carsten werners

Für die „leise Stadt“ Bremen

In Politik, Stadt, Welt on 4. Mai 2012 at 15:00

Wir sind von unterschiedlichsten Lärmquellen umgeben. Lärm macht auf Dauer krank. Die Grünen haben für die Fortschreibung der Lärmaktionsplanung ein Positionspapier vorgestellt: „Bremen – leise Stadt“. Dabei geht es nicht um Friedhofsruhe oder Landleben in der City: Bremen soll lebendig und urban bleiben. Wenn wir uns aber für alltäglichen Lärm sensibilisieren, können wir anfangen, ihn besser zu vermeiden: Im Alltag, in der Wirtschaft, politisch, gesetzlich.

Lärmaktionsplanung für Bremen – Ein Positionspapier

Tausende Bürgerinnen und Bürger in Bremen sind durch unterschiedliche Lärmquellen (Flug,- Straßen‐, Bahnlärm, Lärm durch Gewerbe) in ihrer Lebens‐ und Wohnqualität beeinträchtigt. Der innenstadtnahe Flughafen, aber auch die Zunahme von Verkehren, insbesondere die erhebliche Erhöhung der Güterverkehre durch die Stadt, sorgen für einen deutlichen Anstieg der Lärmbelastung für die Bürgerinnen und Bürger Bremens. Gesundheitsbelastungen durch Lärm werden zunehmend erforscht und nachgewiesen. Zudem haben sich konkret die Lärmschutzmaßnahmen der Deutschen Bahn als unzureichend herausgestellt. Die Verantwortung für eine Reduzierung der Lärmbelastung für die Bevölkerung muss auch von der Kommune übernommen werden, indem die Aktionsplanung zur Lärmminderung aus dem Jahr 2008 fortgeschrieben und in ihren Maßnahmen ausgeweitet wird.

Von Lärm geht eine Gesundheitsbelastung aus, die in ihren Auswirkungen nicht unterschätzt werden darf. In ihrem ersten Bericht zur Abschätzung der Krankheitslast durch Umgebungslärm in Europa, den das Regionalbüro für Europa der Weltgesundheitsorganisation vorlegte, kommt die WHO zu der Schlussfolgerung, dass Verkehrslärm im Westen der Europäischen Region jährlich zum Verlust von über einer Million gesunden Lebensjahren führt, sei es durch Erkrankung, Behinderung oder vorzeitigen Tod. Lärmbelästigung kann zu Schlafstörungen führen und erhöht das Risiko für Herzinfarkte, Lernstörungen, Tinnitus und Depressionen. Forschungen besagen, dass unter lärmbedingten Gesundheitseinflüssen weit überproportional viele Frauen betroffen sind. Umweltlärm steht nach Luftverschmutzung an zweiter Stelle auf der Liste der krankheitsverursachenden Umweltfaktoren. Lärmreduzierung bedeutet nachhaltige und aktive Gesundheitsvorsorge.

Akustische Ruhe sorgt für mehr Wohlbefinden und Lebensqualität der Bevölkerung und eine Verbesserung der Aufenthaltsqualität für alle Menschen, die in Bremen unterwegs sind. Weniger Lärm bedeutet auch weniger Einschränkungen in der Stadtentwicklung: In einer modernen urbanen Stadt gehören Mobilität, Wohnen und Arbeiten zusammen. Lärmschutz ist hier auch in der Raumordnungspolitik und der städtebaulichen Planung mit zu berücksichtigen. In einer leisen Stadt steigt die Verweildauer und ‐qualität auf öffentlichen Plätzen und kommt somit sowohl dem Handel als auch dem Image der Stadt zugute.

Wirtschaftsverkehre tragen zur positiven Wirtschaftsentwicklung und zum Arbeitsplatzerhalt bei. Bei lärmsteigernden Wirkungen jedoch, wie z. B. der Zunahme des Schienenverkehrs durch Verkehre des Jade‐Weser‐Ports, müssen die betroffenen AnwohnerInnen Hilfe erwarten können. Da Lärmschutz ein übergeordnetes Thema ist, das alle Ressorts betrifft, ist eine Zusammenarbeit insbesondere des Senators für Umwelt, Bau und Verkehr, des Senators für Wirtschaft, Arbeit und Häfen und der Senatorin für Bildung, Wissenschaft und Gesundheit nötig.

Lärm hat viele Quellen: Neben dem Straßen‐ und Schienenverkehr sorgt auch der Luftverkehr für eine erhebliche Lärmbelastung. Weitere Belästigung entsteht durch Lärm von Gewerbe und Industrie sowie durch Baustellen. Lärm muss zuerst und vor allem dort bekämpft werden, wo er entsteht. Der Aktionsplan zur Lärmminderung in der Stadt Bremen muss auf den Grundlagen aktueller Lärmkartierung und aktueller gesundheitlicher Forschung weiterentwickelt werden, die sowohl die Gesamtlärmbelastung (Gesamtlärmindex) als auch die Lärmbelastung durch einzelne Lärmquellen berücksichtigen. Für aktive und passive Maßnahmen zur Reduzierung des Schallpegels muss die Mehrfachbelastung durch verschiedene Lärmquellen berücksichtigt werden.
Die Herabsetzung der maximal zu erreichenden Höchstwerte des Dauerschallpegels von 70 dB(A) auf 65 dB(A) tagsüber und von 60 dB(A) auf 55 dB(A) in der Nacht, die für die zweite Stufe des Aktionsplans bis spätestens 2013 vorgesehen ist, ist sicherzustellen. Auch diese Werte sind noch sehr hoch angesetzt: Für den Nachtzeitraum sind ab einem Dauerschallpegel von 30 bis 35 dB(A) innen bereits nachteilige Wirkungen auf den Nachtschlaf möglich. Die WHO empfiehlt daher, nachts einen Dauerschallpegel von 45 dB(A) im Außenbereich nicht zu überschreiten. Tagsüber sollte ein Dauerschallpegel von 55 dB(A) nicht überschritten werden, um eine erhebliche Belästigung zu vermeiden. Die Unterschreitung dieser Pegel stellt daher ein langfristiges Umweltqualitätsziel unter dem Gesichtspunkt des präventiven Gesundheitsschutzes dar.

Im Sinne der vielen Lärmgeplagten in unserer Stadt und in Anbetracht nicht abnehmender Lärmwerte durch die prognostizierte Zunahme der Verkehre müssen wir langfristig überall in der Stadt für Lärmreduzierung sorgen. Bremen – leise Stadt: Es wäre auch volkswirtschaftlich vorteilhaft, so die Lebensqualität und die Gesundheit entscheidend zu fördern und das Stadtimage noch weiter zu verbessern.

Wir Grünen fordern:
Die Lärmaktionsplanung für Bremen muss auf Grundlage aktueller Lärmkartierung und Gesundheitsforschung fortgeschrieben und in ihren Maßnahmen mit einem kommunalen Lärmaktionsprogramm, wie es jetzt im Haushalt vorgesehen ist (zusätzlich 200.000 Euro in 2012, zusätzlich 600.000 Euro in 2013), ausgeweitet werden.

Aktive und passive Lärmschutzmaßnahmen:
• Effektiver Lärmschutz an den Bahnlinien: Lärmschutz direkt an den Gleisen, lückenloser Bau von Lärmschutzwänden unabhängig vom Baujahr der betroffenen Wohnhäuser und Gleise.
• Maßnahmen zur Entdröhnung des Hauptbahnhofs.
• Einführung einer Geschwindigkeitsbegrenzung für Züge in der Nacht, wirksame lärmabhängige Trassenpreise, Umrüstung veralteter Güterwagen auf moderne und lärmarme Bremstechnik.
• Einführung von Tempolimits: flächendeckend Tempo 30 in Wohnstraßen, Reduzierung der Höchstgeschwindigkeiten auf Autobahnen in der Nähe von Wohnbebauungen, die noch nicht durch Lärmschutzwände geschützt sind.
• Lückenloser Lärmschutz an den Autobahnabschnitten der A 1 und A 27, in deren Nähe sich Wohnbebauungen befinden, verstärkter Einsatz von Flüsterasphalt.
• verstärkter Einsatz der Geschwindigkeitsbegrenzung auf Tempo 40 auf Bremens Straßen. Gerade auf Strecken, wo Tempo und Lärm reduziert werden soll, auf denen aber auch ÖPNV fährt, ist dies eine gute Möglichkeit, die den Betriebsablauf nicht empfindlich stört. Die Geräuschentwicklung von Bussen ist zudem dabei geringer als bei Tempo 30, was ein ständiger Umschaltpunkt des Automatikgetriebes ist.
• Reduzierung des Lärms durch den ÖPNV: mehr Rasengleise zur Schalldämmung, Ausbau des Einsatzes von Hybrid‐ und Elektrobussen.

Verkehrsvermeidungs‐ und Verkehrsumsteuerungskonzepte:
• Ausbau und Verbesserung des CarSharing‐Netzes (Ziel bis zum Jahr 2020: mindestens 20.000 CarSharerInnen, Entwicklung von zwei Modellquartieren für CarSharing).
• Entwicklung einer ökonomisch und ökologisch sinnvollen Innenstadt‐Logistik (Logistikkonzepte, die mit dem Einsatz moderner Telematik die Fahrzeugauslastung erhöhen, Transportmittel‐Sharing, Benutzervorteile für lärmarme Lieferfahrzeuge, Kooperation der Logistikunternehmen zur Bündelung der Ladung).
• Überarbeitung des Lkw‐Führungsnetzes, damit der Lkw‐Verkehr möglichst flüssig verläuft und weitgehend aus der Stadt herausgehalten wird, Ausweitung von LKW‐Fahrverboten.
• Förderung eines lärmreduzierten ÖPNV sowie des Fuß‐ und Radverkehrs in Bremen.
• Förderung der Elektromobilität: Schaffung von Umstiegsanreizen auf Elektrofahrzeuge durch öffentliche Ladesäulen mit Strom aus erneuerbaren Energien und Parkvorteilen in der Innenstadt, Pedelec‐Modellprojekte für PendlerInnen und TouristInnen durchaus auch im Verbund mit dem ÖPNV.
• Reduzierung des Fluglärms durch konsequente Einhaltung der Nachtflugbeschränkungen, Einführung einer achtstündigen Nachtruhe.

Lärmschutz in der Stadtraumplanung
• Langfristige Schallbegrenzung und ‐reduzierung durch schallmindernde Architektur und Raumplanung.
• Schaffung von Ruhezonen und Ruhepolen in der Stadt: leise Aufenthaltsorte, verkehrsberuhigte Zonen und mehr Fußgängerzonen – auch in Verbindung mit Grünzügen, öffentlichen Plätzen und öffentlichen Gebäuden – schaffen (nach Vorbildern Freiburgs, Oldenburgs, Zürichs oder Linz‘).
• Sensibilisierung für und Begrenzung von Beschallung im öffentlichen Raum und öffentlichen Gebäuden im Rahmen von Stadtentwicklung und ‐gestaltung.

Öffentliche Sensibilisierung
• Aufklärung über alle Quellen und Folgen von Lärmbelästigung im Rahmen von Umweltbildung und Soziokultur und Beteiligung der Bevölkerung an der Maßnahmenplanung zum Lärmschutz in der Stadt.
• Verstärkte Öffentlichkeitsarbeit für Bremen als „leise Stadt“ mit hohem und wachsendem Erholungsfaktor.
• Sensibilisierung für Umweltbeeinträchtigung durch Lärm mittels Umweltbildung, autofreie Veranstaltungen und Kulturprojekte.

Ralph Saxe, Dr. Maike Schaefer, Carsten Werner, Dr. Kirsten Kappert‐Gonther, Jan Saffe, Dr. Matthias Güldner und Fraktion Bündnis 90/ DIE GRÜNEN.

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