carsten werners

Archive for the ‘Uncategorized’ Category

Die Minute mit Paul McCartney

In Ideenwirtschaft, Konsumempfehlung, Uncategorized on 3. August 2006 at 08:18

Carsten Werner empfiehlt: Die Minute mit Paul McCartney

Das will ich genauer hören: Am 9. März 1967, einen Monat vor meiner Geburt, im Londoner Regent’s Park: Ein Ball, ein Hund, ein Beatle, zwei junge Männer und sieben Mädchen. Und irgendwo anders in London nehmen die jungen „Beatles“ „Getting better“ auf, für ihr später legendäres Album „Sgt. Pepper’s Lonely Hearts Club Band“. Der Schriftsteller Friedrich Christian Delius als Autor und die Regisseurin Christiane Ohaus haben ein Memory für die Ohren gebaut: „Die Minute mit Paul McCartney“. Ein Hörspiel über wundersame Berührungen und Begegnungen, immer wieder anders beleuchtet – ein Spiel mit wechselnden Perspektiven und schönen Varianten. Radio Bremen präsentiert das Hörkunstwerk am Freitag um 22.05 Uhr als Ursendung im Nordwestradio. In exquisiter Besetzung spielen Gabi Schmeide, Bernhard Schütz, Dietmar Mues, Wolfgang Kraßnitzer und einige Schauspielstars mehr 25 Memo-Arien, die mit Hilfe des Musikers Michael Riessler zu einem facettenreichen Fächer von Stil- und Tonarten der Hörkunst, von literarischen Kompositionen, Satz- und Wortspielen geworden sind. Klingt spannend.

Apropos exquisites Spiel: In diesen Sommertagen weckt ein Neu-Hippie meine Lust auf Kunstgenuss. Wie Johnny Depp sich als lebendes Gesamtkunstwerk sowohl durch Arthouse-Filme als auch durch den Sommer-Blockbuster „Fluch der Karibik 2“ performt, das muss man sich gerade auch als Theatermacher mal genauer angucken: Der Mann ist ja so was wie sein eigenes Theater, mitten im Film. Also widme ich mich in einer verregneten Sommernacht an diesem Wochenende auch mal Captain Jack Sparrow, seinen Piraten und Nachwuchstalent Keira Knightley.

Freitag, 22.05 Uhr, Nordwestradio

3.8.2006 taz Nord Nr. 8038 Bremen Aktuell 63 Zeilen, Carsten Werner S. 22
Rezension

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Schöne Namen

In Ideenwirtschaft, Konsumempfehlung, Uncategorized on 8. April 2006 at 11:13

Carsten Werner empfiehlt: Schöne Namen

Ich gebe zu: Hat ein Buch einen schönen Titel, wandert es auf den Lesestapel. Der wunderbar versponnene Glückssucher-Roman „Die Verlängerung des Markts in den Abend hinein“ von Hans-Peter Kunisch aus dem Verlag mit dem schönsten Namen: Blumenbar! Daneben Sarah Kuttners „Das oblatendünne Eis des halben Zweidrittelwissens“ mit klugen Kolumnen. Apropos kluge Frauen, schöne Titel: Juli Zeh erklärt, dass Demokratie nicht ohne Nebenwirkungen klappt und wie Sprache, Liebe, Pop und Recht funktionieren, „Alles auf dem Rasen“. Namen sind Kaufargumente. Was also diese Woche in Bremen tun? Sandy Dillon klingt nach einem melodiösen Individuum, Sinnlichkeit und undergroundigem Blues. Sie gilt als „weibliche Tom Waits“ und hört sich auch so an. Im Sendesaal von Radio Bremen trifft sie am Mittwoch den Frontmann der Briten „Alabama 3“. Auch sein Name verspricht einiges: Robert Love. Am Montag gastiert im Römer eine Grand Dame der Riot Girls mit Countryfolk und Rock-Prachtstücken. Sie klingt ein bisschen wie Nancy Sinatra, nennt sich aber: Holly Golightly. Und heißt wirklich so. Der Namenstrick klappt nicht immer: „Schrottgrenze“ ist kein schöner Name, Davor steht man im Kulturleben zu oft zu dicht. Aber sie machen schöne Musik und Lieder wie „Eine Stadt aus Klebstoff“. Donnerstag im Römer. Ihre neue CD haben sie „Château Schrottgrenze“ betitelt. Schön.
CARSTEN WERNER ist freier
Produzent und Regisseur

8.4.2006 taz Nord Nr. 7943 Bremen Aktuell 54 Zeilen, CARSTEN WERNER S. 31
Rezension * nur in taz-Teilauflage

Einer Kulturstadt unwürdig

In Politik, Uncategorized on 13. März 2006 at 01:12

Vor einem Jahr wurde Bremen als Möchtegern-„Kulturhauptstadt Europas“ aus dem Wettbewerb verabschiedet. Dann gingen Bilder des amtierenden Kultursenators im Schampus-Clinch mit einem Obdachlosen um die Welt. Dann hat sich Folge-Senator Kastendieck an einer dilettantischen Attacke aufs Theater verausgabt und Bremen gleich wieder blamiert. Seitdem: Warten und Zagen.

Die Szene beharrt auf Gehabtem, zockt um ein kleines Mehr hier oder etwas Weniger da. Visionen reduzieren sich auf Etats der anderen: Wer hat mehr? Die Kulturschaffenden werden mit Masterplan-Spielchen abgelenkt. Die zahlenfixierte KMB fordert Planungen für 2010, die Fachabteilungen bieten Planungssicherheit nur rückwirkend. Antragsprosa feiert fröhliche Urständ, senatorische Berater schwadronieren von „Holschulden“ und Haushaltsrecht. Förderverfahren? Inhalte? Fehlanzeige. Künstlerische Zugänge zum Islam? Rolle der Medien für kulturelle Entwicklung (und umgekehrt)? Arbeit jenseits der Vollbeschäftigungslüge? Stadtentwicklung? Bildung für das „Publikum von Morgen“? – Spannende Fragen an die Kultur. Dazu bräuchte man Künstler auch unter 30 Jahren, interkulturellen Austausch, Blicke über den Rand der kleinen Stadt.

Anregungen aus der Szene zu Stadtteilentwicklungen verschwinden in senatorischen Schubladen. Ein Austausch mit iranischen Künstlern ist „nicht bremenspezifisch“. Seit Monaten verenden Projekte an kulturpolitischer Verhaltung. Jetzt werden die Projektmittel – das politphilosophische Allheilmittel – definiert. Wenn Produktions- und Veranstaltungsförderungen, Investitions, Wett- und Personalmittel dann ausgeschrieben werden, ist vieles schon erledigt: ausgebremst, klein gerechnet und tot gewartet von der zuständigen Verwaltungsbehörde – einer „Kulturstadt“ unwürdig. 12 Monate ohne Streit, Konkurrenz und Fantasie – und es kommen wohl noch mehr. Carsten Werner

Der Autor war lange Jahre Leiter des Jungen Theaters und ist zurzeit Projektleiter der Schwankhalle.

13.3.2006 taz Bremen Nr. 7920 Bremen Aktuell 70 Zeilen, Carsten Werner S. 21
Gastkommentar * Lokalspitze

Theater oben mit

In Uncategorized on 28. August 2002 at 10:07

Neues Boulevard-Theater geht baden / Ein Public Private Partner-Ship wird am 30. November an der Schlachte festmachen / Als Schauspieler stehen parat: Ingrid Steeger und Günther Mack

Die Politiker wünschen sich sowas ja immer lauthals: „Public private partnership!“ Es hat also geradezu Vorbildcharakter, was Knut Schakinnis da plant. Er will Bremen ein neues Theater bescheren. Nicht in leer stehenden Gemäuern am Rand der City, sondern in 1-A-Lage. Gleich auf dem Wasser der „Stadt am Fluss“ soll sein Theaterschiff anlegen und mit „leichter Kost“ von allerdings „hoher Qualität“ die Massen locken.

Das muss es allerdings auch. Denn von der Stadt gibt es nicht allzuviel „partnership“: Kulturverwaltungschef Reinhardt Strömer bat vor einem Gespräch erst einmal um die Zusendung eines Lebenslaufes des 47-jährigen Existenzgründers, wie Schakinnis etwas belustigt erzählt: „Dabei kenne ich den doch auch nicht!“ Danach hat Strömer sich nie wieder gemeldet – und die Wirtschaftsbehörde abgewunken. Schakinnis: „Weil sie im Kulturbereich keinen Präzedenzfall schaffen wollte.“ Aber tut sie das nicht laufend?

Die Sponsorensuche erweist sich in Zeiten wirtschaftlicher Flauten und Pleiten als schwierig. Zeit für Ideen. So bietet Schakinnis dem geneigten Theaterfan für eine Spende von 2.300 Euro an, für drei Jahre sein Engagement dokumentieren zu lassen. Die Künstler Hartmut Knell und Gerhard Bär stellen dafür Stühle nach den Designwünschen des Sponsors her. Nach drei Jahren bekommt der Spender seinen Stuhl mit nach Hause, auf dem Theaterschiff ziehen dann neue Sponsoren samt Mobiliar ein.

„Die Stücke müssen laufen“, sagt er und trommelt drei Mal auf den Holztisch seines kleinen Büros in der Weberstraße. Denn noch liegt sein Schiff nicht an der Schlachte, sondern wird im Hafen mit 300.000 privat von Spendern und Sponsoren finanzierten Euro für seinen Spezialeinsatz hergerichtet. Zwei Spielstätten entstehen im Bauch des 77 Meter langen und acht Meter breiten alten Schleppkahns (Baujahr 1925). An Deck soll es gastronomisch zugehen. Dazu kommen eine Künstlerwohnung, ein kleines Büro und die entsprechende Technik. Der laufende Betrieb muss sich später aus dem Kartenverkauf finanzieren.

In Bremen sieht Schakinnis ein „ausbaufähiges Potenzial als Theaterstadt“. Er muss es wissen: Seit zwölf Jahren lebt er in der Hansestadt.

Eröffnung des Theaters soll am 30. November an der Schlachte sein. Bis dahin kann sich der Selfmade-Mann auf Erfahrungen mit dem Theaterschiff Heilbronn stützen und will seine umfangreichen Kontakte in der Unterhaltungstheater-Szene nutzen. Von Siegfried Lowitz und Günther Mack bis zu Ingrid Steeger, mit allen hat er auf der Bühne gestanden. Jetzt will er die Kollegen nach Bremen locken. Für Ingrid Steeger wird zur Eröffnung der zweiten Spielzeit im nächsten Sommer eigens ein Stück geschrieben – von einem Bremer Autor.

Zuvor gibt’s ab dem 4. Dezember „No(n)nsen“, ein kleines Comedy-Musical von Dan Goggin. Die Komödie „Vom Umtausch ausgeschlossen“ steht ebenso auf dem Programm wie drei Einakter von Anton Tschechow, gespielt von Günter Mack, Ulrike Luderer und Knut Schakinnis. Auf die Erfolgskomödie „Cash“ folgt im nächsten Sommer die 70er-Jahre Revue „Hossa oder Als Robert Lemke nicht kam“.

Zudem will Schakinnis auch mit der Bremer Theaterszene zusammenarbeiten. Das Union-Theater wechselt im März mit einem einmonatigen Gastspiel vom Packhaustheater auf die Weser. Weitere Kooperationen sollen folgen.

Warum aber ein Theater auf dem Wasser? Neben den atmosphärischen hat es auch monetäre Gründe. Ein Schiff, wenn es nicht mehr fährt, gilt als „schwimmender Gegenstand“. Die Liegegebühr dafür beträgt im Jahr nur ein paar tausend Euro. Auch das Schiff selbst hat in der Anschaffung nur etwa 30.000 Euro gekostet.

Trotzdem will und muss Schakinnis darauf achten, das wirtschaftliche Risiko klein zu halten. Boulevard-Komödien sollen Boulevard-Komödien bleiben. Die Kunden schätzten das: ,,Schon jetzt fragen die Hotels nach Karten.“

Zur Zeit castet Schakinnis sein Team. Und wünscht sich auch noch einen Manager-Partner. Denn er wolle ja in Bremen sesshaft werden, um auch mehr mit der Familie zusammen zu sein. Seine Frau Bettina erwartet Zwillinge. „Vielleicht hat sich der liebe Gott gedacht: Mal gucken, was die alles auf einmal schaffen“, freut sich der Vater, Schauspieler und jetzt auch noch Theaterdirektor auf seine neuen Herausforderungen – toi toi toi!

Carsten Werner

Das Theaterschiff im Internet: www.theaterschiff-bremen.de, Infos unter 0421 / 7908600.

28.8.2002 taz Bremen Nr. 6838 Kultur 163 Zeilen, Carsten Werner S. 23

Addition der Schlagzeilen

In Uncategorized on 4. Mai 2002 at 09:05

Literatur-Performance: Nina Bittcher und Lucia Meinhold verheddern sich beim „Gudrun Ensslin-Monolog“ im Spektakulären und verklären die Erinnerung

Die RAF ist hip – zu Moden geronnene History, davon berichten die Zeitgeistpostillen seit Monaten fasziniert bis angewidert. Was also erwartet uns, wenn junge Leute sich Gudrun Ensslin nähern, der jungen, wunderhübschen Terroristin mit dem kräftigen Lidstrich?

Wir wissen ja nicht, was Ensslin wirklich dachte und machte in Stammheim (und davor). So redegewandt, schreibwütig und medial omnipräsent wie die Journalistin Ulrike Meinhof war sie nie. Wohl eher die „jugendliche Rätselhafte“ im Ensemble der deutschen Topterroristen, wenn man das heute so flapsig sehen darf – „Ihr letzter Wunsch galt der Wimperntusche“, angeblich.

Christine Brückner legte der Ensslin 1983 in ihrem Buch der „ungehaltenen Reden ungehaltener Frauen“ posthum Gedanken und Sprüche in den Mund, eine „Rede gegen die Wände der Stammheimer Zelle“. Diesen Text nutzen die junge Regisseurin Nina Bittcher und ihre junge Schauspielerin Lucia Meinhold für ihre „Literatur-Performance“ einschließlich Videoinstallation, die sie in der Medien-Koop im Lagerhaus aufführen.

In einem wenige Quadratmeter großen Gaze-Käfig kauert oder tigert hier die junge Terroristin und hält diesen inneren (?) Monolog. Darin eine Menge knalliger, feuilletonistischer Formulierungen, ein wenig Familiäres, ein bisschen Politik- und Staats-Kritik, eine Prise Selbstironie, ein Schuss Galgenhumor. Hypothetisches „Was wäre gewesen, wenn …“ und semidokumentarisches „So wird es vielleicht gewesen sein“, anno dazumal in Stammheim.

Auf die Gazeflächen wird per Video von einer Seite das abgefilmte minimalistische Bühnengeschehen gebeamt, von der anderen Seite flimmern nonstop und von den Künstlern unbearbeitet Best-of-RAF-Schnipsel aus ARD-Archiven: altbekanntes, viel- und gerngesehenes Material aus dem deutschen Bürgerkrieg der 60er und 70er, als Horst Mahler noch ein linker Terrorist war (oder so), viel Meinhof und weniger Ensslin, BILD-Schlagzeilen aus Absurdistan („Hamburg: Polizei erschoss falsche Ulrike Meinhof“), viel Disput, Gerenne, Geschiebe und Geschieße …

Den ikonenhaften Porträts der Jungterroristen stehen Bilder gegenüber, die zeigen, wie hässlich Kampf und Politisiererei schöne junge Menschen machten: „vorher / nachher“. Das wäre ein Ansatz für die theatralische Auseinandersetzung, hätte vielleicht die Chance geboten, „Gudrun nah zu sein“, wie es sich ein Zuschauer gewünscht hätte: „Was war sie, was wollte sie?“

Doch die junge Darstellerin wirkt eher leidend denn gefährdet und kämpferisch – und Brückners in die Jahre gekommener Text verschwindet in der einstündigen Aufführung hinter den Videobildern. So entstehen weder Bezug noch Reibung zwischen TV-Memorabillia und Theater-Fiktion.

Was sind die 12 Mio. DM, die der Stammheim-Bau kostete, im Verhältnis zu den Millionen, die Springer (und Kulturindustrie) der RAF verdanken? Da Politik schließlich „im Gerichtssaal, im Bett, im Kindergarten“ stattfinde, überall wird „unterdrückt, gefoltert, Macht ausgeübt“: Wie war die Liebe zwischen Ensslin und dem „durchgeknallten Literaten“ Bernward Vesper? Politische Kriminalität vs. kriminelle Politik … Alles wird angerissen, nur die Inszenierung verheddert sich in der Addition von Spektakulärem und Spekulativem. „Gequassel in Bildern und Gleichnissen“ nennt das die Protagonistin mal.

„Kein Denkmal für Gudrun Ensslin“, hatte Brückner ihren Text übertitelt. Die Inszenierung verharrt in verehrender, verklärender Erinnerung.

Carsten Werner

Noch am Samstag, 4.5., in der Medien-Coop im Lagerhaus, 3. Stock. Karten unter Telefon 0421-77020

4.5.2002 taz Bremen Nr. 6741 Kultur 54 Zeilen, Carsten Werner S. 27
Rezension

Mohikaner, allein zu Haus

In Uncategorized on 24. April 2002 at 10:03

„Die letzten sind wir!“

Trotz Schwund an Kollegen und Illusionen spielt das Antigone-Theater weiter. Bis zur theatral-konsequenten Privatheit fehlen aber noch ein paar Schritte

Die Schauspielschule am Waldau-Theater ist Geschichte, aber in jedem Ende liegt ein Anfang.

So gründeten die ehemaligen Schüler mit ihrem Lehrer, dem Regisseur Jürgen Müller-Othzen, vor knapp drei Jahren das „antigone theater“. Die Truppe näherte sich ihrer Namenspatronin aus ganz verschiedenen Richtungen. In einem „work in progress“ gab es Antigone grotesk: Als Streetperformance und in einem großen, inszenierten Abschiedsfest-Theater mit und von den SchauspielerInnen, ihren Figuren und dem Publikum.

Vor einem Jahr emanzipierte sich die Truppe vom Antigone-Stoff und auch vom Regisseur – und eröffnete mit einer grotesk verträumten „inner city midsummer night“ Müller-Othzens Wohnzimmer-Theater „the most little private“ in Findorff. Man suchte unterhaltsam und poetisch Halt und Sinn und Kunst in dieser Wohnung. Gegen Ende wagten sich die Figuren wieder tastend auf die Straße, verließen Bremens jüngstes Theaterchen – auf dem Weg in die nächste (Theater-)Welt?

Heute sitzen hier noch Henriette Hensel-Knipp und Peter Almendinger, zwei letzte Mohikaner der Schauspielkunst, allein zuhaus. Am Wochenende hatte ihr neues Stück Premiere: „Die Letzten sind Wir!“ Sie können das Spielen nicht lassen, auch wenn sie von allen Kollegen und Illusionen schon verlassen sind.

Das ungleiche Paar – sie könnte seine Mutter sein – kabbelt sich durch einen Wust aus Erinnerungen und Zitaten, Theatergeschichte(n) und sozialhilfefinanziertem Alltag. Er wäre gerne Faust, sie röhrt kinskische „Erdbeermund“-Zeilen, er legt selbst beim Sex den Künstler-Seidenschal nicht ab, sie serviert den Cappucino in der Espresso-Tasse und zu heiß und repetiert „Antigone“: „Drehung nach links, Maske quer-links / Kopf an Kinn auf Brust / höchste Intensität!“ Auch das Publikum gehört zur Imagination.

Auf dem Programmzettel: Kein Autor, kein Regisseur, keine Rollen, keine Darsteller – könnte es sein, dass wir da in der Münchener Straße in das Privatleben abgehalfterter Möchtegern-Stars gestolpert sind? Nach der Aufführung erzählt Almendinger, dass das Projekt schon „ein bisschen autobiografisch“ sei. Weiter schrumpfen kann ihr „Antigone-Theater“ jedenfalls nicht mehr. Tagsüber arbeitet er als Physiotherapeut, seine Partnerin als Lehrerin, bevor sie abends selbstorganisiert, -geschrieben und -inszeniert „halt als Laientheater“ auf die Bühne steigen.

Das jedenfalls macht ihnen sichtbar Spaß, sie wollen weiter an ihrem Stück arbeiten. Wenn sie dabei den Mut hätten, viel offensiver und verwirrender mit der Grundsituation „Wohnzimmer gleich Bühne“ umzugehen, könnten sie aus dem vom Publikum erstaunlich distanzierten Geschehen noch manchen witzigen oder tragischen Funken schlagen.

Die zum Mini-Theater drapierte Bühne, die boulevardesken Kostüme und Möbel, die verhängte Einrichtung der Wohnung und die obligatorische Publikumsermahnung zum Handy-Abschalten beschwören viel zu viel Hochkultur, statt Nähe und – so der Untertitel des Stückes – einfach „Intimität“ zuzulassen. Selbst die rumpelnden Nachbarn und auf der Straße quatschende Passanten werden in solcher Heiligkeit zum Störgeräusch. Dabei könnten sie ein wunderbarer Soundtrack sein für diese „real soap“ …
Carsten Werner

Weitere Vorstellungen an den kommenden beiden Wochenenden, jeweils Freitag und Samstag um 20 Uhr im „most little private“, Münchener Straße 47. Vorbestellung unter Tel.: (0421) 794 98 01 erforderlich.

24.4.2002 taz Bremen Nr. 6733 Kultur 52 Zeilen, Carsten Werner S. 23

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