Vizepräsident Ravens: Als nächster Redner hat das Wort der Abgeordnete Werner.
Abg. Werner (Bündnis 90/Die Grünen): Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir wollen uns von einem
Feindbild verabschieden. Unter der GEZ habe ich auch als braver Gebührenzahler lange so ein bisschen obskur wirkende Männer verstanden, die plötzlich ungelegen im Hausflur standen und denen man dann erklären musste, warum man zwei Namen an der Klingel stehen hat, wer da welches Zimmer bewohnt, wem die Satellitenschüsseln oben rechts vom Balkon gehören und dass man auf dem Buchhaltungscomputer wirklich nicht fernsehen kann. Peinliche Situationen, oft die Intimsphäre und auch die Unantastbarkeit der Wohnung jedenfalls tangierend, und übrigens oft genug auch ohne großen Erkenntniswert für die Diskussionspartner! Dafür wurde dann Lug und Trug Tür und Tor geöffnet, und man kam immer auf richtig gute Ideen, wie man doch darum herumkommen kann, diese Gebühr zu bezahlen.
Das soll jetzt vorbei sein, ein Feindbild soll verschwinden, ein Imagekiller für die öffentlich-rechtlichen Radio- und Fernsehangebote. Schluss mit der legendären Schnüffelei der GEZ, das finden wir Grüne gut, denn die GEZ tut etwas Gutes: Sie finanziert die hochwertigen journalistischen Angebote der ARD, des ZDF, des Deutschlandradios und auch die Bürgermedien.
(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen und bei der SPD – Abg. Dr . K u h n [Bündnis 90/ Die Grünen]: Bisweilen hochwertig! Nur
nicht übertreiben!)
Wir Grüne haben so einen Systemwechsel lange gefordert: Weg von der bisherigen Rundfunkgebühr, die nach Empfangsgeräten und ihren Inhabern erhoben und eingetrieben wurde, hin zu einem einheitlichen Beitrag, der für jeden Privathaushalt und jeden Betrieb anfällt! Egal, wie viele Geräte in der Wohnung stehen, wie viele Menschen darin wohnen, wie sie dort wohnen, und egal, ob die Kaffeemaschine oder das Bügeleisen nur blubbern oder ob da wie bei Frau Grotheer auch Musik läuft, denn was ist heute nicht schon alles ein Empfangsgerät oder mit einem solchen vernetzt! Das ist kaum noch zu prüfen, und in Zukunft ist es auch egal, ob ich mit meinem Telefon nur telefoniere oder damit Nachrichten höre. Für Betriebe wird der Beitrag klar und durchsichtig nach der Zahl der Mitarbeiter und der Betriebsstätten bemessen, und für 90 Prozent der Betriebsstätten fällt nur ein Drittel oder maximal ein einziger ganzer Beitrag an, das sind dann alle diejenigen mit weniger als 20 Mitarbeitern.
Für diese Systemumstellung müssen die Rundfunkanstalten ihre Datenbanken komplett neu aufstellen. Dazu dürfen sie einmalig für einen bundesweit einheitlichen Stichtag Namen, Geburtstag, Familienstand, Anschriften und Einzugsdatum mit den Meldeämtern abgleichen, und dafür sind ja Meldeämter eigentlich auch da. Da wird auch, glaube ich und hoffen und glauben wir auch alle, keine Datenkrake geboren.
Der 15. Rundfunkänderungsstaatsvertrag – den Begriff muss ich auch immer ablesen – sorgt übrigens auch dafür, dass wir uns bald daran gewöhnen dürfen,
den Tatort ruhig einmal ohne Bier zu genießen. Sponsoring und Werbung – das hat hier heute noch gar keiner erwähnt – wird es im Abendprogramm der öffentlich-rechtlichen Sender nach 20.00 Uhr in Zukunft nicht mehr geben
(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen und bei der SPD)
mit einigen Ausnahmen beim Sport, die wir in den nächsten Jahren noch einmal genau ansehen sollten. Überhaupt müssen wir in den nächsten Jahren
– das haben meine Vorrednerinnen schon gesagt – den Rundfunkänderungsstaatsvertrag immer weiter genau beobachten. Unter anderem gilt es zu überprüfen, wie sich die Gesamteinnahmen für die Sender entwickeln. Es wäre doch auch schön, wenn für Radio Bremen am Ende etwas übrig bleibt oder sogar überhaupt. In den Jahren 2014/2015 wird der Vertrag evaluiert, dann sollten wir auch noch einmal ein waches Auge auf den Datenschutz haben. Wir sind aber froh, dass wir als Bremer Grüne – meine Vorgängerin als medienpolitische Sprecherin Anja Stahmann allen voran – in den Verhandlungen über den neuen Beitrag viel mehr Datenschutz durchsetzen
konnten, als dort ursprünglich vorgesehen war.
(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen und bei der SPD)
Bis zu dieser Evaluation des Vertrags im Jahr 2015 ist ein Adressankauf – das haben die Kolleginnen auch schon gesagt – nicht mehr erlaubt. Bisher ist er das, wir werden sehen, ob man diesen denn überhaupt noch braucht. Wir Grüne hoffen und wollen, dass das nicht der Fall ist. Nun beantragt DIE LINKE, das jetzt schon auszuschließen. Ja, dann könnten Sie dem Vertrag auch zustimmen,
und lassen Sie uns doch im Jahr 2015 dann gern noch einmal über Ihren Antrag hier beraten! Sie sind da so ein bisschen hellseherisch unterwegs, andererseits beantragen Sie heute etwas, das es ganz einfach schon überwiegend gibt. Seit dem Jahr 2005 hat Bremen mit den Leistungsbehörden, Radio Bremen und den Datenschutzbeauftragten an einem runden Tisch als Vorreiter für die anderen Bundesländer und die anderen ARD-Anstalten die Ausstellung von Drittbescheinigungen zur Gebührenbefreiung erarbeitet. Wo das noch nicht
funktioniert, sollten wir es einfordern, da sind wir ganz bei Ihnen. Das ist aber keine Aufgabe der GEZ und der Radiosender, sondern der Sozialbehörden.
Lassen Sie mich zum Schluss noch ein paar Worte zu dem bunten Strauß an Unterstellungen und inszenierten Missverständnissen sagen, zum Beispiel
zu der Frage der „begründenden Lebensumstände“ für eine Abmeldung von der Beitragspflicht! Die muss man mit Wohnungsauflösung, Tod oder Auswanderung begründen. Wenn Journalistenkollegen behaupten, da würde nach Eheproblemen oder Einrichtungsgeschmack oder Tapetenmustern gefragt,
dann vermischen sie da Interessen ihrer Sender und Verleger mit Berichterstattung über eine neue Abgabe. Gehen wir aber bitte nicht denen auf den Leim, die unter einem überraschenden Engagement für Datenschutz und einem erstaunlichen Misstrauen gegen pragmatische Verfahren ihr Interesse an
nur nicht zu starken öffentlich-rechtlichen Sendern und Konkurrenten verstecken und letztlich an einer Schwächung unseres dualen Rundfunksystems! Der innenpolitische Sprecher der Bremer FDP, Herr Scheidtweiler – er kann das heute hier nicht erläutern, deswegen wiederhole ich es gern noch einmal –, hat ganz direkt gesagt, er halte die Praxis, für Rundfunk und Fernsehen Geld zu verlangen, für alt und überholt. Wir Grüne sehen das nicht so. Wir wollen das duale System stärken und schärfen, und dazu gehört auch eine duale Finanzierung auf ausdrücklich verschiedenen Finanzierungswegen.
16 Bundesländer haben sich gemeinsam auf ein Regelwerk geeinigt. Wir begrüßen, dass das gelungen ist, und stimmen dem Gesetz zum 15. Rundfunkänderungsstaatsvertrag zu. Er schützt die Privatsphäre besser als bisher, er ist technologie- und zukunftsoffen, er sichert eine gerechte und praktikable Handhabe der Finanzierung der öffentlich-rechtlichen Sender, und wir glauben nicht, dass da eine schlimme und böse Datenkrake entsteht. – Vielen Dank!
(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)
Vizepräsident Ravens: Als nächster Redner hat das Wort Herr Bürgermeister Böhrnsen.
Bürgermeister Böhrnsen: Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich hätte es nie für möglich gehalten, dass ich mich in der Frage des Datenschutzes
so unzweideutig und ohne Vorbehalte einem Redner der Grünen anschließen kann. Das mache ich an dieser Stelle!
(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)
Meine Damen und Herren, von der Rundfunkgebühr zum Rundfunkbeitrag, das hört sich so einfach an. Es war ein ganz langer, mühsamer Weg, der mit einer Unzahl von rechtlichen Stellungnahmen, Gutachten und Gegenstellungnahmen gepflastert war, und dahinter steht ja etwas anderes als nur eine Namensänderung. (…)