Als Bremen sich – leider vergebens – als Kulturhauptstadt Europas 2010 bewarb, hatte sich unsere Partnerstadt Riga an Projekten im Rahmen der Bewerbung beteiligt. Im Jahr 2014 wird Riga Kulturhauptstadt Europas sein, und nun soll umgekehrt sich Bremen mit unterstützenden kulturellen Projekten und der Beteiligung Bremer Künstlerinnen und Künstler revanchieren. Dies ist das Ziel eines in der Bremischen Bürgerschaft einstimmig beschlossenen Antrags.
Ich finde, dass nicht nur die formalen Beziehungen in der Städtepartnerschaft eine Rolle spielen sollten, sondern auch das, was für die Kulturszenen in Lettland wie in Bremen gegenseitig interessant und herausfordernd ist. Vor allem die Bremer KünstlerInnen, Kultureinrichtungen, Projekte, Initiativen und Stiftungen sollten für 2014 konzentriert nach Lettland schauen und sehen, was uns heute mit Riga verbindet – an gemeinsamen Zukunftsideen, gemeinsamer Erinnerung, an Austauschprojekten, Kooperationen und Stipendien.
Meine Rede dazu in der Stadtbürgerschaft:
Sehr geehrter Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen,
die Kulturhauptstädte Europas sind, so hat das der Ausschuss der Regionen der Europäischen Union gerade festgehalten, “eine der ambitioniertesten, weitreichendsten und wirksamsten Maßnahmen der EU im Kulturbereich, die den Reichtum, die Vielfalt und die Gemeinsamkeiten lokaler, regionaler, nationaler und europäischer Kulturentwicklung zum Ausdruck bringt“. So ist es. Und das kann jeder bestätigen, der oder die die Entstehung von Programmen der Kulturhauptstädte, die Hauptstadtjahre jeweils selbst, und nicht zuletzt auch den jeweiligen Nachklang, den Effekt erleben konnte:
Ob das nun Linz oder Essen, Liverpool oder Tallinn, Istanbul waren oder nächstes Jahr Marseille. Selbst für die Städte, die gerne Kulturhauptstadt werden wollten, für die das aber nicht geklappt hat – wie zum Beispiel Newcastle oder Bremen – hat die Beschäftigung mit dem europäischen Kulturraum, mit ihrer eigenen kulturellen Identität in diesem Raum und ihrer Zukunft, eine erhellende und mit Blick aufs Kulturelle eine öffnende Wirkung. Wir haben das in Bremen erlebt, und wir erleben den Nachhall dieser Auseinandersetzung sieben Jahre nach der gescheiterten Bewerbung immer noch hier und da: In den offenen Beteiligungen an Entwicklungsprozessen im Kulturbereich – aber auch nicht nur im Kulturbereich; wir haben vorhin gerade über die Entwicklungsagentur West gesprochen; das hat, glaube ich, kulturell sehr viel miteinander zu tun – und in Projekten, die damals hier entstanden sind und die heute weiter bestehen.
In die Bremer Bewerbung waren damals natürlich auch Bremens Partnerstädte einbezogen. Ich erinnere mich an gute Projekte gerade der jüngeren Generationen von Kulturschaffenden, in denen zwischen Danzig und Bremen oder zwischen Riga und Bremen kommuniziert, gereist und hin und her geschaltet wurde, im wahrsten Sinne des Wortes zum Beispiel per Internet-Konferenz-Show. Ich erinnere mich, wie ganz weit vorne Riga damals in Sachen Video und Lichtkunst war, dass die ersten lettischen Regisseure an deutschen Theatern – erst in den freien und dann in den Stadttheatern – zu der Zeit gastierten; dass Künstler aus Bremen, Weimar und Riga gemeinsame Schiffsreisen auf den historischen Spuren von Johann Gottfried Herder unternommen und künstlerisch dokumentiert haben – und dass diese Video-Chat-Konferenz-Shows zwischen der Waller Kneipe Hart Backbord und einem Rigaer Club stattgefunden haben. Diesen Geist wünsche ich mir auch für 2014 wieder.
(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen und bei der SPD)
Ich glaube, wir tun gut daran, wenn wir wie auch schon in den Jahren 2004 und 2005 in Bremen nicht allein auf die formalen Beziehungen in der Städtepartnerschaft schauen, sondern auch gucken, was darüber hinaus für die Kulturszene in Lettland und die Kulturszene hier bei uns gemeinsam interessant und herausfordernd ist. Ich kann mir zum Beispiel sehr gut vorstellen, dass sich Künstler von dort und von hier gemeinsam Gedanken machen, wie Erinnerung an die beiden Weltkriege fortleben, fortgesetzt werden kann.
(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen und bei der SPD)
– Zwei im Kern eigentlich europäische Bürgerkriege, die unser Leben bis heute prägen – und die wir gerade auch in den Auseinandersetzungen über und mit Europa in diesen Tagen nicht vergessen dürfen. Wir müssen, glaube ich, nach dem Ableben der letzten Zeitzeugen, die selbst dabei gewesen sind, Fantasie und Ideen nutzen, um uns zu erinnern.
Ich würde mir wünschen, dass die vielen Austauschprojekte, Kooperationen und Stipendien, die Bremer Kultureinrichtungen durchführen oder mit Initiativen und Stiftungen ausschreiben, für das Jahr 2014 einen konzentrierten Blick nach Lettland werfen – und schauen, was uns heute mit Riga verbindet und was uns in Zukunft gemeinsam sein kann. Wir bitten den Senat, solche Initiativen positiv zu begleiten – und wir bitten die Einrichtungen, nach Riga zu schauen und sich mit Riga zu beschäftigen, wo das möglich und interessant ist.
(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen und bei der SPD)
Die Europäische Kommission bringt gerade die Kulturhauptstadt-Ausschreibungen für die nächste Dekade, für 2020-2033, auf den Weg. Danach wäre Deutschland erst im Jahr 2025 wieder an der Reihe. Aber Europa ist Austausch – und da sollten wir dabei sein, nicht erst wenn Deutschland an der Reihe ist, und wir sollten daran teilhaben, wo und wie es eben geht. Deshalb wäre eine Beteiligung Bremens an der Europäischen Kulturhauptstadt Riga nicht nur eine Geste an unsere Partnerstadt – sondern auch eine schöne Chance, unsere eigene Stadt, Bremen, in Europa zu erleben!
(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen und bei der SPD)
Vielen Dank.