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Medien selbstbewusst und selbstbestimmt nutzen

In Medien, Politik on 17. April 2015 at 23:30

Medien selbstbewusst nutzen – über die eigenen Daten selbst bestimmen

Positionen zur Medienkompetenz im digitalen Zeitalter
von Linda Neddermann und Carsten Werner

zum Download als PDF

Digitale Medien spielen in der Gesellschaft heute eine zentrale Rolle, auch für Kinder und Jugendliche. TV, Smartphone, PC und Tablet sind aus dem Alltag nicht mehr weg zu denken. Das Internet ist integraler Bestandteil des täglichen Lebens geworden. Zwischen On- und Offline-Sein wird von den meisten Jugendlichen nicht mehr unterschieden.

Der Konsum und die Nutzung von Massenmedien sind seit jeher wesentliche Elemente gesellschaftlicher und kultureller Teilhabe – über das Internet, die Sozialen Netzwerke und digitale Plattformen sind vielfältige Interaktionsmöglichkeiten, aber auch Differenzierungsnotwendigkeiten hinzugekommen. Medien sind heute „alltagsintegrierte und multifunktionale Bestandteile des sozialen Lebens und für den gesamten Prozess des Aufwachsens bedeutsam“ und „tragender Bestandteil sozialer Handlungsfähigkeit“, wie es das von der Bundesregierung eingesetzte Bundesjugendkuratorium beschreibt.

Die Nutzung von Medien – vom Bilderbuch über Filme bis zum Web 2.0, von der Tageszeitung bis zum Computerspiel, vom Sozialen Netzwerk bis zur Smartphone-App – kann neugierig machen und Berührungsängste abbauen, soziale und kulturelle Toleranz, Inklusion und Selbstvertrauen fördern. Digitale Medien sind Teil des öffentlichen Raumes geworden. Grenzen zwischen ProduzentIn und KonsumentIn, zwischen geistigem Eigentum und digitaler Almende, zwischen Besitzen und Teilen, zwischen SenderIn und EmpfängerIn, zwischen Inhalt und Form definieren sich neu.

Medienkompetenz beginnt mit Sprachkompetenz: Lesen und Schreiben, Verstehen und Einordnen, klare und freie Meinungsäußerung sind wesentliche Fertigkeiten, um Medien zu verstehen und zu nutzen. Ebenso unabdinglich für einen kompetenten Umgang mit Medienangeboten und –produkten sind Empathie und Selbstbewusstsein und nicht zuletzt Informationsfreiheit.

Foto

Auf die Vielzahl von Möglichkeiten, die das Internet und andere digitale Medien bereit halten, sind viele Kinder und Jugendliche, aber auch viele Erwachsene, nur unzureichend vorbereitet. Die Überwachung der Einhaltung von Altersbeschränkungen gelingt im grenzenlosen Raum des Internets kaum. Daher muss im Zentrum der Medienbildung und –kompetenzvermittlung vor allem das Lernen eines souveränen Umgangs mit Medien und Daten stehen.

Soziale Netzwerke können Kinder und Jugendliche auch negativen Einflüssen aussetzen: Cybermobbing und -bullying, Grooming[1] und Sexting, herabsetzende Kommentare, entwürdigende Videos oder intime Fotos machen Kinder und Jugendliche im Internet leicht zu Opfern psychischer oder physischer Gewalt. Technischer und juristischer Kinder- und Jugendmedienschutz kann davor nicht umfassend bewahren. Der kompetente Umgang mit Medien muss daher dazu befähigen, die Folgen zu übersehen und sich dagegen wehren zu können. Medienkompetenz ist der zentrale Baustein für einen wirksamen Kinder- und Jugendmedienschutz.

Für die selbstbestimmte und selbstbewusste Nutzung der digitalen Medien ist Medienkompetenz die Grundvoraussetzung und geht weit über das technische Know-How zur Bedienung der „neuen“ Medien hinaus. Sie beinhaltet unter anderem:

  • die Sprachkompetenz als unabdingbare Fertigkeit, um Medien verstehen und zur freien Meinungsäußerung nutzen zu können: Lesen und Schreiben, Verstehen und Einordnen,
  • die selbstbewusste und empathische Partizipation an Information, Wissen, Politik, Kunst und Kultur auch durch soziale und mediale Interaktion
  • Filterkompetenz zur Einordnung, Interpretation und Wertung, Gewichtung von Informationen, Inhalten und Meinungen,
  • die Fähigkeit zur Differenzierung zwischen AnbieterInnen und NutzerInnen,
  • den bewussten und verantwortungsvollen Umgang mit den eigenen Daten und Bewusstsein über Datensparsamkeit und Datenschutz,
  • die Fähigkeit zur kritischen Auseinandersetzung mit den medialen Inhalten und dem eigenen Medienkonsum und –verhalten,
  • das Verständnis von Medien und Medienaktivitäten (auch) als Branchen und Anliegen der Wirtschaft.

Medienkompetenz muss immer wieder neu definiert und erworben werden – und dies parallel zur Entwicklung der Medienkultur und -technik. Sie ist heute wichtiger Teil des lebenslangen Lernens: weil die Nutzung digitaler Medien immer früher beginnt, muss die Vermittlung von Fertigkeiten für selbstbestimmtes, sachgerechtes, reflektiertes, sozial verantwortliches und kreatives Handeln in der digitalisierten Welt bereits im Kindesalter beginnen.

Weil jüngere Generationen als „digital natives“[2] mit den jeweils aktuellen Techniken vertraut aufwachsen, ist Medienkompetenz ein wichtiges Feld des generationsübergreifenden Lernens: Erwachsene (Eltern, ErzieherInnen, LehrerInnen, ältere Menschen) können auch mit und von jüngeren Menschen lernen, Erfahrungen sammeln und austauschen.

Die Vermittlung von Medienkompetenz ist ein wichtiges Element grüner Kinder- und Jugendpolitik, Bildungs- und Kulturpolitik, VerbraucherInnen- und Konsumpolitik. Sie muss sich regelmäßig den kulturellen, technischen und demographischen Veränderungen anpassen, um dem Grundsatz von Prävention statt Reparatur“ folgen zu können.

Wir Grünen vertreten die Auffassung, dass:

  • jedes Kind, jede Jugendliche, jede BürgerIn ein Recht auf freien Zugang zum öffentlichen Rundfunk und zum Internet.  Dazu brauchen wir in Deutschland und Europa eine echte, gesetzlich geregelte Netzneutralität – und freies WLAN ohne Störerhaftung.
  • jedes Kind, jede Jugendliche, jede BürgerIn ein Recht auf Ausbildung und Entwicklung der persönlichen Medienkompetenz hat.
  • Medienkompetenz die grundlegende Voraussetzung für wirksamen Jugendschutz ist.
  • Kinder und Jugendliche eigene und angeleitete Erfahrungen im Umgang mit Medien machen müssen.
  • Kindermedien grundsätzlich der Entwicklung von Medienkompetenz dienen müssen oder diese zumindest nicht beeinträchtigen dürfen.
  • Medienkompetenz in der Schule durch „Lernen über Medien“ in den musischen und geisteswissenschaftlichen Fächern sowie durch „Lernen mit Medien“ als fachübergreifende Querschnittsaufgabe gelehrt werden muss.
  • Medienbildung sich als roter Faden durch alle staatlichen Bildungsangebote ziehen muss.
  • Schüler- und Bürgermedien ein wichtiger Baustein der Medienbildung und des Medientrainings für den Nachwuchs sowohl der Medienberufe als auch der Medienkonsumenten sind.
  • alle BürgerInnen die Möglichkeit haben müssen, auch als Medienakteur in Erscheinung zu treten und die eigenen Anliegen und Ideen unabhängig von Verwertungsinteressen öffentlich zu machen und zu vertreten: im öffentlichen Raum, im Rahmen von digitalen und analogen Bürgermedien und im Internet.

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Deshalb fordern wir Grünen:


… in den Schulen und Kitas:

  • die Fortschreibung und Weiterentwicklung des Rahmenplans Medien für alle Schulstufen und die Kitas sowie einheitliche Standards und Evaluationen der Angebote zur Vermittlung von Medienkompetenz durch fächerübergreifendes Lernen mit, von und über Medien.
  • eine explizite Verankerung von Medienkompetenzförderung als Querschnittsaufgabe im SGB VIII und Medienkompetenz als Bildungs- und Erziehungsziel für Kindertageseinrichtungen und Schulen.
  • die Aus-, Fort- und Weiterbildung der LehrerInnen, ErzieherInnen, PädagogInnen und sonstigen Fachpersonals im Bereich Medienbildung/-kompetenz sowie die Verwebung von Medienbildung in alle staatlichen Bildungsangebote.
  • eine Verbesserung der technischen Infrastruktur in den Kitas und Schulen.
  • die freie Entscheidung von Schulen über die Einrichtung von WLAN und mobilen Endgeräten im Unterricht anstelle von kabelgebundener, stationärer Hardware sowie die weitere Erprobung von sog. „Tablet-Klassen“.
  • die Sensibilisierung und Unterstützung von Eltern und interessierten BürgerInnen als Multiplikatoren für Medienkompetenz.

… medienpolitisch:

  • eine gesetzlich definierte Netzneutralität und freies W-LAN im öffentlichen Raum.
  • die Einführung eines institutionenübergreifenden „Medienkompetenztages“ nach dem Vorbild anderer Großstädte zur Förderung eines generationsübergreifenden Lernens.
  • Die Einführung eines „Freiwilligen Digitalen Jahres“ für Jugendliche.
  • Den Umbau des Bremer Bürgerrundfunks zu einem zeitgemäßen und zugangsfreien Bürgermedium zur Medienkompetenzvermittlung für ProduzentInnen und KonsumentInnen sowie die zielgerichtete Förderung von Kinder– Schüler-, und Bürgermedien in allen Medienformaten.
  • hohe Sicherheits- und Privatsphäre-Einstellungen in Sozialen Netzwerken und anderen interaktiven Angeboten als vorgeschriebene Standardeinstellung.
  • eine Neuregelung der Werberichtlinien für Kindermedien bis hin zu einer möglichen Werbefreiheit von Kindermedien.

… kulturpolitisch:

  • die regelmäßige Sonn- und Feiertagsöffnung von Bibliotheken als zeitgemäßes, familien- und arbeitnehmergerechtes Bildungs-, Kultur- und Freizeitangebot.
  • eine Verknüpfung von kultureller Bildung und Medienbildung.
  • die selbstverständliche Einbindung auch „älterer“ Medien, wie z.B. Zeitungen und Bücher, Radio und Fernsehen sowie der Künste, in die Medienkompetenzvermittlung.
  • die Weiterentwicklung und Nutzung der Deutschen Digitalen Bibliothek.
  • die Unterstützung von Kooperationen von Kultureinrichtungen mit Bildungsträgern, der Medien- und Kreativwirtschaft und den Hochschulen für Medienkompetenz-Projekte.

unsere „Meinung am Freitag“ zum Thema Medienkompetenz

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[1] Gezieltes Ansprechen von Personen im Internet mit dem Ziel der Anbahnung sexueller Kontakte zu Minderjährigen.

[2] Personen, die mit digitalen Technologien wie z.B. Computern, Internet, Mobiltelefonen und MP3-Playern aufwachsen.

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Kulturelle Bildung ist Herzensbildung, Empathieschulung, Differenzierungstraining

In Ideenwirtschaft, Politik, wörtlich! on 4. März 2014 at 09:50

meine Rede aus der Bremischen Bürgerschaft vom 27.02.2014 zur kulturellen Bildung:

Zuerst möchte ich sagen: Dass wir kulturelle Bildung hier heute mit dem Staatsrat des Bildungsressorts diskutieren – also das Thema in der Zuständigkeit der Schulen und nicht mehr „nur“ als pures Kultur-Thema gesehen wird: allein das ist ein bemerkenswerter Fortschritt in der Debatte! Danke dafür. Denn kulturelle Bildung ist nicht in erster Linie Kulturförderung – sondern vor allem: Bildung!

Kulturelle Bildung, kulturelles Tun und Erleben, spielen für die soziale und seelische Entwicklung von Kindern und Jugendlichen eine ganz wichtige Rolle. Die Entwicklung von Literalität, von Sprach- und Medienkompetenz, von Ausdrucksfähigkeit und Interpretationsfähigkeit – aber auch das Lernen von Konzentration und Rückzug geschieht am nachdrücklichsten bei der Wahrnehmung, bei der Gestaltung, bei der Rezeption und Produktion von Kunst und Kultur. Diese Definition des Senats von kultureller Bildung hat mich sehr gefreut.

Alle Schulen in Bremen und Bremerhaben bieten dazu neben den drei künstlerischen Unterrichtsfächern – Musik, Kunst und Darstellendes Spiel, die man in Fachdebatten zur kulturellen Bildung übrigens allzuoft vergisst – individuell entwickelte Kurse, Projekte und Veranstaltungen an – meist in Kooperation mit Kultureinrichtungen. Für die sind die Angebote der kulturellen Bildung oft Teil ihrer Fördervereinbarungen und Zuschüsse.

Zur kulturellen Bildung – davon zeugt die Senatsanwort, die wir heute debattieren, ja zum wiederholten Mal – gibt es in Bremen fast unendlich viele Gelegenheiten: Seit der Gründung des MOKS-Theaters und bis hin zu künstlerischen Großprojekten etwa der Bremer Kammerphilharmonie mit der Gesamtschule Ost gibt es neben ganz kleinteiligen Angeboten wie begleiteten Theater- und Museumsbesuchen oder Lesekreisen auch immer wieder neue innovative Projekte. Ich will nur zwei relativ aktuelle Beispiele nennen:

–      Das wunderbar sensibilisierende und deswegen ganz konkret auch sozial wirksame Projekt „Ist nackt schlimm?“ des Gerhardt Marcks Hauses hat bei den Schülern und Schülerinnen der GSO Eindrücke hinterlassen, die sie die Welt um sich herum buchstäblich mit neuen Augen sehen lassen: die Familie, das Schulumfeld, ihre Umwelt, die allgegenwärtige Werbung im öffentlichen Raum, auch ihr eigenes Verhältnis zum eigenen Körper und zu denen ihrer Mitschüler und Mitmenschen. Kultur verändert, prägt das Leben. Da interveniert die Auseinandersetzung mit Kunst in die sozialen Beziehungen und in die gesellschaftliche Wahrnehmung und provoziert bei den Jugendlichen Bewusstsein und Respekt für sich selbst und für andere, für ihre Kultur und für die Kulturen und die gesellschaftlichen Normen und Befindlichkeiten anderer. Und es gibt keine einfachen Antworten: Die Frage „Ist nackt schlimm?“ lässt sich in sehr viele Richtungen fragen und auch beantworten: Denn „nackt“ kann natürlich sehr schlimm sein – muss es aber überhaupt nicht. Es kommt eben auf den Anlass und den Grund und den Kontext und auf DIE SICHT an. Das haben wir heute Morgen anlässlich der Debatte um Kinderpronografie und Posingfotos und den Handel mit Kinderfotos debattiert. Und man würde dieser Tage ja vielen Journalisten und Politikern und Juristen in Berlin eine Begleitung von Künstlern und Kulturpädagogen des Bremer Gerhardt Marcks Hauses wünschen! Denn zu so einer Frage – „Ist nackt schlimm?“ – eine eigene, souveräne Haltung zu entwickeln – genau dazu dient kulturelle Bildung: Kulturelle Bildung ist soziale Bildung, Herzensbildung, das Lernen von Empathie und Differenzierung

–    Ein zweites Beispiel sind die Schul-Projekte von „Klangpol“ mit Neuer Musik – also einer Sparte, bei der wir Erwachsenen und auch wir kulturerfahrenen Erwachsenen durchaus vielleicht gelegentlich Verständnis- und Akzeptanzschwierigkeiten haben: Mit dieser Neuen Musik und ihren Ausdrucksweisen, ihrer Freiheit, können Kinder und Jugendliche viel freier assoziieren, viel offener agieren und experimentieren, als wenn sie monatelang erst Noten und dann mühsam das Greifen von Akkorden oder kompliziert ein Blasinstrument lernen und üben müssen – und sich dann jahrhundertelang etablierten kulturellen Codes aussetzen und nach denen beurteilen lassen müssen. Da werden also auch ganz komplizierte Hochkultur-Elemente zurückgeführt auf Ausdruck, auf Äußerung, auf Emotionen; wichtige, große Bedürfnisse!

Ich habe diese beiden Beispiele – von zig möglichen – genannt,  weil ich mich gefragt habe: Wie lässt sich der Effekt, der Erfolg von kultureller Bildung eigentlich feststellen?

Das ist nämlich ein Aspekt, der mir in der Antwort des Senats und auch schon in den Fragen der CDU (deswegen will ich das gar nicht kritisieren) ein bisschen zu kurz kommt: Lassen sich für kulturelle Bildung irgendwelche Erfolgskriterien, Kennzahlen, Ziele definieren? Der Senat schreibt mehrfach, dass er keine statistischen Daten zu den Projekten erhebe – und ich denke, das ist wahrscheinlich richtig: Statistik erfordert Aufwand, kann Kreativität bremsen und wird der Verschiedenheit der Projekte und Angebote wohl auch nicht gerecht. Aber: Ließe sich jenseits der großen systemischen  und statistischen Pisa-Studien nicht doch irgendwie erkennen und planen, wie kulturelle Bildung wirkt – oder auch nicht? – und wie sie wirken SOLL?

Wir haben uns erlaubt, den Fragen der CDU deshalb noch einige weitere zu den fachlichen, pädagogischen und sozialen Kriterien kultureller Bildung in einer Kleinen Anfrage hinterherzuschicken, um auch auf diesem Weg noch etwas weiter zu kommen.

Je professioneller und intensiver Kunst und Kultur gemacht, vermittelt und betrieben werden, desto intensiver und eindrücklicher wird die Kulturerfahrung wirken. Das lässt sich sicher nicht zählen und messen. Aber vielleicht lohnt es sich, Ansprüche und Ziele an die Angebote kultureller Bildung klar und deutlich zu formulieren.

Denn die kulturelle Bildung ist längst auch ein Markt der Kulturszene und der Kreativwirtschaft. Nennenswerte Anteile der institutionellen Förderung von Kultureinrichtungen und viel Geld aus dem Bildungsbereich sind mit dem Angebot und Aufwand kultureller Bildung begründet – bis hin zu Standortentscheidungen und Baumaßnahmen etwa für die Kammerphilharmonie an der Gesamtschule in Bremen Ost oder die Shakespeare Company am Leibnizplatz mit der Oberschule dort.

Und das wirft Fragen auf
–      etwa nach der Bezahlung der unterschiedlichen Akteure in den interdisziplinären und multiprofessionellen Teams
–      nach der Qualifikation der Akteure – sowohl künstlerisch als auch pädagogisch
–      nach der Gleichbehandlung staatlicher und privater Anbieter und Akteure
–      auch nach so etwas wie Qualitätsmanagement – auch wenn das ein in Kunst wie Pädagogik erstmal gleichermaßen unübliches und wohl auch unbeliebtes Wort sein mag …

Deshalb regen wir Grünen an,
–      dass wir beim Anliegen kultureller Bildung in Zukunft ein verstärkt die Qualität der Angebote, ihre nachhaltige Wirkung und auch ihre Innovationskraft fördern.
–      Wir sollten bildungspolitische und pädagogische Anliegen und Ziele formulieren an kulturelle Bildung und an die, die sie in interdisziplinären, multiprofessionellen Teams vermitteln.
–      Und daraus sollten Kriterien für entsprechende institiutionelle Förderung entwickelt werden – und auch für die entsprechenden „Wohnen in Nachbarschaften“-Projekte, die über die stART-Jugend-Kunst-Stiftung geförderten Projekte oder die mit der Metropolregion finanzierten – und Kriterien, die vielleicht auch relevant werden können für die swb-Bildungsinitiative, das „Helden“-Programm der Sparkasse oder die Bremer „Schuloffensive“ und manche lokale und überregionale private Stiftungen …

… Um mal einige der vielen Förderer und vielen Gelder zu benennen, die dankenswerterweise inzwischen die kulturelle Bildung bewegen.

Neben solchen Qualitäts- und Wirkungskriterien wird eine weitere Herausforderung an kulturelle Bildung ganz deutlich, wenn man sich die Spartenzuordnungen der einzelnen Projekte in der Senatsantwort anschaut: Das sind die ganz klassischen, althergebrachten Kunstsparten – Theater, Bildende Kunst, Klassische Musik. Erstaunt hat mich, dass Literatur in der Auflistung gar nicht vorkommt? Aber das mag eine Panne sein. – Wir Grünen denken aber vor allem, dass kulturelle Bildung sich auch der eigenen kulturellen Erfahrungswelt der Jugendlichen stellen muss.

Und zur kulturellen Erfahrungswelt von Kindern und Jugendlichen gehören eben erst einmal ihre  familiären, interkulturellen und Migrations-Erfahrungen und –Prägungen! – Ihre kulturelle Biografie. Ihr kulturelles Interesse und Erleben orientiert sich nicht an Kunstsparten, sondern ist geprägt von sozialen und familiären Erfahrungen, von medialen Angeboten und Kulturformen, von Gestaltung, Images und Design. Da heißen die Sparten heute eher: Mode, Videos, Popkultur, Netzkultur, auch Sport – und mit denen muss sich kulturelle Bildung mehr auseinandersetzen! Sich diesen Genres zuzuwenden, das scheint mir ein weiteres wichtiges Kriterium – das sind keine Rand- oder Mode- oder Jugend-Phänomene, das sind neue breit etablierte Kulturformen und -techniken der Inszenierung, der Gestaltung, des Ausdrucks – die gelesen, verstanden und interpretiert werden müssen. Wenn die Kulturakteure sich darauf einlassen, haben sie auch selbst noch einen größeren Erkenntnisgewinn aus den Projekten mit Kindern und Jugendlichen aus verschiedenen Kulturen und Generationen.

– Und, apropos: Nach unserer Überzeugung gilt das wie für Schulen genau so auch für Kindertageseinrichtungen. Kulturelle Bildung gehört gleichermaßen in die Kitas wie in die Schulen und auch in weiterhin in den außerschulischen Bereich.

Vielen Dank.

„Künstler sollen Stadtleben stärker prägen“

In Ideenwirtschaft, Kunst, Politik, Stadt, Werner on 1. Oktober 2011 at 17:57

Wie (und dass) Stadtentwicklung, kulturelle Bildung, Kreativwirtschaft und Kunst zusammengehören, durfte ich in einem Interview im Bremer Weser-Kurier erklären:

[ An einem konkreten – und gerade dieser Tage wieder aktuell werdenden – Beispiel habe ich sowas vor einiger Zeit schon mal durchgespielt. – Und siehe gerne auch noch mal da: Bürgerbaubeteiligung. ]

Auf Wiederhören

In Medien, Radio, Stadt, Werner on 12. November 2007 at 23:29

„Alles was Radio kann“ beim Deutschlandradio

Die Klischees sind lange schon aufgeschrieben: Die Generation Golf saß im Bademantel vorm Fernseher und durfte vorm Schlafengehen noch „Dalli Dalli“ gucken. Das Deutschlandradio macht jetzt Ernst, nimmt sentimentale oder junggebliebene Quiz-, Radio- und Retrofans beim Wort und schickt Hans Rosenthal zurück ins Wohnzimmer. Zur wahren Bademantelzeit am Sonntagmorgen um 8 Uhr gibt es unten dem neuen Deutschlandradio-Wochenendmotto „Alles was Radio kann!“ eine Folge „Allein gegen alle“ aus dem Archiv. In dieser Radio-Mutter fast aller Fernsehshows stellt eine Person – gerne Oberstudien- räte und Oberlandesgerichtsräte – einer ganzen Stadt fünf Fragen, die in 15 Minuten beantwortet werden müssen. Um das nachzuvollziehen: „Frage 1: Welcher deutsche Musiker komponierte im Jahre 1875 für die 100-Jahr-Feier der Vereinigten Staaten von Amerika einen Marsch? – Frage 2: Die Porträtbüste welches weiblichen Mitgliedes des römischen Kaiserhauses war so gearbeitet, dass der obere Teil des Kopfes wie eine Perrücke abzunehmen ging, um bei etwaigem Wechsel der Mode ausgetauscht werden zu können? – Frage 3: Wie heißt der Schutzpatron der Gepäckträger? – Frage 4: Wo ließ Johann Gottfried Seume auf seinem Spaziergang nach Syrakus zum zweiten Mal seine Stiefel besohlen? – Frage 5: In welchem Bau ließen alle Universitäten der Welt zu Ehren eines großen Mannes eine Marmorplatte legen?“ Klären Sie das mal mit ihren Nachbarn, ohne Google, in einer Viertelstunde! Radio- und Fernsehredakteure von heute trauen Ihnen das jedenfalls nicht zu.

„Die Sonderrunde“ schließlich war die Urmutter aller „Wetten, dass …?“- Außenwetten: Mindestens 100 Bürger bitte zur Gymnastik auf den Marktplatz von Vechta, 25 Erwachsene zum Rennen mit Kinderrollern nach Delmenhorst: Sage und schreibe 100 Mark brachte die gelöste Aufgabe – für die Stadtkasse. Die Gags sind also geblieben – die Rätsel sind ja einfacher geworden, wenn heute in Call-Ins ein „Tier mit A“ mit 1000 Euro belohnt wird.

„Allein gegen alle“ geriet zur – auch kommunikationstechnisch – faszinierenden Rundreise durch die Provinz, wenn Hans Rosenthal zum Marktplatz oder in die Schulaula schaltete und seine Reporter unter zeitlichem Hochdruck die Bürgermeister und Oberstadtdirektoren Lösungen verkünden ließ, die die minutenschnell telefonisch von ihren Einwohnern eingesammelt hatten. Schwetzingen, Vechta, Melle, Kellinghusen und Delmenhorst (drei mal siegreich und gegen den Berliner Postbeamten Siegfried Luckmann nur an der Frage nach dem ersten Heiratsinserat – „im Delmenhorster Kreisblatt war es nicht“ – gescheitert!) mussten sich erst einmal durchsetzen, bevor sie gegen größere Städte und deren gesammeltes Wissen antreten konnten. Nach drei siegreichen Runden durfte eine Stadt sich mit dem Titel „Unschlagbare Rätselstadt“ schmücken – vermutlich eine weitaus integrativere Anstrengung, als weltrekordtaugliches Krähen (oder wars Miauen, Bellen, I-A-en?) auf dem Bremer Bremer Marktplatz anno 2007.

Faszinierend ist beim heutigen Nachhören aber vor allem die technische Perfektion, mit der Hans Rosenthal und seine Reporter blitzschnell, hellwach, präzise und virtuos zig mal zwischen Bürgermeistern, Rollerrennstrecken und nächster Stadt kreuz und quer – „bitte melden, bitte melden!“ – hin und her schalteten, Juryentscheidungen und Publikumsstatements einholten und zwischendurch noch die Creme der deutschen Unterhaltungsmusik spielen ließen, live natürlich und immer wieder nur bis zum „Lichtsignal“ für den nächsten Antwortversuch, dessen Erfolg ein – selbstverständlich ebenfalls live gespielter – Jingle krönte.
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