhören. Und ergo nicht neu anfangen.

Erobert und geblieben – wenn man die Ableger und Ausgründungen in Unterhaltungsgeschäft und Medienbetrieb außer Acht lässt, was ein Fehler sein könnte – ist für die Freien Theater ein Nischendasein mit spartanischer Förderung und prekären Arbeits- und Lebensbedingungen – verspartet und eingehegt als das per se «Neue» und/oder «Freie». Was in dieser Parallelwelt aber fehlt, ist eine Erfahrung des Aufhörens, die so wichtig wäre,
denn traulich eingewohnt, so droht Erschlaffen,
Nur wer bereit zu Aufbruch ist und Reise,
Mag lähmender Gewöhnung sich entraffen.
(auch das sagte schon Hesse ;-) )

Doch für die Politik, zumal für die Grünen, ist «Freies» Theater per se gut (geblieben): Wenn es sich (irgendwie) mit kultureller Bildung verknüpft, wenn es (irgendwie; z.B. volkstheatrig oder comedymäßig) «neue Schichten erschließt», dann kann und darf das nicht falsch sein. Und am «Großen Theater» kann man nichts verändern: Wir haben uns, auch kulturpolitisch, an die Parallelwelten gewöhnt – und freuen uns irre, wenn sie sich mal begegnen, berühren, betasten oder zaghaft befruchten. Wer mehr will, erntet Protest: Thomas Oberender, Intendant der Berliner Festspiele, meint zu Recht, dass heutige und künftige «Autoren des Theaters» die Regisseur/innen und Producer seien – und schafft den traditionellen «Stückemarkt» des Berliner Theatertreffens ab. Genauer: Er ersetzt die Suche nach immer neuen «Dramentexten» durch die Präsentation innovativer, integrierter Theaterforschungsarbeit. Er will etwas Altes aufgeben und etwas Neues machen. Es darf uns künstlerisch und kulturpolitisch nicht reichen, dass vor über dreißig Jahren Roberto Ciulli in Mühlheim mit seinem «Theater an der Ruhr» eine Strukturdebatte angestoßen hat: «Im Kern geht es um die Frage, wie Theaterarbeit künstlerisch und ökonomisch sinnvoll zu strukturieren ist, ob und wie die vorhandenen, tradierten Theaterstrukturen zu verändern sind. […] Die Frage nach der Struktur eines Systems ist aber die Frage nach seinem inneren Wesen, denn jede Struktur begrenzt und beschränkt die Möglichkeiten und die Fähigkeit mit dem System Welt zu kommunizieren.» Eine Idee muss die Struktur bestimmen, nicht immer wieder umgekehrt.

Ciulli hat die Idee des Reisens, die Migration und damit «einen weiterreichenden Dialog der Kulturen» zu seiner strukturbildenden Idee gemacht: «Die Bewegung, das Nichtverharren an einem Ort fordert Flexibilität und die Fähigkeit zur Improvisation und trägt wesentlich zur Finanzierung des Theaters bei», beschreibt er sein Theatermodell knapp auf seiner Homepage. Shermin Langhoffs Neuanfang am Berliner Maxim-Gorki-Theater macht jetzt wieder solche Hoffnung – und die, dass es nicht wieder für 34 Jahre die einzige Individualisierung einer relevanten «großen» Einrichtung bleibt, erwachsen aus einer kleineren, dem Ballhaus Naunynstraße.

Es mag der Fluch der Flüchtigkeit ihrer Kunst sein, der gerade Theatermenschen das Abgeben, Verwerfen und Neustarten ihrer Strukturen und Lieblingsideen so schwer macht, dass gerade im «Freien» Theater kaum ein Leitungswechsel ohne Not, Krise oder Kleinkrieg möglich scheint. Man ist halt wohl nie fertig? Ähnlich ist es in der Soziokultur. Aber es wäre so viel zu probieren und zu gewinnen, wenn mehr Verantwortliche wagen würden, irgendwomit aufzuhören und wirklich Neues zu beginnen: Ideen von einer Zukunft.

Warum gibt es immer noch kein/kaum Theater im digitalen Raum? Herbert Fritsch hat hier, mit Hamlet X und Elf Onkels, Pionierarbeiten geleistet. René Pollesch hat vor bald 20 Jahren im «Kleinen Fernsehspiel» des ZDF mit «Ich schneide schneller (soap)» TV-Theater gemacht – ob als ästhetische Form, Stoffentwicklung, zeitgemäße Hybridform oder Koproduktionsweise: Warum hat das niemand als Aufgabe auf (s)ein «Haus» übertragen? Manches Hörspiel ist heute theatralischer, dramatischer, lebendiger, authentischer als viele Bühnenspiele – warum gibt den Macherinnen niemand (s)ein gefördertes Theater? Der Dokumentarfilmer Andres Veiel hat als Autor und Regisseur seines Theaterstückes «Das Himbeerreich» am Deutschen Theater Berlin über deutsche Banker gesagt: «Ich habe die generelle Erfahrung gemacht, dass es immer schwieriger wird, an den Zentren der Macht dokumentarisch zu arbeiten. Durch zwischengeschaltete PR-Agenturen und durch ein gewachsenes Misstrauen gegenüber jeder Art von Transparenz ist das kaum noch möglich. Wenn es über die reine Selbstdarstellung von Erfolgen hinausgehen soll, wenn Entscheidungen hinterfragt oder wenn Machtzentren transparent gemacht werden sollen – dann merke ich, dass ich mit der Kamera dort nicht mehr reinkomme. […] ‹Das Himbeerreich› wäre dokumentarisch undenkbar gewesen. Niemand, der mit mir gesprochen hat, hätte das auch vor einer Kamera erzählt. Daher also ein Hoch auf das Theater – die Bühne ist genau der richtige Ort für diesen wichtigen Stoff.» Allein aus diesem Hinweis ließe sich mindestens ein weiteres Theater-Produktions-Team und -Haus grundsätzlich neu erfinden!

Die Herausforderungen in der Beziehung zwischen Literatur und Bühne liegen ja tatsächlich nicht darin, immer neue, nach jahrhundertealten Maßstäben «bühnentaugliche» Dialoge zu erfinden – sondern Theater als Format-Angebot für Autoren, als Portal für Wichtiges und Intensives zur Verfügung zu stellen, nutzbar zu machen. Für die, die etwas zu berichten, darzustellen, auszudrücken haben: Wissenschaftler/innen, Journalist/innen, Philosoph/innen, Biograf/innen, Aktivist/innen, Spezialist/innen – und Künstler/innen. Wie und wo, wenn nicht wenigstens im und mit Theater, sollen die unendlich vielen regionalen, sozialen, sprachlichen, fachlichen und globalgesellschaftlich ebenso risiko- wie innovationsträchtigen Parallelwelten miteinander verknüpft, verbunden, gedanklich und bildlich erlebt, sozial und psychologisch gelebt, ihre Soziolekte, Ethnolekte, Dialekte, Programmier- und Fachsprachen verständlich und durchlässig gemacht werden – im szenischen Verstehen, im Bilder-Finden, in direkter und immer interaktiver Live-Kommunikation?

Szenisches Verstehen, empathisches Erleben, eine Differenzierung von Glauben und Wissen, von Meinen, Kommentieren und Klicken sind unter die Räder einer rein sprachlichen, manchmal noch gedruckten, zunehmend digitalisierten Informations- und Wissensvermittlung gekommen. Diese Digitalisierung nicht nur als unhandliches Reklametool für Altes Theater zu verstehen, sondern als eigene Form eines Neuen Theaters, wäre ein weiterer lohnender Anfang. Das große neue digitale Gedächtnis hält genug vom Alten fest.

Es könnte jetzt mal wieder jemand aufhören, sein Lebenswerk und seinen Erbhof zu retten, #Regietheater und #Werktreue zu debattieren – und riskieren, (sich) Raum und Zeit und Hirn und Geld für Neues zu geben und zu nehmen.

Carsten Werner, April 2014

 

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Nachtrag, Herbst 2014:

oder so?

Walle wird bunter und grüner

In Politik, Stadt, wörtlich! on 29. März 2014 at 12:47

Dedesdorfer Platz: Grüne freuen sich über Konzept und bevorstehende Entwicklung

Der Kompromiss zur Neugestaltung des Dedesdorfer Platzes ist aus Sicht der Grünen Bürgerschaftsfraktion ein Erfolg – nicht zuletzt auch einer des Bürger-Engagements und der Bürgerbeteiligung vor Ort: „Die nun vorgelegte Planung wäre ohne das große Engagement der Bürgerinitiative so sicherlich nicht entstanden. Statt einer dioxinverseuchten Brache kann der Dedesdorfer Platz nun zu einem Vorzeigeprojekt mit einer großen Freifläche für Aktivitäten, guten Wegeverbindungen und einem hohen Anteil gemeinschaftlichen oder genossenschaftlichen Wohnens entwickelt werden. Ursprünglich sollte der ganze Platz mit Reihenhäusern zugepflastert werden, um möglichst viel Geld in die klamme Stadtkasse zu spülen. Vor diesem Hintergrund wäre es schade, wenn die jahrelang engagierten BürgerInnen ihren hart errungenen Erfolg nun nicht mehr wahrnehmen und mit weiterentwickeln würden“, erklärt der baupolitische Sprecher Carsten Werner im Vorfeld der Beiratssitzung zu diesem Thema.

Die Bürgerschaftsfraktion der Grünen hält den Entwurf für zustimmungsfähig. Die Baufläche an der Sandstedter Straße ist deutlich verkleinert worden. „Die beidseitige Bebauung kann die Straße ohne Durchfahrtmöglichkeit zu einem großen Innenhof machen, an dessen Entwicklung die BewohnerInnen beteiligt werden sollten. Hier könnten GründerInnen und KleingewerblerInnen auch Wohnen und Arbeiten kombinieren – für zeitgemäße Nutzungsmixe kann in Walle hier jetzt viel Raum genutzt werden“, findet Carsten Werner.

Insgesamt ist die vermarktbare Fläche zu Gunsten der Freifläche nochmals um 500 auf 4500 Quadratmeter verringert worden. Statt der Veräußerung zu Höchstpreisen haben nun SelbstnutzerInnen, Genossenschaften und Baugemeinschaften für die meisten Grundstücke ein Vorgriffsrecht. Die Querungswege erschließen das Areal besser für die angrenzenden Quartiere. Es besteht die Möglichkeit zum Abriss des BSV-Vereinsheims, stattdessen könnte z.B. ein Gartenlokal entstehen. „Schon jetzt sind Neugier und Interesse aus anderen Stadtteilen an der künftigen Gestaltung des Arreals am Dedesdorfer Platz spürbar – ich würde mich sehr freuen, wenn hier auch Vorbilder und Pilotprojekte für nachhaltiges Bauen, günstige und ökologische Bauweisen und –materialen und für innovative, zukunftsfähige Grundrisse entstehen. Auch für die Nutzung und Bespielung der neuen Freiräume gilt es jetzt, innovative Angebote und Betriebsmodelle zu entwickeln.

Da u.a. Mittel aus dem Aktive-Zentren-Programm in die Platzgestaltung fließen können und ggf. auch energetische Pilotprojekte gefördert werden können, besteht die Möglichkeit, die Waller Mitte insgesamt zu einem großen Modellvorhaben bürgerschaftlicher und nachbarschaftlicher, integrativer Stadtgestaltung in allen Fasern und vielen Facetten zu machen – „Ich hätte vor einem Jahr nicht im Traum geglaubt, dass ich diesen Satz seriöserweise so schreiben könnte“, fasst Carsten Werner den Stand der Planungen zusammen: „Viele Elemente sind dabei der Beharrlichkeit der Bürgerinitiative zu verdanken – und sie passen (vielleicht jetzt erst) stadtentwicklungspolitisch in die Zeit! Die Freifläche und auch die einzelnen Bauvorhaben bieten viele Gestaltungsmöglichkeiten und sollen auch weiter in einem gemeinsamen Prozess mit den BürgerInnen entwickelt werden. Wir wollen sie auch dazu ermutigen, diese Einflussmöglichkeiten weiter zu nutzen und ihre Ideen sowie Kompetenzen in die jetzt erst beginnende Entwicklung und konkrete Bauplanung gemeinsam mit den offiziellen Planern und den Bauherren, -damen und –gruppen weiter einzubringen. Schließlich soll die neue Waller Mitte ein Gewinn für Walle bleiben und werden.“

Kulturelle Bildung ist Herzensbildung, Empathieschulung, Differenzierungstraining

In Ideenwirtschaft, Politik, wörtlich! on 4. März 2014 at 09:50

meine Rede aus der Bremischen Bürgerschaft vom 27.02.2014 zur kulturellen Bildung:

Zuerst möchte ich sagen: Dass wir kulturelle Bildung hier heute mit dem Staatsrat des Bildungsressorts diskutieren – also das Thema in der Zuständigkeit der Schulen und nicht mehr „nur“ als pures Kultur-Thema gesehen wird: allein das ist ein bemerkenswerter Fortschritt in der Debatte! Danke dafür. Denn kulturelle Bildung ist nicht in erster Linie Kulturförderung – sondern vor allem: Bildung!

Kulturelle Bildung, kulturelles Tun und Erleben, spielen für die soziale und seelische Entwicklung von Kindern und Jugendlichen eine ganz wichtige Rolle. Die Entwicklung von Literalität, von Sprach- und Medienkompetenz, von Ausdrucksfähigkeit und Interpretationsfähigkeit – aber auch das Lernen von Konzentration und Rückzug geschieht am nachdrücklichsten bei der Wahrnehmung, bei der Gestaltung, bei der Rezeption und Produktion von Kunst und Kultur. Diese Definition des Senats von kultureller Bildung hat mich sehr gefreut.

Alle Schulen in Bremen und Bremerhaben bieten dazu neben den drei künstlerischen Unterrichtsfächern – Musik, Kunst und Darstellendes Spiel, die man in Fachdebatten zur kulturellen Bildung übrigens allzuoft vergisst – individuell entwickelte Kurse, Projekte und Veranstaltungen an – meist in Kooperation mit Kultureinrichtungen. Für die sind die Angebote der kulturellen Bildung oft Teil ihrer Fördervereinbarungen und Zuschüsse.

Zur kulturellen Bildung – davon zeugt die Senatsanwort, die wir heute debattieren, ja zum wiederholten Mal – gibt es in Bremen fast unendlich viele Gelegenheiten: Seit der Gründung des MOKS-Theaters und bis hin zu künstlerischen Großprojekten etwa der Bremer Kammerphilharmonie mit der Gesamtschule Ost gibt es neben ganz kleinteiligen Angeboten wie begleiteten Theater- und Museumsbesuchen oder Lesekreisen auch immer wieder neue innovative Projekte. Ich will nur zwei relativ aktuelle Beispiele nennen:

–      Das wunderbar sensibilisierende und deswegen ganz konkret auch sozial wirksame Projekt „Ist nackt schlimm?“ des Gerhardt Marcks Hauses hat bei den Schülern und Schülerinnen der GSO Eindrücke hinterlassen, die sie die Welt um sich herum buchstäblich mit neuen Augen sehen lassen: die Familie, das Schulumfeld, ihre Umwelt, die allgegenwärtige Werbung im öffentlichen Raum, auch ihr eigenes Verhältnis zum eigenen Körper und zu denen ihrer Mitschüler und Mitmenschen. Kultur verändert, prägt das Leben. Da interveniert die Auseinandersetzung mit Kunst in die sozialen Beziehungen und in die gesellschaftliche Wahrnehmung und provoziert bei den Jugendlichen Bewusstsein und Respekt für sich selbst und für andere, für ihre Kultur und für die Kulturen und die gesellschaftlichen Normen und Befindlichkeiten anderer. Und es gibt keine einfachen Antworten: Die Frage „Ist nackt schlimm?“ lässt sich in sehr viele Richtungen fragen und auch beantworten: Denn „nackt“ kann natürlich sehr schlimm sein – muss es aber überhaupt nicht. Es kommt eben auf den Anlass und den Grund und den Kontext und auf DIE SICHT an. Das haben wir heute Morgen anlässlich der Debatte um Kinderpronografie und Posingfotos und den Handel mit Kinderfotos debattiert. Und man würde dieser Tage ja vielen Journalisten und Politikern und Juristen in Berlin eine Begleitung von Künstlern und Kulturpädagogen des Bremer Gerhardt Marcks Hauses wünschen! Denn zu so einer Frage – „Ist nackt schlimm?“ – eine eigene, souveräne Haltung zu entwickeln – genau dazu dient kulturelle Bildung: Kulturelle Bildung ist soziale Bildung, Herzensbildung, das Lernen von Empathie und Differenzierung

–    Ein zweites Beispiel sind die Schul-Projekte von „Klangpol“ mit Neuer Musik – also einer Sparte, bei der wir Erwachsenen und auch wir kulturerfahrenen Erwachsenen durchaus vielleicht gelegentlich Verständnis- und Akzeptanzschwierigkeiten haben: Mit dieser Neuen Musik und ihren Ausdrucksweisen, ihrer Freiheit, können Kinder und Jugendliche viel freier assoziieren, viel offener agieren und experimentieren, als wenn sie monatelang erst Noten und dann mühsam das Greifen von Akkorden oder kompliziert ein Blasinstrument lernen und üben müssen – und sich dann jahrhundertelang etablierten kulturellen Codes aussetzen und nach denen beurteilen lassen müssen. Da werden also auch ganz komplizierte Hochkultur-Elemente zurückgeführt auf Ausdruck, auf Äußerung, auf Emotionen; wichtige, große Bedürfnisse!

Ich habe diese beiden Beispiele – von zig möglichen – genannt,  weil ich mich gefragt habe: Wie lässt sich der Effekt, der Erfolg von kultureller Bildung eigentlich feststellen?

Das ist nämlich ein Aspekt, der mir in der Antwort des Senats und auch schon in den Fragen der CDU (deswegen will ich das gar nicht kritisieren) ein bisschen zu kurz kommt: Lassen sich für kulturelle Bildung irgendwelche Erfolgskriterien, Kennzahlen, Ziele definieren? Der Senat schreibt mehrfach, dass er keine statistischen Daten zu den Projekten erhebe – und ich denke, das ist wahrscheinlich richtig: Statistik erfordert Aufwand, kann Kreativität bremsen und wird der Verschiedenheit der Projekte und Angebote wohl auch nicht gerecht. Aber: Ließe sich jenseits der großen systemischen  und statistischen Pisa-Studien nicht doch irgendwie erkennen und planen, wie kulturelle Bildung wirkt – oder auch nicht? – und wie sie wirken SOLL?

Wir haben uns erlaubt, den Fragen der CDU deshalb noch einige weitere zu den fachlichen, pädagogischen und sozialen Kriterien kultureller Bildung in einer Kleinen Anfrage hinterherzuschicken, um auch auf diesem Weg noch etwas weiter zu kommen.

Je professioneller und intensiver Kunst und Kultur gemacht, vermittelt und betrieben werden, desto intensiver und eindrücklicher wird die Kulturerfahrung wirken. Das lässt sich sicher nicht zählen und messen. Aber vielleicht lohnt es sich, Ansprüche und Ziele an die Angebote kultureller Bildung klar und deutlich zu formulieren.

Denn die kulturelle Bildung ist längst auch ein Markt der Kulturszene und der Kreativwirtschaft. Nennenswerte Anteile der institutionellen Förderung von Kultureinrichtungen und viel Geld aus dem Bildungsbereich sind mit dem Angebot und Aufwand kultureller Bildung begründet – bis hin zu Standortentscheidungen und Baumaßnahmen etwa für die Kammerphilharmonie an der Gesamtschule in Bremen Ost oder die Shakespeare Company am Leibnizplatz mit der Oberschule dort.

Und das wirft Fragen auf
–      etwa nach der Bezahlung der unterschiedlichen Akteure in den interdisziplinären und multiprofessionellen Teams
–      nach der Qualifikation der Akteure – sowohl künstlerisch als auch pädagogisch
–      nach der Gleichbehandlung staatlicher und privater Anbieter und Akteure
–      auch nach so etwas wie Qualitätsmanagement – auch wenn das ein in Kunst wie Pädagogik erstmal gleichermaßen unübliches und wohl auch unbeliebtes Wort sein mag …

Deshalb regen wir Grünen an,
–      dass wir beim Anliegen kultureller Bildung in Zukunft ein verstärkt die Qualität der Angebote, ihre nachhaltige Wirkung und auch ihre Innovationskraft fördern.
–      Wir sollten bildungspolitische und pädagogische Anliegen und Ziele formulieren an kulturelle Bildung und an die, die sie in interdisziplinären, multiprofessionellen Teams vermitteln.
–      Und daraus sollten Kriterien für entsprechende institiutionelle Förderung entwickelt werden – und auch für die entsprechenden „Wohnen in Nachbarschaften“-Projekte, die über die stART-Jugend-Kunst-Stiftung geförderten Projekte oder die mit der Metropolregion finanzierten – und Kriterien, die vielleicht auch relevant werden können für die swb-Bildungsinitiative, das „Helden“-Programm der Sparkasse oder die Bremer „Schuloffensive“ und manche lokale und überregionale private Stiftungen …

… Um mal einige der vielen Förderer und vielen Gelder zu benennen, die dankenswerterweise inzwischen die kulturelle Bildung bewegen.

Neben solchen Qualitäts- und Wirkungskriterien wird eine weitere Herausforderung an kulturelle Bildung ganz deutlich, wenn man sich die Spartenzuordnungen der einzelnen Projekte in der Senatsantwort anschaut: Das sind die ganz klassischen, althergebrachten Kunstsparten – Theater, Bildende Kunst, Klassische Musik. Erstaunt hat mich, dass Literatur in der Auflistung gar nicht vorkommt? Aber das mag eine Panne sein. – Wir Grünen denken aber vor allem, dass kulturelle Bildung sich auch der eigenen kulturellen Erfahrungswelt der Jugendlichen stellen muss.

Und zur kulturellen Erfahrungswelt von Kindern und Jugendlichen gehören eben erst einmal ihre  familiären, interkulturellen und Migrations-Erfahrungen und –Prägungen! – Ihre kulturelle Biografie. Ihr kulturelles Interesse und Erleben orientiert sich nicht an Kunstsparten, sondern ist geprägt von sozialen und familiären Erfahrungen, von medialen Angeboten und Kulturformen, von Gestaltung, Images und Design. Da heißen die Sparten heute eher: Mode, Videos, Popkultur, Netzkultur, auch Sport – und mit denen muss sich kulturelle Bildung mehr auseinandersetzen! Sich diesen Genres zuzuwenden, das scheint mir ein weiteres wichtiges Kriterium – das sind keine Rand- oder Mode- oder Jugend-Phänomene, das sind neue breit etablierte Kulturformen und -techniken der Inszenierung, der Gestaltung, des Ausdrucks – die gelesen, verstanden und interpretiert werden müssen. Wenn die Kulturakteure sich darauf einlassen, haben sie auch selbst noch einen größeren Erkenntnisgewinn aus den Projekten mit Kindern und Jugendlichen aus verschiedenen Kulturen und Generationen.

– Und, apropos: Nach unserer Überzeugung gilt das wie für Schulen genau so auch für Kindertageseinrichtungen. Kulturelle Bildung gehört gleichermaßen in die Kitas wie in die Schulen und auch in weiterhin in den außerschulischen Bereich.

Vielen Dank.

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