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Mehr … Grau wagen!

In Ideenwirtschaft, Kunst, Politik, Stadt on 27. März 2015 at 12:11

„Schlafstadt“ oder „Kulturstadt“ – wo ist der Widerspruch?

„Wohnen“ oder „Kultur“, „Bürger“ gegen „Feiern“, „Ruhe“ vs. „Leben“ – gar von „Krieg“, „Vertreibung“ und „Vernichtung“ war die Rede in den letzten Tagen: „bunt“ gegen „bieder“, live – aber leise. Braucht Kultur Wirtschaft – oder braucht Wirtschaft Kultur? Das „Viertel“ bebt. Das „Viertel“ lebt. Und andere Stadtteile wie die Neustadt seien auch „bedroht“. Nicht. Nein, ich meine: Wir brauchen auch in dieser spannenden Debatte etwas mehr Grau statt bösem Schwarz und strahlendem Weiß.

Ich halte das für Quatsch, dass „hier Wohn- & Lebensqualität“ und „da Kultur & Feierbedürfnis“ sich so widersprüchlich gegenüber gestellt werden. Zur Wohn- und Lebensqualität gehört Kultur. Zu den größten Schimpfern gegen Musik und Partylaune gehören auch Künstler, Kultur-Genießer und -Kunden – für die Ruhe und besonders Nachtruhe zu einem kulturvollen Leben dazugehören. Zu Recht. Und für die Partypeople gehört Dauerparty mindestens am Wochenende zu ihrer Kultur. Die Begriffe sind also unscharf geworden.

Der Rücksichtslosigkeit gegenüber Anwohnern wird von einzelnen Anwohnern mit Rücksichtslosigkeit begegnet: Sie klagen – nicht gegen grölende oder randalierende Passanten, nicht gegen röhrende Autos, sondern gegen Gastronomen und Veranstalter. Die wiederum sorgen zwischen diesen Fronten auf der Straße für Ruhe – und in manchem heiß- und vollgelaufenen Kopf für einen Ansatz an Bewusstsein für die städtische Umwelt und die Mitmenschen im Bett nebenan.

Dabei haben alle ein großes und gemeinsames Anliegen und Interesse: Ein lebendiges, quirliges, ein Stück weit unberechenbares, überraschendes „Viertel“ – auch für Gäste aus den anderen Stadtteilen.

Wäre das nicht so, würden sich die einen oder die anderen zurückziehen – den Schaden hätte das Quartier: Es würde nach und nach entweder zur Systemgastronomie-Meile – oder zur Schlafstadt.

Es muss wieder gelingen, das Zusammenleben von Kulturen positiv und nicht störend wahrzunehmen – was wir global postulieren, gilt auch im Quartier. Und Lärm und Dreck (und auch überbordender Kommerz ohne Verantwortung) müssen da identifiziert werden, wo sie entstehen und wo sie Lebensbedingungen, Zusammenleben stören.

Also einmal tief Luftholen, bitte! Der Ton macht die Musik.

“Ja, das möchste:
Eine Villa im Grünen mit großer Terrasse,
vorn die Ostsee, hinten die Friedrichstraße;
mit schöner Aussicht, ländlich-mondän,
vom Badezimmer ist die Zugspitze zu sehn
aber abends zum Kino hast dus nicht weit.“
Kurt Tucholsky

Und jetzt: Reden hilft!

Beschwerden und Klagen von Anwohnern treffen nun ausgerechnet die Lokale, die greifbar und identifizierbar sind, weil ihre Konzerte einen Anfang und ein Ende und eine messbare Lautstärke haben. Die Gastronomen und Veranstalter haben Adresse und Namen – sie sind schlicht ansprechbarer als der grölende Junggesellenabschied, randalierende Hooligans, röhrende PS-Protzer, frustrierte Parkplatzsucher oder nächtliche Toilettenvermisser (huch … hab ich hier vergessen zu gendern, oder haben die Phänomene eine bestimmte Genderspezifik? ;-) ) – und auch ansprechbarer als die Hierarchien der Systemgastronomie oder aus dem Boden schießende und wieder verschwindende Quickshops. Dieses Schicksal der (An-)Greifbarkeit für hörbares Lebensäußerungen und Kunst teilen sie übrigens mit den klassischen Kultureinrichtungen wie Theatern und Kinos, mit Kindertagesstätten und sogar mit Federvieh.

Kinder machen keinen Lärm. Kultur ist keine unzulässige Zumutung. Aber Stadt bedeutet Konflikt: Nutzungskonflikt, Schnittmenge, Begegnung Kollision, Clash. Sönke Busch hat dazu eine wundervolle Rede gehalten.

Dem Stress werden wir nicht mit immer mehr „Rechten“ begegnen können. Neue Grenz- und Messwerte, „Schutzgebiete“ und dergleichen fordern Zeit, Regeln, Kontolle – und werden immer wieder er- oder beklagt werden. Wir brauchen eine neue, erweiterte Kultur des Umgangs. Die Anwohner-Schutzmaßnahmen der Kneipiers und Veranstalter sind dafür ein sehr gutes Vorbild und ein guter Ausgangspunkt: Auf der Straße miteinander sprechen, für Wahrnehmung sorgen. Das heißt nicht: Security. Ich finde zum Beispiel die Idee eines von der Szene gemeinsam gewählten „Nachtbürgermeisters“ interessant, die in Amsterdam und Paris gut funktioniert. Berlin schickt neuerdings Pantomime auf die nächtlichen Straßen. Auch die in verschiedenen Bremer Quartieren ehrenamtlich das Nachtlebens begleitenden „Nachtwanderer“ könnten ein Ansatz sein, ein eigenes Modell fürs „Viertel“ aufzubauen. Vielleicht sind die kursierenden Ideen für „Kulturkioske“ an den alten Kiosk-Standorten am Ulrichsplatz oder am Ziegenmarkt eine weitere Diskussion wert.

Kultur sind auch Fernsehen und Disko, Internet und Fußballbundesliga, Essen und Trinken. Auch Stadtnatur und öffentliche Freiräume. Wir haben dafür einiges erreicht – die ZwischenZeitZentrale leistet einen großen Beitrag dazu in Bremen, ebenso wie verantwortungsvolle und kommunikationsbereite Quartiersgastronomen, das sozial motivierte „Zuckerwerk“ und Urban-Gardening-Projekte wie z.B. am Lucie-Flechtmann-Platz. Was der Streit und die Diskussionen offenbaren: Wir müssen für die Kulturstadt Bremen einstehen!

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Dabei müssen wir all das, was die Digitalisierung mit uns macht, in politische Überlegungen einbeziehen: Denn die Digitalisierung verändert nicht nur die Wirtschaft, den Einzelhandel, die Medienlandschaft und politische Beteiligung. Die selbstverständlich gewordene Digitalisierung definiert auch das Verhältnis von „Privat(heit)“ und „Öffentlich(keit)“ völlig neu. In unseren Veranstaltungen mit dem Stadtarchitekten Jan Gehl und mit dem Architektur- und Kulturjournalisten Hanno Rauterberg haben wir gelernt, wie wichtig das Maßstabsverhältnis zwischen Menschen und Bauten ist – und wie und wo das Gefühl von Privatheit das Erleben und Handeln von Menschen prägt.

Wenn wir also über die Zukunft des Stadtlebens, nicht nur im „Viertel“, sprechen, dann dürfen sich nicht Anwohner und Kneipen, nicht Künstler und Wirtschaft, nicht Gäste und Einheimische unversöhnlich gegenüberstehen: Dann zeigt sich viel mehr, dass unser Zusammenleben empfindlich gestört wird von Verkehrslärm, von fehlender gegenseitiger Rücksichtnahme und Wahrnehmung, von unverständlich und unverbindlich gewordenen Bildern von „Kommerz“ und auch von „Kultur“. Die wieder zu schärfen, bleibt unsere Aufgabe.

Politisch muss Kultur mehr sein als Künstler- und Veranstaltungsförderung: Wir müssen „Kultur“ viel stärker jenseits der bestehenden senatorischen Ressortgrenzen diskutieren. Es geht nicht immer gleich um Umwegrentabilitäten oder Kunstfreiheit  – es geht im eigenen Kiez und Quartier darum, hier zusammen zu leben, gemeinwohlorientiert zu planen, zusammen zu gestalten. Es geht um Empathie, Respekt und Spaß am Leben. Um das zu erkennen, sind Streit und laute Töne gar nicht schlecht. Und viel mehr Grau.

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Anfrage in der Fragestunde der Bremischen Bürgerschaft (April) – Fraktion Bündnis 90/DIE GRÜNEN:
Bremen ist eine Kulturstadt – in allen Quartieren

Wir fragen den Senat:

1. Welche Stellen sind in Bremen für Beratungen, Genehmigungen, Unterstützung und Konfliktlösungen im Bereich nicht staatlich geförderter Kulturangebote zuständig?

2. Wie bewertet der Senat in anderen Städten eingesetzte sogenannte „Nachtbürgermeister“ oder ehrenamtliche „Nachtwanderer“ als Möglichkeit, die Akzeptanz für kulturelle Angebote in Nachbarschaft zu Wohnbebauung oder zu Industrie- und Gewerbenutzung zu stärken, und welche alternativen Maßnahmen befürwortet der Senat?

3. Wie bewertet der Senat durch Kulturangebote im öffentlichen Raum ausgelöste Verkehrs-, Abfall- und andere Umweltbelastungen und wie könnte denen in den Quartieren besser begegnet werden?

Carsten Werner​, Dr. Matthias Güldner und Fraktion Bündnis 90/Die Grünen

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Das sollten wir nicht verschenken!

In Ideenwirtschaft, Politik, Stadt, wörtlich! on 3. März 2014 at 19:53

Ich meine, dass wir es uns nicht leisten können, auf die Kompetenz und das Engagement von Bürgern und Bürgerinnen, Unternehmen und Initiativen zu verzichten.

Wir Grünen stehen für Basisdemokratie und Bürgerbeteiligung in den demokratischen Prozessen – und historisch steht unsere Partei für die Integration von Bewegungen und Ideen aus dem außerparlamentarischen Raum, aus der Bevölkerung, in politische, parlamentarische, demokratische Prozesse. Das Ausdiskutieren von Positionen, das Integrieren von Bewegungen, das Aushalten von Konflikten war nicht immer einfach – aber produktiv: „Grüne Themen“ sind Common Sense geworden, grüne Kompetenz ist überall gefragt. Dafür stehen als Schlusspointe des vergangenen Wahljahres 2013 auch einige „grüne“ Personalien der schwarz-roten GroKo in Berlin.

Ich meine: Wir können es uns auch in Zukunft nicht leisten, auf die Kompetenz und das Engagement von Bürgern und Bürgerinnen, Initiativen und Unternehmen zu verzichten. Als Partei wäre es dumm, auf den Rat und die Expertise von Freunden und Kritikern zu verzichten – von der Quartiersentwicklung über privates Nachhaltigkeits- und Energieverhalten bis hin zu den demografischen und kulturellen Entwicklungen einer mobilen und digitalen Gesellschaft sollten wir immer wieder genau auf die vielfältigen Erfahrungen unserer Mitglieder, vor allem aber auch sympathisierender Freunde vertrauen – und uns auch jenseits der parlamentarischen Gremien und der medialen Öffentlichkeit mit Mitbewerbern und Konkurrenten auseinandersetzen.

Zu oft begreifen und vernachlässigen wir inhaltliche Inputs als „Antragsprosa“ für verkappte Finanzierungsbegründungen; zu oft wird Engagement als freakig oder egoistisch abgestempelt und weggeheftet; zu oft tun wir Ansichten ab, weil sie vermeintlich „gegnerische“ sind. Aber anders herum wird ein Schuh draus: Als Partei müssen wir uns mit allen beschäftigen, die uns nah, aber nicht unbedingt vollkommen grün sind – von der Piratenpartei bis zu den Wirtschaftsverbänden, vom Urban Gardening bis zu privaten Sozial-, Bildungs- und Kulturangeboten. Und als Regierungspartner können wir es uns finanziell gar nicht leisten, auf die „kommunale Intelligenz“ der Nachbarschaften und Communities, von sachkundigen BürgerInnen und interessierten Gruppen zu verzichten! Gerade in Zeiten knapper Finanzmittel müssen wir Privatinitiative und Bürgerengagement als wichtige Ressource begreifen.

Bürgerbeteiligung darf sich deshalb nicht auf demokratische Verfahren einerseits und auf Protest-Management andererseits beschränken: Zukunftswerkstätten – wie sie zum Beispiel die Bürgerinitiativen zum Osterfeuerberger Ring, zur Waller Mitte am Dedesdorfer Platz begonnen haben, wie sie der Bausenator zur Entwicklung des Leitbildes „Bremen 2020“ oder zur Zukunft des neuen Hulsberg-Viertels oder wie sie das Kreativwirtschafts-Projekt „Brennerei“ für die Zukunft des Bürgerparks und seiner Finanzierung durchgeführt haben – sind nachhaltig im besten Sinne: Sie stimulieren und motivieren gesellschaftliche Entwicklung mit nachbarschaftlichem Engagement, schaffen Identifikation und sparen so soziale Folgekosten. Sie ermöglichen Vielfalt, realisieren Experimente und Visionen – und verankern mit Ideen, Fantasie und Kompetenz notwendige Veränderungen und Neuerungen frühzeitig in der Stadtgesellschaft.

Wir müssen deshalb Bürgerinnen und Bürger unterstützen und immer wieder in die Lage versetzen, zum Gemeinwohl beizutragen. Dazu gehört eine offene Informations- und Motivationspolitik. Und dazu gehört auch, die politischen Wege und Verwaltungsprozesse noch transparenter zu machen: Klar zu machen, in welchen Rahmen, zwischen welchen Anliegen und Interessen und in welchen rechtlichen, technischen und auch finanziellen, zeitlichen und personellen Grenzen Beteiligung notwendig und möglich ist, und in welchen Rahmen und Grenzen Vorhaben geplant und realisiert werden können. Denn Bürgerbeteiligung ist kein Wunschkonzert und ist weder Vorfahrts- noch Einbahnstraße.

Wenn in Zukunftswerkstätten, für Entwicklungsagenturen und an Runden Tischen von vornherein klar ist, welche Erkenntnisse gewonnen, welche Verfahrensschritte erreicht werden sollen, wessen Entscheidungen damit vorbereitet werden – und was NICHT –, dann kann die konstruktive Teilhabe an solchen Prozessen auch über den berüchtigten eigenen Tellerrand und Gartenzaun hinaus befriedigend sein. Die daraus auch entstehende Kompetenzerweiterung ist ein echter Mehrwert!

Durch die Förderung von gemeinwohlorientiertem Bauen durch Baugruppen, Selbstnutzer und Genossenschaften, durch die Stärkung von Nachbarschaften und Ehrenämtern, durch die Unterstützung privater Kinderbetreuung, durch Sozial- und Kulturangebote in privaten, auch neuen Trägerstrukturen – und natürlich durch vielseitige Teilhabe an allen Facetten des gesellschaftlichen Lebens kann der Zusammenhalt der Städte und Quartiere konkret gestärkt und nachhaltig gestaltet werden. So können Sicherheits- und Reparaturkosten, soziale Schief- und Notlagen begrenzt werden.

Bremen kann es sich nicht leisten, auf das Wissen, die Ideen, die Fähigkeiten und die Hilfe seiner BürgerInnen zu verzichten. Deshalb wünsche ich mir für die nächsten Jahre noch mehr konstruktive Bürgerbeteiligung – mit Ideen und Impulsen der BürgerInnen, mit ihrer Kompetenz, Spezialisierung und Betroffenheit, mit sichtbaren Ergebnissen – und mit einer dazu auch neu zu entwickelnden Kultur der Anerkennung und des Dankes.

Als Projekte bieten sich neben Quartiers- und Stadtentwicklungsthemen dafür auch andere Politikbereiche an: Das „Zuckerwerk“ hat eine Wertschätzung und Anerkennung wie die Bürgerhäuser oder wie das Musikfest verdient! Das Stadtmarketing kann zu einem ureigenen Projekt der BürgerInnen Bremens weiterentwickelt werden – Mundpropaganda, Spezialistenwissen first!. Die Innenstadt muss von und für BürgerInnen ein Stück weit für das öffentliche Leben auch jenseits des Shoppings zurückerobert werden. In Ampelworkshops können in Hamburg die Verkehrsteilnehmer aller Verkehrsarten ihre spezifischen Erfahrungen einbringen und lernen, die Perspektiven der anderen berücksichtigen. In Sharing-Börsen kann „Nutzen statt Besitzen“ erprobt und als Kultur einer solidarischen Ökonomie etabliert werden. Eine Bremer „Kulturloge“ kann kulturelle Teilhabe für Menschen mit geringem Einkommen in der Veranstaltungswirtschaft und der Kulturszene organisieren. – So wird Kompetenz konkret wirksam. Ich meine: Wir sollten das nicht verschenken!

Gegen Internet-Panik: Muttis Pillen schlucken

In Medien, wörtlich!, Welt on 20. Juni 2013 at 09:42

Der Spruch der Bundeskanzlerin vom #Neuland, das „auch Feinden und Gegnern unserer demokratischen Grundordnung (ermöglicht), mit völlig neuen Möglichkeiten und völlig neuen Herangehensweisen unsere Art zu leben in Gefahr zu bringen“, ist eine Binsenweisheit. „Das Internet ist Neuland“ wäre so richtig und so überflüssig als Aussage wie „Nachts ist es kälter als draußen“ – wenn nicht der Kontext des Gesagten (NSA, Prism, VDA) daraus eine hochpolitische Beruhigungspille á la „Die Ersparnisse der Deutschen sind sicher“ daraus machen würde: Weil das so neu ist, darf auch mal was schiefgehen? Prism und Tempora, das Planen und Agieren der Geheimdienste als Panne in einem Zukunftsexperiment? Bei dem „die „Feinde“ witzigerweise mal so ein bisschen keck im eigenen Freundes- und Kulturkreis sitzen?

Da ist nichts schiefgegangen – sondern gerade in diesem Kontext ist das Internet alles andere als Neuland: Planvoll entwickelte und angewandte Technik. Das macht den Satz zum Politikum. Mutti ist nicht technisch unbefangen, sondern sie will sagen: Kümmert Euch nicht drum, fragt nicht, zweifelt nicht, redet nicht so aufgeregt drüber – wir regeln das. Das mag Fortschritts-Ängstliche und Veränderungspaniker beruhigen. Für Skeptiker, Techniker, Intellektuelle, Fortschrittswillige muss es bedrohlich klingen.

Denn natürlich weiß Merkel ja sehr genau, dass das Internet einzusetzen, zu benutzen und zu verstehen (und das meint nicht Surfen, Mailen, Googeln!) ein wichtiger Teil ihres Jobs ist. Nicht, dass sie „keine Ideen und Zukunftsvisionen“ hätte, wie viele Akteure der Netzkultur jetzt grienen und greinen, ist das Problem damit. Sondern gerade die vorhandenen Ideen und Visionen von ihr, ihrer Partei, ihrer Regierung, deren Verbündeten (aber eben auch und vor allem weit über Partei- und Landesgrenzen hinaus) müssen einem Angst und Sorgen machen: Prism und Tempora sind kein Unfall und technisch und rechtlich gesehen eigentlich auch keine Überraschung – sondern staatliches Handeln. Totale Überwachung ist nicht mehr eine witzige oder beängstigende Idee George Orwells, keine Verschwörungstheorie oder ein durch Datensparsamkeit und Medienkompetenz irgendwie zu umgehendes Risiko: Totale Überwachung ist Realität. Damit werden wir leben müssen.

Das Internet ist für Angela Merkels Regierung kein Neuland, kein Experiment, sondern ein strategisch und vielfältig beackertes Feld. – zeit.de fasst das zusammen: „Vorratsdatenspeicherung, Netzsperren, Bestandsdatenauskunft, Staatstrojaner, Leistungsschutzrecht und die ausbleibende Reform des Urheberrechts, der stockende Breitbandausbau, eine Stiftung Datenschutz ohne Datenschützer, die Blockade der EU-Datenschutzverordnung, die Weigerung, Netzneutralität gesetzlich festzuschreiben, die gescheiterte Selbstverpflichtung für soziale Netzwerke, sich an deutsches Datenschutzrecht zu halten und nun auch noch ein geplanter Ausbau der Internetüberwachung beim BND – so sieht die netzpolitische Bilanz der schwarz-gelben Regierung nach zwei Legislaturperioden aus.“ Und das alles aus Unkenntnis, Unerfahrenheit, Unwissen, nun endlich eingestanden? Nein, dahinter stehen Haltungen zu Freiheit und Sicherheit, zu Privatheit, Individualismus und Veränderungen, dahinter stehen Klientel und Lobbyisten, dahinter steht ein Staatsverständnis und eine Haltung zu Bürgerrechten.

„Wirtschaftswachstum ist nicht das Maß der Dinge – neue Indikatoren für Wohlstand und Lebensqualität“

In Politik, wörtlich!, Welt on 5. Juni 2013 at 18:42

(M)ein(e) paar Argumente für das Grüne Wahlprogramm-Schlüsselprojekt Nr. 5:

„Mein Projekt“: Nr. 05 – „Wirtschaftswachstum ist nicht das Maß der Dinge – neue Indikatoren für Wohlstand und Lebensqualität“

Wirtschaftswachstum ist nicht das Maß aller Dinge und das Maß von Wohlstand – wir wollen neue Indikatoren und Maßstäbe für Wohlstand und für Lebensqualität in die Politik und ins staatliche Tun bringen. Bisher ist der Maßstab dafür das Bruttoinlandsprodukt – das steigt aber auch durch Umweltverschmutzung, Unfälle, Krankheiten und Umweltkatastrophen und deren Beseitigung.

Ich finde, dass Politik noch viel mehr auch immaterielle Werte zum Maßstab von staatlichem Handeln machen muss. Dabei und dazu muss man gesellschaftliche Realitäten anerkennen. Die zu sehen und wertzuschätzen, wären schon ein wichtiger Schritt in Richtung neuer Kriterien für Lebensqualität. Das gilt von der Mehrstaatigkeit bis zur Homoehe, in der Familienpolitik und auch für die Arbeitswelt:

Die Welt ist viel bunter und vielfältiger, als das viele Gesetze und Vorschriften und auch die Besetzung vieler Gremien vorsehen. Individuelle Lebensformen und individuelle Arten, zu arbeiten oder zu wohnen, Aus- und Freizeiten zu nutzen  – Vieles  hat sich in den letzten Jahren und Jahrzehnten verändert im Zusammenleben und in der Zusammensetzung unserer Gesellschaft. Deutschland ist eine Einwanderungsgesellschaft, eine moderne und bunte, vielfältige, kreative Gesellschaft.

Wir müssen raus aus den vielen Parallelwelten , müssen Nachbarschaft und Stadt gemeinsam leben und entwickeln. Freiheit muss nicht immer die Freiheit VON sein – Freiheit ist vor allem auch die Freiheit ZU … – gestaltetem Leben, zu Selbstvertrauen und Selbstbewusstsein, Freiheit zur Gestaltung und Wahrnehmung.

Deshalb ist uns Grünen eine Beteiligungskultur nicht nur im politischen Bereich wichtig, sondern im ganzen Stadtleben, in der sozialen Verantwortung, in der Entwicklung unseres Gemeinwesens, in der wirtschaftlichen Teilhabe. Was und wer „gesellschaftlich relevant“ ist, wie das immer etwas technokratisch heißt, müssen wir neu verhandeln und ständig aktualisieren.

Wenn wir Vielfalt und Indiviualität als Wert verstehen und zur Grundlage von Politik machen, dann ergibt sich daraus ein Mehrwert an Möglichkeiten, an Erfahrungen und Kompetenz für alle Lebensbereiche – und auch andere, weitere Maßstäbe für Wohlstand:

–         Eine lebenswerte Umwelt  – der Stadtraum, der einlädt zum Verweilen und zum Austausch, intakte und gesunde Grünräume, saubere Luft, bezahlbares Wasser: Alles das ist Wohlstand! Und der ökologische Fußabdruck ist so messbar wie das alte Bruttoinlandsprodukt.

–         Zeit muss für die Politik eine wichtigere Rolle spielen: Zeit, die gutes Leben ausmacht: Zeit für die Familie, Zeit für Muße und Innovationen, Zeit für Kultur und Gefühle, Zeit für Nachbarn und Mitmenschen – Zeit für Wahrnehmung. Auch Zeit ist sehr einfach messbar.

–         Vielfalt und Diversität, Austausch und Interaktion sind in der Wirtschaft, im sozialen und kulturellen Bereich genau so wichtig für Entwicklungen und Innovationen, wie sie wichtig für Umwelt und Evolution sind – bunt sind nicht nur Werbung und Konsum.

–         Und Konsum muss nicht nur Shopping und Verbrauch sein – Konsum ist auch der Genuss von gutem Essen, von Musik und Filmen und Literatur: Auch den kann man messen – in Wissen, in Gesundheit, in Zeit.

–         Wissen und Kreativität sind wichtige, unbegrenzte und erweiterbare Ressourcen einer freien und freiheitlichen Gesellschaft – Geld ist dafür nur eine von vielen Maßeinheiten.

In allen diesen Bereichen ist das Wachstumspotential riesig – und der Wohlfühlfaktor, der subjektive und individuelle Wohlstand, effektive Lebensqualität sind gar nicht so schwierig zu erreichen; wenn wir sie wahrnehmen, sie auch politisch und ökonomisch anerkennen – sie möglich machen und wirken lassen.

Deshalb bin ich für eine Nachhaltigkeitsberichterstattung in Wirtschaft und Gesellschaft, für soziale und ökologische Kennzahlen, für soziale und kulturelle Parameter bei der Bemessung wirtschaftlicher und gesellschaftlicher Erfolge und Entwicklungen.

… und dazu gibt es natürlich noch ein paar mehr Projekte, die mir am Herzen liegen:


Nachahmung erwünscht: Bürgerbeteiligung vervielfältigen!

In Ideenwirtschaft, Politik, Stadt, wörtlich! on 21. Mai 2013 at 15:07

Die Grünen haben eine Kleine Anfrage zur Evaluation und Nutzbarmachung von Erfahrungen in Projekten der Bürgerbeteiligung an den Senat gerichtet. Denn Bremens Vorreiterrolle in differenzierter und frühzeitiger Bürgerbeteiligung sollte ausgebaut, kommuniziert und weiterentwickelt werden: Nachfolgeprojekte können von einer Dokumentation und Weitergabe der Erfahrungen sehr profitieren.

Gerade weil die Methoden und Werkzeuge für die Bremer Beteiligungs-Projekte sehr individuell sind und von den jeweiligen AkteurInnen und deren Erfahrungen geprägt werden, ist das „Festhalten“ der Verfahren, Methoden und Maßnahmen, die teilweise erst im Prozessablauf erprobt und entwickelt werden, eine große Herausforderung. Die Antwort des Senats macht deutlich, wie in Bremen Bürgerbeteiligung praktisch, pragmatisch und individuell unterstützt und immer wieder neu entwickelt wird. „So können Beteiligungsformen gefunden und praktiziert werden, die nah an der Sache und nah an den Bürgerinnen und Bürgern sind“ und direkt „am jeweiligen Projekt entwickelt werden“, schreibt der Senat. Die inzwischen auch vermehrt überregionales Interesse weckenden Bremer „Beteiligungs-Kultur“ sei vermutlich deshalb relativ breit
ausgeprägt und erfolgreich, weil sie immer wieder „graswurzelartig“ wachse und immer wieder neu variiere, um stets lebendige, passgenaue und pragmatische Beteiligungsverfahren zu gewährleisten.

Ob Schwimmbad oder Autobahn, Vergabe von Fördergeldern für die Kreativwirtschaft oder Entwicklung neuer Stadtviertel wie im Hulsberg-Quartier, ob Verkehrsentwicklungsplan oder Flächennutzungsplan, ob Jugendbeteiligung oder Business Improvement Districs (BID) – viele für die Stadtentwicklung wichtige und notwendige Projekte werden durch entsprechende Beteiligungsformate erst lebendig. Es lohnt sich, die Kompetenz von BürgerInnen, Betroffenen und Interessenvertretungen zu nutzen und in staatliches Handeln zu integrieren. Dabei sollten wir beachten, dass gut gemachte Bürgerbeteiligung nicht nur eine Form der Problemlösung oder -vermeidung ist – sondern dass es sich für Bremen auch geldwert lohnt, wenn Initiativen und Engagement, Wissen und Ideen von Bürgerinnen und Bürgern wachsen und wirken können: Das gilt für die Stadt- und Quartiersentwicklung ebenso, wie es für die Kulturlandschaft, für soziale Anliegen oder etwa für ein effektives Mund-zu-Mund-Stadtmarketing hilfreich, ideengebend und stilprägend sein kann.

Bürgerengagement, -interesse und -wissen müssen gestärkt und gefördert, genutzt und fruchtbar gemacht werden, wo sie die Gemeinschaft stärken und Erfahrungen für die Gesamtgesellschaft produktiv machen – das wirkt im besten Sinne nachhaltig und damit nicht zuletzt auch kostensparend. Das gilt nicht nur für die politische Teilhabe, sondern durchaus auch für die Beratung zu genossenschaftlichen Wirtschaftsmodellen, für Baugruppen und für viele Träger im Sozial- oder Kulturbereich. – Je individueller die Rahmen und die Regeln dafür geschaffen und angewandt werden, desto größer dürfte der Effekt sein – und desto mehr Ideen können sprudeln und sich verbinden: Wenn die Blicke über den eigenen Tellerrand, die eigene Filterbubble, die eigene Nachbarschaft hinausgehen, wächst neben Wissen und Erfahrung auch das Verstehen und Verständnis für die vielen „Parallelgesellschaften“ und -interessen in unserer Stadt und Gesellschaft – und Bremen wird erneuerbar.

Die Anfrage und die Antwort des Senats finden Sie hier: http://gruenlink.de/iul

„Stadt am Fluss“ weiter entwickeln!

In Politik, Stadt, wörtlich! on 19. Oktober 2012 at 12:10

Die Weser ist die historische Lebensader des Landes Bremen – für die Wirtschaft, für Touristinnen und Touristen, für Bremerinnen und Bremer bis heute. Die Nutzung des Flusses und seiner Ufer hat sich in den vergangenen Jahren deutlich erweitert: Dominierten lange Hafenumschlag, Industrie und Verkehr die Uferregionen, hat sich inzwischen eine Vielfalt weiterer urbaner Nutzungen entwickelt und die Weser wurde auch als Naturraum wiederbelebt. In den vergangenen 25 Jahren fand ein grundlegender Wandel an der Bremer Weser statt: Die Stadt ist näher an den Fluss „herangerückt“, wobei in Bremen neben der Weser noch weitere, die Stadtlandschaft prägenden Flüsse wie beispielsweise die Lesum und die Ochtum als Potenziale im Sinne von „Stadt am Fluss land- und wasserseitig weiterentwickeln“ einbezogen werden können. Wir haben den Senat gebeten, zu erläutern, wie diese Entwicklung gestärkt und fortgesetzt werden kann.

Der Antrag von SPD und Grünen „Stadt am Fluss land- und wasserseitig weiterentwickeln“ aus dem Januar 2012,  dazu die Antwort des Senats vom 4. September 2012 – und hier meine Rede dazu:

Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren, werte Kolleginnen und Kollegen!

An der Weser wird gebaut, gelebt, die Freizeit und Natur genossen – und an der Weser entstehen Bilder von Bremen, die dem Image der Stadt zuträglich sind: Wir freuen uns über die eindrucksvolle Vielzahl der Facetten und Projekte entlang der Weser.

An den in den vergangenen fünf Jahren entstandenen Stränden und Renaturierungsmaßnahmen gehen Ökologie und Naherholung Hand in Hand perfekt zusammen: Das Wasser ist für die Menschen sichtbar und auch erreichbar und weitgehend ungestörte Natur wechselt sich am Ufer mit sportlichen und wirtschaftlichen Nutzungen ab. Dazu begrüßen wir auch, dass bei Naturschutz-Kompensationsmaßnahmen in Zukunft noch verstärkt auch auf die Zugänglichkeit und Erlebbarkeit der Natur geachtet werden soll.

Bis nächstes Jahr werden die EU und Bremen für die Entwicklung der „Lebensader Weser“ über 5 Millionen Euro investiert haben – die sich für die Natur, für die Lebensqualität, für das Image Bremens nach unserer Überzeugung mehr als lohnen. – Und wir hoffen, dass das Programm auch ab 2014 weiter fortgesetzt werden kann.

Auch am Segelhafen am Weserstadion und rund um das Weserwehr werden wir dieses Zusammenspiel von Natur und Freizeit wahrscheinlich schon im nächsten Jahr erleben können. Und wir wollen auch, dass das BWK-Gelände sich zur Weser öffnet und dass der Weserradweg zügig vervollständigt wird.

Und zur Mobilität am Wasser gehört dann natürlich auch die auf dem Wasser, übers Wasser: Die Verbindung von Stadtteilen links und rechts der Weser und entlang der Weser per Schiff sollen ausgebaut werden und dass dafür sogar Verknüpfungen mit dem ÖPNV getestet und geprüft werden, finde ich für die Bevölkerung an der Weser wie für Besucher aus dem Umland und Touristen gleichermaßen interessant.

Wenn wir, meine Damen und Herren, diese Entwicklungen alle haben und hier loben – dann finde ich allerdings, dass wir uns zum Marketing noch ein paar weitergehende Gedanken machen müssen: Es ist vieles da, ist ist viel selbst für uns Bremer noch zu entdecken – das listet die Antwort des Senats ganz eindrucksvoll auf. Es fehlt aber, finde ich, noch ein bisschen der rote, oder sagen wir hier: der wasserblaue Faden, an dem wir und vor allem Bremen-Besucher erkennen können, was an und mit der Weser alles zu erleben ist.

Ich finde deshalb, wir sollten uns überlegen, wie sich die Orte und Angebote gebündelt kommunizieren lassen, noch eindrucksvoller zu einem Image verbinden lassen,  statt sie nur einzeln und „zielgruppenorientiert“ zu vermarkten, wie es in der Antwort heißt.

Ließen sich nicht etwa das Festival Maritim und die Breminale und andere Aktivitäten am Wasser zumindest kommunikativ enger verknüpfen? Ließen sich nicht die alten und neuen Zugänge zur Weser, die Erlebnisräume, die Gastro- und Kulturschiffe und Fähren und die Bauten am Fluss gemeinsam darstellen? Schaffen wir vielleicht, mittelfristig alle Aktivitäten – die kulturellen, die ökologischen, die verkehrlichen – zu einem großen, langen, Weser-Festivalsommer zusammenzubinden?

Ich war ein bisschen erstaunt, dass der vom Stadtmarketing kreierte Begriff „Weserwelten“ in der ganzen Senatsantwort nicht einmal vorkommt. Wobei ich auch das jetzt 25 Jahre lang schon entwickelte und gehegte Label „Stadt am Fluss“ vielleicht fast noch eingängiger und sympathischer finde.

Gespannt bin ich auf das „über mehrere Jahre hinweg kontinuierlich stattfindende Kunstprojekt im öffentlichen Raum auf der Schlachte-Verlängerung in die Überseestadt“ – das ist ja jetzt schon in mehreren Vorlagen und Antworten des Senats angekündigt worden. Die Grünen würden es sehr begrüßen, wenn auch die Kulturszene, Bremens Künstler und die Kreativwirtschaft schon an dessen Entwicklung beteiligt würden!

So entstehen ja die nachhaltigsten Ideen im kreativen Bereich und auch lukrative Synergien zwischen den Guten, die wir in der Stadt schon haben und dem Guten, das dazu noch neu entstehen soll!

Und lassen Sie uns dabei bitte auch über die Schlachte hinaus gucken: Der Weser-Kurier ja gerade eine schöne Serie über das „Kulturufer Neustadt“ gemacht, über die vielen Kultureinrichtungen, die da direkt an der Weser und an der Kleinen Weser liegen. Und wir sollten auch die großartigen kreativen Ideen für die Gedenkstätte Bunker Valentin weiter verfolgen – und realisieren.

Die Insel Harriersand eignet sich hervorragend  für Sommerprojekte der Kultur und der Kreativwirtschaft. Gerade in diesem Sommer sind mit der „Golden City“-Stadtrundfahrt, der kreativen und auch sozialpolitisch interessanten Zwischennutzung des BWK-Geländes in Blumenthal durch die ZwischenZeitZentrale und dem Gastspiel des Motorschiff Stubnitz, das aus Rostock kam und dann nach London weiter gefahren ist, sind an der Überseestadt Formate entstanden, die wir Grünen gerne weiter entwickelt sehen wollen und die für Leben und Kultur am und auf dem Wasser stehen.

Und warum sollten gerade die temporären und die mobilen Projekte sich nicht auch einmal entlang der Weser bewegen und wandern?

Ich würde mich freuen, wenn es uns gelingt, die vielen Einzelaspekte der Senatsantwort – dazu gehören auch die Entwicklungen  zum Wohnen am und auf dem Wasser,  und auch alle nicht in der Antwort auftauchenden Ideen und Projekte –  zu einem Bild von der „Stadt am Fluss“ zu verdichten: Das finde ich eine lohnenswerte, zentrale Aufgabe fürs Stadtmarketing.

Und die Weser zugänglich zu machen für alle – bei frei zugänglichen Ufern, aber auch eintrittsfreien Kulturangeboten – das ist selbstverständlich eine soziale Frage, eie Aufgabe sozialer Stadtentwicklung.

Herzlichen Dank.

Bremen kann mehr für Genossenschaften tun – und mehr von Genossenschaften haben

In Ideenwirtschaft, Politik, Stadt, Welt on 6. Juli 2012 at 10:22

Bremen kann, Bremen sollte mehr für das Genossenschaftswesen tun: Die Genossenschaften sind eine Wirtschaftsform, die Solidarität und Teilhabe, gemeinsame Verantwortung für Wohlfahrt und Daseinsvorsorge sozial und wirtschaftlich konkret leben.

1000 Neugründungen von Genossenschaften gab es in den letzten Jahren in Deutschland – im Energiesektor boomt diese Wirtschaftsform. Aber auch im Sozialen, in Medien und Kultur, in Landwirtschaft und Einzelhandel ist sie erfolgreich. „Die internationale Finanz- und Wirtschaftskrise hat gezeigt, wie abrupt nicht nachhaltige Formen des Wirtschaftens uns in existenzielle Krisen stürzen können. Man muss schon sagen, dass die Genossenschaften nicht dadurch aufgefallen sind, dass sie besonders schlecht durch die Krise gekommen sind.“ Wer hats gesagt? Die Bundeskanzlerin. Und sie liegt richtig mit diesem Lob: In einer Zeit des vor allem von den Banken verursachten Misstrauens in Marktwirtschaft und Kapitalismus sollten uns unternehmerisch denkende und verantwortungsvoll handelnde, im Alltag sichtbare, nahbare, erlebbare Unternehmens- und Arbeitsformen wichtig und wertvoll sein.

Dass deren Akteure sich gesellschaftlich und politisch einmischen wollen, innovative Impulse setzen können, neugierig und gestaltungswillig sind, Zukunftsideen verfolgen, kann Genossenschaften auch zu Mutiplikatoren und Motoren gesellschaftlicher Veränderungen machen, an denen auch junge und alte Menschen, Selbständige und Inhaber von Klein- und Kleinstgewerbe beteiligen sein können. Sie könnten sich selbst als Genossen in die Lage versetzen, in gemeinsamer und gegenseitiger Verantwortung ökonomische Projekte zu finanzieren und zu realisieren.

Teilhabe und Finanzierungen im Bereich ökologischer, kultureller, sozialer oder kreativwirtschaftlicher Vorhaben zu ermöglichen, sie für die Energieversorgung, im Wohnungsbau, in der Nahversorgung oder der Gebäudebewirtschaftung zu nutzen, ist eine wichtige politische Aufgabe.

Die Antwort des Bremer Senats auf unsere Kleine Anfrage zum Genossenschaftswesen in Bremen, zeigt leider mehr als deutlich, dass hier in Bremen noch einiges zu tun ist: Sie beschränkt sich weitestgehend auf eine lexikalische Definition des Themas. (siehe http://www.gruene-fraktion-bremen.de/cms/default/dokbin/410/410531.kleine_anfrage_genossenschaftswesen_foer.pdf ) – Die Lektüre der aktuellen Genossenschafts-Serie des Weser Kuriers ist da schon viel aufschlussreicher und inspirierender. Ein weiterer Hör- und Lesetipp zum morgigen Tag der Genossenschaften: „Die Genossenschaften kehren zurück“ – http://www.dradio.de/dkultur/sendungen/zeitfragen/1800217

Eine Tradition des Genossenschaftswesens gibt es in Bremen kaum – eine Vision offenbar auch nicht. Dabei wäre gerade im Wohnungsbau ein Zusammenführen öffentlicher Interessen und privater, echter Verantwortung dringlich und wichtig. Im Energiebereich sind Genossenschaften oft schon Treiber des Marktes und seiner Entwicklung. Weil Genossenschaftsmitglieder traditionell auf Werte wie Ehrlichkeit, Sozialverantwortlichkeit und gegenseitiges Interesse setzen, kann ihr Wirken besonders nachhaltig sein. Auch das Weitergeben von Erfahrung, der generationenübergreifende Austausch in Genossenschaften wirkt nachhaltig. Ihre spezialisierte lokale Kompetenz, ihr teilhabendes Agieren und Wirken kann eine integrierte, soziale, ganzheitliche Stadtentwicklung vielfältig befördern.

Gründungshilfen, Entbürokratisierung, Qualifizierung und Beratung für Genossenschaften, Wertschätzung und Werbung für dieses Wirtschaftsmodell wären deshalb in Bremen besonders wichtig. Die seit 2008 geltenden Vorteile bei der Gründung von GmbHs könnten auch die Gründung von Genossenschaften attraktiver machen. Im Alltag niedersächsischer und nordrhein-westfälischer Schulen gibt es bereits Schüler-Genossenschaften: Bremen kann mehr für Genossenschaften tun – und mehr von Genossenschaften haben. Schade, dass der Wirtschaftssenator diese Chancen nicht sehen will.

Für die „leise Stadt“ Bremen

In Politik, Stadt, Welt on 4. Mai 2012 at 15:00

Wir sind von unterschiedlichsten Lärmquellen umgeben. Lärm macht auf Dauer krank. Die Grünen haben für die Fortschreibung der Lärmaktionsplanung ein Positionspapier vorgestellt: „Bremen – leise Stadt“. Dabei geht es nicht um Friedhofsruhe oder Landleben in der City: Bremen soll lebendig und urban bleiben. Wenn wir uns aber für alltäglichen Lärm sensibilisieren, können wir anfangen, ihn besser zu vermeiden: Im Alltag, in der Wirtschaft, politisch, gesetzlich.

Lärmaktionsplanung für Bremen – Ein Positionspapier

Tausende Bürgerinnen und Bürger in Bremen sind durch unterschiedliche Lärmquellen (Flug,- Straßen‐, Bahnlärm, Lärm durch Gewerbe) in ihrer Lebens‐ und Wohnqualität beeinträchtigt. Der innenstadtnahe Flughafen, aber auch die Zunahme von Verkehren, insbesondere die erhebliche Erhöhung der Güterverkehre durch die Stadt, sorgen für einen deutlichen Anstieg der Lärmbelastung für die Bürgerinnen und Bürger Bremens. Gesundheitsbelastungen durch Lärm werden zunehmend erforscht und nachgewiesen. Zudem haben sich konkret die Lärmschutzmaßnahmen der Deutschen Bahn als unzureichend herausgestellt. Die Verantwortung für eine Reduzierung der Lärmbelastung für die Bevölkerung muss auch von der Kommune übernommen werden, indem die Aktionsplanung zur Lärmminderung aus dem Jahr 2008 fortgeschrieben und in ihren Maßnahmen ausgeweitet wird.

Von Lärm geht eine Gesundheitsbelastung aus, die in ihren Auswirkungen nicht unterschätzt werden darf. In ihrem ersten Bericht zur Abschätzung der Krankheitslast durch Umgebungslärm in Europa, den das Regionalbüro für Europa der Weltgesundheitsorganisation vorlegte, kommt die WHO zu der Schlussfolgerung, dass Verkehrslärm im Westen der Europäischen Region jährlich zum Verlust von über einer Million gesunden Lebensjahren führt, sei es durch Erkrankung, Behinderung oder vorzeitigen Tod. Lärmbelästigung kann zu Schlafstörungen führen und erhöht das Risiko für Herzinfarkte, Lernstörungen, Tinnitus und Depressionen. Forschungen besagen, dass unter lärmbedingten Gesundheitseinflüssen weit überproportional viele Frauen betroffen sind. Umweltlärm steht nach Luftverschmutzung an zweiter Stelle auf der Liste der krankheitsverursachenden Umweltfaktoren. Lärmreduzierung bedeutet nachhaltige und aktive Gesundheitsvorsorge.

Akustische Ruhe sorgt für mehr Wohlbefinden und Lebensqualität der Bevölkerung und eine Verbesserung der Aufenthaltsqualität für alle Menschen, die in Bremen unterwegs sind. Weniger Lärm bedeutet auch weniger Einschränkungen in der Stadtentwicklung: In einer modernen urbanen Stadt gehören Mobilität, Wohnen und Arbeiten zusammen. Lärmschutz ist hier auch in der Raumordnungspolitik und der städtebaulichen Planung mit zu berücksichtigen. In einer leisen Stadt steigt die Verweildauer und ‐qualität auf öffentlichen Plätzen und kommt somit sowohl dem Handel als auch dem Image der Stadt zugute.

Wirtschaftsverkehre tragen zur positiven Wirtschaftsentwicklung und zum Arbeitsplatzerhalt bei. Bei lärmsteigernden Wirkungen jedoch, wie z. B. der Zunahme des Schienenverkehrs durch Verkehre des Jade‐Weser‐Ports, müssen die betroffenen AnwohnerInnen Hilfe erwarten können. Da Lärmschutz ein übergeordnetes Thema ist, das alle Ressorts betrifft, ist eine Zusammenarbeit insbesondere des Senators für Umwelt, Bau und Verkehr, des Senators für Wirtschaft, Arbeit und Häfen und der Senatorin für Bildung, Wissenschaft und Gesundheit nötig.

Lärm hat viele Quellen: Neben dem Straßen‐ und Schienenverkehr sorgt auch der Luftverkehr für eine erhebliche Lärmbelastung. Weitere Belästigung entsteht durch Lärm von Gewerbe und Industrie sowie durch Baustellen. Lärm muss zuerst und vor allem dort bekämpft werden, wo er entsteht. Der Aktionsplan zur Lärmminderung in der Stadt Bremen muss auf den Grundlagen aktueller Lärmkartierung und aktueller gesundheitlicher Forschung weiterentwickelt werden, die sowohl die Gesamtlärmbelastung (Gesamtlärmindex) als auch die Lärmbelastung durch einzelne Lärmquellen berücksichtigen. Für aktive und passive Maßnahmen zur Reduzierung des Schallpegels muss die Mehrfachbelastung durch verschiedene Lärmquellen berücksichtigt werden.
Die Herabsetzung der maximal zu erreichenden Höchstwerte des Dauerschallpegels von 70 dB(A) auf 65 dB(A) tagsüber und von 60 dB(A) auf 55 dB(A) in der Nacht, die für die zweite Stufe des Aktionsplans bis spätestens 2013 vorgesehen ist, ist sicherzustellen. Auch diese Werte sind noch sehr hoch angesetzt: Für den Nachtzeitraum sind ab einem Dauerschallpegel von 30 bis 35 dB(A) innen bereits nachteilige Wirkungen auf den Nachtschlaf möglich. Die WHO empfiehlt daher, nachts einen Dauerschallpegel von 45 dB(A) im Außenbereich nicht zu überschreiten. Tagsüber sollte ein Dauerschallpegel von 55 dB(A) nicht überschritten werden, um eine erhebliche Belästigung zu vermeiden. Die Unterschreitung dieser Pegel stellt daher ein langfristiges Umweltqualitätsziel unter dem Gesichtspunkt des präventiven Gesundheitsschutzes dar.

Im Sinne der vielen Lärmgeplagten in unserer Stadt und in Anbetracht nicht abnehmender Lärmwerte durch die prognostizierte Zunahme der Verkehre müssen wir langfristig überall in der Stadt für Lärmreduzierung sorgen. Bremen – leise Stadt: Es wäre auch volkswirtschaftlich vorteilhaft, so die Lebensqualität und die Gesundheit entscheidend zu fördern und das Stadtimage noch weiter zu verbessern.

Wir Grünen fordern:
Die Lärmaktionsplanung für Bremen muss auf Grundlage aktueller Lärmkartierung und Gesundheitsforschung fortgeschrieben und in ihren Maßnahmen mit einem kommunalen Lärmaktionsprogramm, wie es jetzt im Haushalt vorgesehen ist (zusätzlich 200.000 Euro in 2012, zusätzlich 600.000 Euro in 2013), ausgeweitet werden.

Aktive und passive Lärmschutzmaßnahmen:
• Effektiver Lärmschutz an den Bahnlinien: Lärmschutz direkt an den Gleisen, lückenloser Bau von Lärmschutzwänden unabhängig vom Baujahr der betroffenen Wohnhäuser und Gleise.
• Maßnahmen zur Entdröhnung des Hauptbahnhofs.
• Einführung einer Geschwindigkeitsbegrenzung für Züge in der Nacht, wirksame lärmabhängige Trassenpreise, Umrüstung veralteter Güterwagen auf moderne und lärmarme Bremstechnik.
• Einführung von Tempolimits: flächendeckend Tempo 30 in Wohnstraßen, Reduzierung der Höchstgeschwindigkeiten auf Autobahnen in der Nähe von Wohnbebauungen, die noch nicht durch Lärmschutzwände geschützt sind.
• Lückenloser Lärmschutz an den Autobahnabschnitten der A 1 und A 27, in deren Nähe sich Wohnbebauungen befinden, verstärkter Einsatz von Flüsterasphalt.
• verstärkter Einsatz der Geschwindigkeitsbegrenzung auf Tempo 40 auf Bremens Straßen. Gerade auf Strecken, wo Tempo und Lärm reduziert werden soll, auf denen aber auch ÖPNV fährt, ist dies eine gute Möglichkeit, die den Betriebsablauf nicht empfindlich stört. Die Geräuschentwicklung von Bussen ist zudem dabei geringer als bei Tempo 30, was ein ständiger Umschaltpunkt des Automatikgetriebes ist.
• Reduzierung des Lärms durch den ÖPNV: mehr Rasengleise zur Schalldämmung, Ausbau des Einsatzes von Hybrid‐ und Elektrobussen.

Verkehrsvermeidungs‐ und Verkehrsumsteuerungskonzepte:
• Ausbau und Verbesserung des CarSharing‐Netzes (Ziel bis zum Jahr 2020: mindestens 20.000 CarSharerInnen, Entwicklung von zwei Modellquartieren für CarSharing).
• Entwicklung einer ökonomisch und ökologisch sinnvollen Innenstadt‐Logistik (Logistikkonzepte, die mit dem Einsatz moderner Telematik die Fahrzeugauslastung erhöhen, Transportmittel‐Sharing, Benutzervorteile für lärmarme Lieferfahrzeuge, Kooperation der Logistikunternehmen zur Bündelung der Ladung).
• Überarbeitung des Lkw‐Führungsnetzes, damit der Lkw‐Verkehr möglichst flüssig verläuft und weitgehend aus der Stadt herausgehalten wird, Ausweitung von LKW‐Fahrverboten.
• Förderung eines lärmreduzierten ÖPNV sowie des Fuß‐ und Radverkehrs in Bremen.
• Förderung der Elektromobilität: Schaffung von Umstiegsanreizen auf Elektrofahrzeuge durch öffentliche Ladesäulen mit Strom aus erneuerbaren Energien und Parkvorteilen in der Innenstadt, Pedelec‐Modellprojekte für PendlerInnen und TouristInnen durchaus auch im Verbund mit dem ÖPNV.
• Reduzierung des Fluglärms durch konsequente Einhaltung der Nachtflugbeschränkungen, Einführung einer achtstündigen Nachtruhe.

Lärmschutz in der Stadtraumplanung
• Langfristige Schallbegrenzung und ‐reduzierung durch schallmindernde Architektur und Raumplanung.
• Schaffung von Ruhezonen und Ruhepolen in der Stadt: leise Aufenthaltsorte, verkehrsberuhigte Zonen und mehr Fußgängerzonen – auch in Verbindung mit Grünzügen, öffentlichen Plätzen und öffentlichen Gebäuden – schaffen (nach Vorbildern Freiburgs, Oldenburgs, Zürichs oder Linz‘).
• Sensibilisierung für und Begrenzung von Beschallung im öffentlichen Raum und öffentlichen Gebäuden im Rahmen von Stadtentwicklung und ‐gestaltung.

Öffentliche Sensibilisierung
• Aufklärung über alle Quellen und Folgen von Lärmbelästigung im Rahmen von Umweltbildung und Soziokultur und Beteiligung der Bevölkerung an der Maßnahmenplanung zum Lärmschutz in der Stadt.
• Verstärkte Öffentlichkeitsarbeit für Bremen als „leise Stadt“ mit hohem und wachsendem Erholungsfaktor.
• Sensibilisierung für Umweltbeeinträchtigung durch Lärm mittels Umweltbildung, autofreie Veranstaltungen und Kulturprojekte.

Ralph Saxe, Dr. Maike Schaefer, Carsten Werner, Dr. Kirsten Kappert‐Gonther, Jan Saffe, Dr. Matthias Güldner und Fraktion Bündnis 90/ DIE GRÜNEN.

Ist die Bürgerparktombola noch zeitgemäß?

In Ideenwirtschaft, Stadt on 13. Februar 2012 at 12:12

Ich meine, dass der Bürgerpark durch zeitgemäße Spendenkampagnen gestärkt werden sollte – und dass dazu die Bürgerparktombola anders aufgebaut werden muss.

Aktuell macht die gerade begonnene Bürgerparktombola im Hinblick auf den von der rot-grünen Koalition geforderten Mindestlohn von sich reden. Viele Bremer und Gäste der Stadt irritiert oder stört darüber hinaus auch die Ausgestaltung der Bürgerparktombola mit zahlreichen Buden, Reklame-Schaufenstern und Dauerbeschallung durch marktschreierische Losverkäufer und laute Schlagermusik an den wichtigsten Plätzen der Stadt. Um dieses unerfreuliche Image der Tombola zu ändern würde ich gerne mit dem Bürgerparkverein darüber nachdenken, wie die Ausgestaltung der Tombola im Hinblick auf die Gestaltung und Nutzung der öffentlichen Räume in der Innenstadt verbessert werden kann. Dabei würde ich mir wünschen, dass der Bürgerpark in der Bremer City auch als das dargestellt wird, was er ist: Eine ruhige, grüne, ökologische, soziale Oase mitten in der Stadt. Diesen Anspruch muss sich auch die für ihn werbende Tombola zu eigen machen!

Wünschenswert wäre ein Ideenwettbewerb unter kreativen Stadtplanern, Künstlern, Landschafts- und Innenarchitekten: Im Lichte der Innenstadtentwicklung scheint mir ein Wettbewerb um die besten Ideen und die beste Ausgestaltung geboten –auch, um die Bürgerpark-Tombola zu stärken und zu verbessern. Die bürgerschaftliche, private Finanzierung des Bürgerparks muss konstruktiv und kreativ weiter entwickelt werden, denn sie ist wichtig für den Fortbestand und Zustand des Parks.
Weil bei der Bürgerparktombola auch Umsatz und Ertrag erheblich auseinander klaffen, sollte zur nachhaltigen Finanzierung des Bürgerparks auch über zeitgemäße Crowdsourcing-Konzepte und andere direktere Spendenformen nachgedacht werden. Kollektive Finanzierungen und konstruktive Netzwerke sind kein Hexenwerk, sondern mit Hilfe auch der neuen Medien vielfach erfolgreich, wo es um die Finanzierung gemeinschaftlicher und öffentlicher Initiativen und Anliegen geht (ein Surftipp für solche Beispiele ist etwa die Plattform www.VisionBakery.de ).

Lediglich ein Drittel der Einnahmen durch den Losverkauf der Bürgerparktombola kommen als Reinerlös den Grünanlagen zu Gute. Eine Spende in Höhe des Lospreises an den Bürgerpark würde dagegen zu fast 100% ihr Ziel erreichen – die Pflanzen, Tiere und ihre Pflege. Den Aufwand der Bürgerpark-Tombola für 3-4000 Euro Ertrag pro Aktionstag finde ich immens – und er steht in keinem guten Verhältnis zu den Beeinträchtigungen der Aufenthaltsqualität in der Innenstadt.  Also: Der Mindestlohn gefährdet nicht die Tombola, sondern macht die Notwendigkeit ihrer Neugestaltung noch einmal besonders deutlich. Statt Struktur und Gepflogenheiten der Bürgerparktombola als „gewachsene Tradition“ zu verkläre, mit der niedrigen Qualifikation der Mitarbeiter zu argumentieren und gleichzeitig an ein Art Zwangsspendenbereitschaft zu appellieren, wie das Vorstand und Geschäftsführung von Bürgerparkverein und Tombola öffentlich tun, sollte der Bürgerparkverein dringend über zukunftsgewandte Konzepte nachdenken: Gewachsene Strukturen muss man manchmal lichten – wer sollte das besser wissen als Bremens größte der Grünpflege verschriebene Initiative?

Den Text als PDF gibts hier.


Bürgerbaubeteiligung

In Politik, Stadt on 11. Mai 2011 at 09:13

Nach Jahren, Jahrzehnten soll der Platz vor dem Bahnhofsvorplatz in Bremen bebaut werden. Jahrelang lag das Gelände brach, jahrelang war es durch tausende Fahrradständer verziert, zuletzt war es gestaltet und gelegentlich belebt von einigen Skatern. Nun soll die Fläche bebaut werden – nach einem architektonischen Entwurf, der schon einmal Sieger bei einem Architekturwettbewerb für das Gelände war, entsprechend städtischen Grundrissen vergangener Jahrhunderte, nach dem langgehegten Plan des Grundstücksverkaufs an einen Investor. Zweimal sind zuvor Investoren abgesprungen. Jetzt scheint die Zeit günstig: Entwurf, Investoren und politischer Wille treffen zusammen – gestärkt von der Notwendigkeit, dem langsamen Verfall der Bahnhofsvorstadt etwas entgegenzusetzen. Nun kann und soll geplant und gebaut werden.

Doch nun regt sich Protest: Was man da nicht alles machen könnte: Grünanlage! öffentlicher Raum! Aufenthaltsqualität! rufts aus den Reihen der Gegner etwa bei einer Veranstaltung des „Bremer Stadtdialogs“ des Zentrums für Baukultur gestern Abend im Speicher XI – und natürlich „Gentrifizierung!“ und „Bürgerbeteiligung!“.

Mal angesehen davon, dass sich die Bürgerbeteiligung an diesem Abend der Diskussion über ein – nach Bürgereinwänden und -anregungen – überarbeitetes architektonisches und stadtplanerisches Konzept weitgehend auf die Statements von Politikern verschiedener Parteien und Wählerinitiativen beschränkte: Nicht eine Idee wurde formuliert, was auf diesem Platz denn nun stattfinden möge statt einer Bebauung. Keine Idee. Es ist auch schwer: jeweils ein paarhundert Meter weiter finden sich in verschiedenen Himmelsrichtungen
– der Bürgerpark,
– die Wallanlagen als Innenstadt-Park,
– die Weser mit der (noch fast) neu gestalteten Schlachte, Fähre, Wiesen, Café Sand,
– der ehemalige Güterbahnhof als Zentrum von Kreativwirtschaft, Kunst, Avantgarde- und Subkultur,
– das Kulturzentrum Schlachthof, u.a. mit Außengelände und einer Skater-Anlage.
Auch wer den „Platz der deutschen Einheit“ vor dem Überseemuseum nicht wirklich als Ruhepol und Erholungszone verstehen mag, hat also manche Möglichkeit zum Ausspannen oder zu aktivem Stadtleben.

Skater waren nicht anwesend oder meldeten sich jedenfalls nicht zu Wort. Die Frage, wohin sie demnächst könnten (mein Vorschlag: an den Güterbahnhof) – stellt aber keiner. Die Frage, wo genau denn der Senatsbaudirektor nach Flächen für einen neuen ZOB sucht – stellte niemand. Fragen nach Stadträumen wie dem Gleisgelände hinter dem Güterbahnhof auch nicht. Dass der kostbare öffentliche Raum des eigentlichen Bahnhofsvorplatzes alljährlich mit Bürgerparktombola-Trash zugemöbelt und obendrein akustisch verschandelt wird – kein Thema? Immerhin die verbaute Bürgerweide und der verparkte „Willy-Brandt-Platz“ wurden kritisiert – ohne Lösungsvorschläge.

Das muss besser werden!

Wer „Vertreibung“ zur Gefahr ausruft, sollte schon sagen können, für welche Vertriebenen er da spricht. Und wer in schräger Analogie zum Stuttgarter Bahnhofsbau mit „Bremen 21“ dräut, der muss sich schon fragen lassen, ob er da nicht die tektonischen, ökologischen und sicherheitstechnischen Sorgen von Stuttgarter Bürgern für einen simplen Bremer Hausbau an einem dafür vorgesehenen Ort missbraucht, der schon heute weder besonders intensiv belebt noch großartig gestaltet ist und eigentlich keine interessanten Perspektiven bietet – abgesehen vom Blick auf die oder von der Hochstraße. „Öffentlicher Raum“ ist keine Forderung. Und „Bürgerbeteiligung“ braucht, wenn sie denn wirklich auf Demokratie und Stadtleben zielt, Bürger – und vor allem deren Ideen. Die können Entwicklern und Politikern bei der Verbesserung der Pläne für eine durchlässige, integrative Stadt helfen – wie man am überarbeiteten Entwurf für die Gebäude sehen kann. Aber ohne Ideen, Impulse und Interesse bleiben politische Zeitgeistvokabeln leer und langweilig.

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