carsten werners

Posts Tagged ‘Humor’

Hörspiel des Monats November 2008: Die Störenfriede

In Radio on 9. Dezember 2008 at 12:23

DIE STÖRENFRIEDE
von Marion Aubert

Regie: Ulrike Brinkmann
Produktion: SR / DLR Kultur

Begründung der Jury:

Während die schlaffe Königin nach einer ewigen Dauer der Misswirtschaft die Staatsgeschäfte schleifen lässt, ist ihr Land ausgetrocknet und ihre Bürger lieben schlecht und sterben viel. Die Autorin Marion Aubert und Regisseurin Ulrike Brinkmann erzählen aus einem prekären Märchenland: Hier hat man Ringe unter den Augen und schlechte Laune, man verwahrlost und verkommt, man ist halbtot oder wenigstens desillusioniert. Die professionellen Schmeichler und Narren haben sich auf der Suche nach Lebenskrümeln, Witzrudimenten und Sehnsuchtsresten ohnehin verselbständigt. Jeder ist auf jeden scharf und jeder jedem egal. Der unvermeidliche Hörspiel-Erzähler-Sprecher ironisiert als „Der Nützliche“ (Leopold von Verschuer) Konventionen und Erwartungen zu sinnverlorenen Regieanweisungen und diese zu spitzen Kommentaren. So navigiert er durch die kläglichen Mühen eines Märchenpersonals, das vor dem Verenden wenigstens brockenweise noch ein bisschen Leben, Liebe oder Tod zu erleben trachtet.

Aubert und Brinkmann setzen der Macht der Selbstherrlichkeit ein skurriles Denkmal. In einer verspielten, pointensicheren Dramaturgie skizzieren sie den larmoyanten und desinteressierten Gehorsam der so gerne Untergebenen mit einem wundervoll infantilen, so angemessen lebensmüden wie versauten Ensemble: Satte Sklaven des Alleshabenkönnens quengeln, jammern, motzen, schimpfen, zetern und morden – wieder und wieder und immer wieder von vorne. Die abgeklärte, toughe „Miss Orleans“ alias Jeanna d’Arc alias „Hanni“ kann da ebenso wenig noch helfen wie Gott persönlich: Die eine taugt gerade einmal als erotische Abwechslung, der andere ist so launisch und dämlich wie sein Personal – hat aber mehr zu sagen.

Dabei treffen Autorin und Schauspieler einen so heutig frustrierten und oft sarkastischen Ton, dass der Hörer sich nicht allzu weit entfernt von ihrem kranken Königreich wähnen kann. Lars Rudolph als kunst- und liebesambitionierter Barde, der Fiedler Reinhard Lippert, eine moderne Märchenmusik von Hans Schüttler und ein minimalistisches Sounddesign tragen amüsant bei zu einer herrlich fatalen, unverschämt lustigen Märchenstunde über Gehorsam und Begierde, „über heute“.

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Liebesbrief … an den Nacktclown

In Kunst on 24. März 2008 at 22:59

Technische Leiter und Theaterdirektoren erleben Dich immer zwiespältig: Wenn die Bühne brennt, Dosen und Flaschen explodieren oder die Fliehkräfte mit Hilfe von Waschmaschinen und rotierenden Klavieren provoziert werden, zucken das auf Sicherheit oder wenigstens Überleben bedachte Herz und der die Verantwortung dafür tragende Kopf im Takt, einerseits. Andererseits ist bewundernswert, wie virtuos Du Physik und Kraft, Illusion und „Reality“ beherrschst, wie Du sie dehnst, mixt und überlistest.

Das Publikum liebt Deinen Körper, der alles mitmacht, was Du behauptest und zuendebringt, was Du beginnst: Ob im perfekt sitzenden Anzug, bewaffnet mit Gesetzbuch, Kamera, Fahne und Paella im Kampf für das Ansehen der Malloquiner und gegen „Bild“ und dessen Chef Kai Diekmann – oder nackt bis auf ein paar Federn auf dem Bremer Buntentorsteinweg zwischen Straßenbahnen und kläffenden Hunden. Du lässt ihn bluten – für den großen Effekt und ein bisschen Applaus.

Du gehst den Leuten an den Kragen, an die Wäsche, ans Gewissen. In echt und ohne doppelten Boden. Wer die eitelteure Markenklamotten trägt, wird nicht nur verachtet – sondern geheilt. Wenn Du sagst: „Es knallt!“ – dann knallt das. Du hast Thomas Gottschalk und sein ZDF zur Weißglut getrieben, als sie Deine geliebte Insel besetzt haben. Wer könnte das, „Wetten, daß …?“ verhindern, wenn nicht Du, Leo Bassi, großer Clown, nackter, alter, blitzschlauer, gefährlicher Mann! Jetzt hast Du es auf die Religionen abgesehen. Das freut viele nicht: Sie bedrohen und bekämpfen Dich. Denken und Lachen – die explosive Mischung scheint einigen zu gefährlich zu sein. Wie gut.

Leo Bassi: Am 3., 4., 6. 4. in der Stauerei

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