Das „Presse-Grosso“, das Vertriebssystem für die Belieferung von rund120.000 Verkaufsstellen von Zeitungen und Zeitschriften, besteht seit über 50 Jahren. Damit wird die flächendeckende Belieferung zu einheitlichen Preisen gewährleistet, kleinere Verlage werden mit großen gleichgestellt und deren größere Vertriebsmarktmacht verhindert. Der Bauer-Verlag hatte wegen Wettbewerbsbeschränkung dagegen geklagt und Recht bekommen. Befürchtet wird nun eine Einschränkung der Pressevielfalt und dass aufgrund geringerer Einnahmen die 68 Presse-Grossisten nicht mehr alle Regionen beliefern könnten. Gegen das Urteil wurde Berufung eingelegt.
Mit einem rot-grünen, einstimmig beschlossenen Antrag wird der Senat jetzt aufgefordert, mit den anderen Bundesländern gesetzliche Regelungen zum Erhalt des Presse-Grossos erarbeiten. Meine Rede in der Bremischen Bürgerschaft dazu:
Sehr geehrter Herr Präsident, meine Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen,
Die 68 Presse-Grossisten in Deutschland sichern die „Überallerhältlichkeit“ und die Vielfalt des Presseangebots in Deutschland. Das ist sozusagen die analoge Form der Netzneztralität – die uns in der Daseinsvorsorge und als Teil davon im Medienbereich sehr wichtig ist. Das Bundesverfassungsgericht hat ihre Tätigkeit 1988 gemeinsam mit der Preisbindung für Presseerzeugnisse zu einem wesentlichen und also schützenswerten Baustein der Pressefreiheit nach Art. 5 GG erklärt.
Dadurch, dass die Grossisten Presseprodukte zentral bei allen großen und allen kleinen Verlagen einkaufen und gleichberechtigt an ihre 120.000 Verkaufsstellen vertreiben, haben auch kleine, nicht so finanzsstarke und haben auch vielleicht auch in der Zielgruppe minderheitenorientierte Presseunternehmen für ihre Produkte die Sicherheit, dass sie überall angeboten werden. Und Zeitungsleser haben auch an Verkaufsstellen im ländlichen Raum, auch in kleinen Kiosken , Tankstellen oder Supermärkten die Chance, alle Presseerzeugnisse zu erhalten.
Dieses System hat sich bewährt und wir finden das erhaltenswert – im Interesse der Meinungsvielfalt, der Qualität der Presse und ihrer Zugänglichkeit.
Das sehen auch die Verlagsverbände und alle Parteien im Deutschen Bundestag so.
Dieses System ist aber bisher nicht gesetzlich verankert, sondern basiert auf freiwilligen Vereinbarungen der Verleger und der Grossisten.
Aus deren Umsetzung hat sich allerdings der große Bauer-Verlag verabschiedet – er hat einen eigenen Pressevertrieb ausschließlich für die eigenen Produkte gegründet und lehnt zentrale Preisverhandlungen auf Verbandsebene ab. Und er hat gegen die Grosso-Regelungen erfolgreich geklagt, u.a. da seine 100%ige Tochterfirma nicht an Vereinbarungen der Verbände gebunden sei.
Nun hat die Bundesregierung – unser Antrag hier ist ja ehrlich gesagt schon ein halbes Jahr lang unterwegs – ganz frisch in den letzten Tagen gerade ein Gesetz zur Pressevielfalt vorgelegt. Und wir freuen uns und begrüßen es, dass sie eine gesetzliche Regelung beim Presse-Grosso einführen will. Das entspricht unserer Forderung. Große Verlage sollen die Medienlandschaft nicht einseitig dominieren. Allerdings ist die juristische Ausgestaltung gewagt und wir hoffen sehr, in Deutschland und auch in der EU rechtlich Bestand.
Die Bundesregierung will mit ihrem Gesetz jetzt allerdings auch Pressefusionen erleichtern und ein neues Leistungsschutzrecht für Presseverlage etablieren. Diese Aktivitäten sind aus unserer Sicht dann leider doch wieder eine ganz einseitige Hilfe für die großen Verlage: Für das Leistungsschutzrecht, das aus unserer Sicht vor allem handwerklich schlecht ist – weil es weder genauer definiert, welche und wessen Leistungen geschützt werden, noch genauer gesagt wird, wen es genau treffen soll – für dieses neue Leistungsschutzrecht hat sich ja vor allem und fast allein der Springer-Verlag intensiv engagiert und Lobbying betrieben.
(- interessante Einordnungen und Informationen dazu in diesem Link zum Blog von Sascha Lobo …)
Und durch die Lockerung der Fusionskontrolle wird die Medienvielfalt ja auch eher nicht zunehmen: Es gibt ja schon ein ganze Reihe Regionen mit nur einer einzigen Lokalzeitung und auch das Kartellamt und die Monopolkommission sehen dadurch Pressevielfalt und PresseWettbewerb eingeschränkt. In dieser Situation setzt die Bundesregierung die Aufgreifschwelle herauf, führt eine neue Bagatellklausel ein und will Sanierungsfusionen einfacher zulassen. Das alles dient am Ende wahrscheinlich gerade nicht der Pressevielfalt. Und das hat alles auch leider keine nachvollziehbare Datengrundlage: Um wirklich zu Neuregelungen zu kommen, die wirklich den Journalisten und Journalistinnen und der Meinungsvielfalt dienen, braucht es eine zeitgemäße und ausführliche Medienstatistik als nachvollziehbare Datengrundlage – und nicht bloß Schätzungen und Gesetzentwürfe, die vom Hörensagen „über dieses Internet“ mit dem Springer Verlag ausgetüftelt werden.
Es bleibt also genug zu streiten und vor allem zu tun in Sachen Pressevielfalt , Qualitätsjournalismus und Medienreformen.
Nichtsdestotrotz: Beim Thema Pressegrosso sind wir uns mit der Bundesregierung, allen Parteien im Deutschen Bundestag und übrigens neben fast allen anderen Verlagen auch mit dem Springer Verlag einig – und deshalb bitten wir Sie um Zustimmung zu unserem Antrag hier, zu dem nicht zuletzt auch gehört, dass die Länder für eine Umsetzbarkeit und eine Umsetzung des Pressegrosso-Systems sorgen müssen.