Die sehr erfolgreiche Vermarktung und Entwicklung von Flächen und Immobilien in der Überseestadt soll selbstverständlich weitergeführt werden. Es ist nun aber an der Zeit, sich auch der sozialen, ökologischen und kulturellen Entwicklung der Überseestadt wie auch dem Verkehr und der Stadtentwicklung im Zusammenhang benachbarter Quartiere zu widmen.
Die Große Anfrage von SPD und Grünen vom 10. Juli 2012, Drucksache 18/199 S, und dazu die Antwort des Senats vom 16. Oktober 2012, Drucksache 18/228 S – und hier meine Rede vom 20.11.2012 dazu:
Sehr geehrter Herr Präsident, meine Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen,
Ich möchte mich bedanken für die ausführliche Antwort des Senats auf unsere Große Anfrage zur ressortübergreifenden Weiterentwicklung der Überseestadt und den 4. Entwicklungsbericht zur Überseestadt. Beide führen – wieder, muss man ja inzwischen sagen – eindrucksvoll vor Augen, was für ein großer Vermarktungserfolg und Entwicklungserfolg die Schaffung dieses neuen Ortsteils von Walle ist. Da sind wir uns glaube ich hier im Haus alle einig.
Ich will aber auch nicht verhehlen, dass es mich ein bisschen irritiert hat, dass es für den Gesamtsenat drei Monate dauert, ressortübergreifend gemeinsam aufzuschreiben, wie toll es in der Überseestadt läuft.
Wir haben ja natürlich ganz bewusst nach der ressortübergreifenden Weiter-Entwicklung der Überseestadt gefragt. Denn so unstrittig erfolgreich die bisherige Entwicklung ist – so offenkundig liegt auch jetzt vor uns, dass die Entwicklung jetzt einen zusätzlichen, anderen Dreh kriegen muss: Seit zehn Jahren siedeln sich dort Menschen an – mit kleinen oder großen Investitionen, mit ganz verschiedenen Erwartungen ans Arbeiten dort als Kreativer, für Handel und Gastronomie, für Industrie, Handwerk oder Unterhaltung – und mit ganz verschiedenen Erwartungen ans Leben in der Überseestadt; als Bewohner oder Besucher oder Arbeitende.
Unterschiedliche Erwartungen, Hoffnungen und Anforderungen bergen auch Konflikte. So fühlen sich gerade die Pioniere der Kreativwirtschaft in der Überseestadt aktuell bedroht durch steigende Preise und rar werdende Nischen und Zwischennutzungsmöglichkeiten. Wie eine Verstetigung für die derzeitigen Nutzer dort z.B. im Schuppen 3 und im Gebäude der Anbiethalle realisiert werden kann, ist ja noch nicht so klar, wenn deren Mietverträge auslaufen. Gleichzeitig schimpfen die ersten Bewohner schon über Baulärm, die Bestandsindustrie sorgt sich um ihre langfristigen Entwicklungsmöglichkeiten– und erste Unternehmungen erweisen sich auch mal als nicht so erfolgreich und müssen wieder schließen. Das ist alles kein Drama und diese Sorgen lassen sich alle erklären, hoffentlich und bestimmt auch ausräumen. Das heißt: Es geht nicht mehr nur um Vermarktung, es geht in der Überseestadt jetzt auch um soziale, gesellschaftliche Fragen, es geht dort um Lebensumfeld und um Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen, um Freizeitgestaltung: Die Überseestadt kommt im Leben an und das ist gut so.
Damit verschieben sich die Aufgaben und unserer Ansicht nach auch die Kompetenzen und Zuständigkeiten für das Gebiet: Dort muss jetzt neben der weiteren Flächenvermarktung auch ins Leben, in Lebendigkeit und Öffentlichkeit investiert werden. Da ist es mit einem Beirat aus Bestands-Wirtschaft und Politik nicht mehr getan – der bezeichnenderweise auch nicht ein einziges Mal mehr getagt hat, seit dieses Parlament hier gewählt wurde. Das geht so nicht!
Bremen gilt als vorbildlich bei der Beteiligung von Beiräten, betroffenen und interessierten Bürgern in der Quartiersentwicklung. Wir haben mit immensem Aufwand – und ich finde auch Erfolg – das Leitbild Bremen 2020 und das Innenstadtkonzept Bremen 2020 entwickelt; gestern gerade wurde die Internet-Beteiligung zum Verkehrsentwicklungsplan gestartet und in wenigen Tagen beginnt die öffentliche Beteiligung zum neuen Flächennutzungsplan Bremens. – Und mir fällt überhaupt kein guter Grund ein, warum wir diese Qualitäten nicht auch für die Überseestadt nutzen und sie auch der Überseestadt angedeihen lassen sollten!
Und ein weiterer Punkt ist mir wichtig: Damit die Überseestadt lebendig wird und bleibt, müssen dort erschwingliche Wohnungen – noch erschwinglicher, als es bis heute der Fall ist – angeboten werden. Ich bin unserem Bürgermeister sehr dankbar, dass er darauf immer wieder hinweist! Und das ist nicht nur eine Frage des Preises, auch eine der Lebensart und Lebensqualität dort: Wir wollen nicht, dass die Überseestadt eine Schlafstadt wird, wie das vor ein paar Jahrzehnten mit dem Teerhof mitten in der Stadt passiert ist. Die Überseestadt braucht deshalb Infrastrukturen für sozial gemischte Anwohner – für Familien und Singles, für Ältere und Jüngere, für Studenten. Die Akteure der Kultur- und Kreativwirtschaft sind übrigens – das wurde ja gestern Abend gerade auf einer sehr guten Veranstaltung der SPD-Fraktion sehr deutlich – vielfach Geringverdiener , und deshalb auch sehr auf günstigen Wohnraum angewiesen, der sich vielleicht mit Arbeitsraum kombiniert. Deshalb ist uns Grünen wichtig, dass das Blauhaus realisiert werden kann, dass der Skaterpark gebaut und auch betrieben werden kann und dass Studentenwohnungen, Kita und auch Kultur endlich wirklich dort angesiedelt werden. …
… Kultur auch im Sinne von Auseinandersetzung, Intervention und Impulsen für das städtische Leben – und nicht als Geheimoperation in Großprojekten. Und ich sage ganz klar: Das alles – Wohnen, Leben, öffentliche Räume, und das alles attraktiv und bezahlbar – ist uns wichtiger als das Sinnieren über Skianlagen, Legoländer und sowas! Und das muss hier und da auch Vorrang haben vor der Höchstpreisvermarktung von Flächen!
Wenn es für den Schuppen 3 die Möglichkeit gibt, hier ein wenig Hafenambiente, Wasserlage, Durchlässigkeit, Wandel und Lebendigkeit zu erhalten, zu signalisieren und auch für Menschen verfügbar zu halten – die da schon seit Jahren sind aus der Kultur- und Kreativwirtschaft; arbeitende, konsumierende Menschen – dann sollten wir diese Chance ergreifen!
Es gibt so viel urbremisches Interesse, so viel lokale Sympathie, so viele bremische Ideen zur Überseestadt, dass es Zeit wird, die aufzunehmen, anzunehmen, auch mal zu kanalisieren, öffentlich zu diskutieren und weiter zu treiben. Wir können es doch nicht dem Weser-Kurier überlassen, jede Woche eine neue, in Wirklichkeit Jahre alte, Nutzungsidee von Bremer Entwicklern für den Schuppen 3 zu diskutieren?!
Liebe Senatoren und Senatorinnen, tun Sie das bitte ressortübergreifend, sich in den Kompetenzen und Talenten Ihrer Ressorts ergänzend. Wir erwarten viel von einem neuen Beirat Überseestadt – und dessen Neuaufstellung sagen Sie in Ihrer Antwort ja für Anfang 2013 auch zu. Nehmen Sie diese Neuaufstellung bitte auch zum Anlass, auch die Zuständigkeiten und Aufgaben für die Überseestadt innerhalb Ihrer Ressorts weiter zu justieren.
Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
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Liebe Frau Bernhard: Sie haben jetzt noch mal kräftig die Klischees gemixt und aufgerührt, die wir eben gerne vermeiden und abbauen möchten. Sie ja auch. Lassen Sie doch den Klassenkampf weg und wir sind uns einfach einig?! Alle Redner haben hier angemahnt, dass es bezahlbares Wohnen in der Überseestadt geben muss.
Herr Senator Günthner, Sie haben Einiges – viel Positives – zur Kultur- und Kreativwirtschaft gesagt. Bitte achten Sie darauf, das die Kreativen da auch bleiben, auch leben und wohnen können! Die Netzwerke der Kreativwirtschaft sind das eine, die sind wirklich vorbildlich und erfolgreich in Bremen – aber die kleinen, einzelnen Kreativen, die Klein- und Kleinstunternehmen, sind auf günstigen Wohn- und Arbeitsraum angewiesen und die können auch nicht 8 Euro pro Quadratmeter bezahlen. Und Co-Working-Spaces, liebe Frau Bernhard, sind keine Glitzerpaläste: Co-Working heißt Zusammenarbeit! Da geht es um Bürogemeinschaften, um 15, 20 Quadratmeter für ein Tonstudio oder ein Fotostudio. Ich habe mit dem Kollegen Ralph Saxe die Kreativen dort heute morgen besucht: Da geht es um Künstlerateliers, 1,2 Filmschnittplätze, ein bisschen Platz für Computerarbeitsplätze, um eine handwerkliche Handtaschenproduktion oder eine kleine Tischlerei.
Noch einmal kurz zu Kunst und Kultur:
Sich mit der Weserburg ein zeitgenössisches Museum in der Überseestadt vorzustellen, gefällt mir prinzipiell erst einmal nicht schlecht – ob sich das realisieren lässt, da kommt es natürlich noch auf die Finanzierung an und auch auf das Konzept, dass mit so einem Umzug verbunden wäre. Und wenn es mit dem Motorschiff Stubnitz die Chance gibt, die Weser und den Hafen – die ja jetzt sozusagen endlich in der City angekommen sind – auch heute wieder, neu aufgeladen, für internationalen Austausch zu nutzen, dann sollten wir diese Möglichkeit schaffen! Auch wenn und gerade weil das Projekte sind, die nicht an vorderster Front der Freizeitindustrie glitzern. Kunst im öffentlichen Raum wäre auch toll. Aber lassen Sie uns das alles öffentlich und offen diskutieren. – Kulturentwicklung geht, genau wie Stadtentwicklung, nicht als Geheimoperation.
Herzlichen Dank.
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