carsten werners

Nach den Clowns

In Politik, Stadt on 27. Mai 2007 at 01:27
Was nach sechs kabarettreifen Kultursenatoren von Kahrs bis Kastendiek kommen kann – und warum auch Szene und Einrichtungen für eine neue Politik verantwortlich sind

Ein neuer Senat macht noch keine neue Kulturlandschaft. Es gibt in Bremen eine Kulturverwaltung, die vor langer Zeit mal eine richtig gute Zeit hatte – mit damals neuen Ideen einer Kultur für alle – und die sich einer Neusortierung beharrlich entgegenstemmt. Es gibt Einrichtungen, die große Probleme – aus Not – mit kleinen Finanzspritzen angehen, die „Projektförderung“ genannt werden. Und Bremen bildet zwar Tausende Studenten in den Kulturwissenschaften, junge Menschen als Kulturmanager, Veranstaltungskaufleute, Designer, IT-Spezialisten und Künstler aus – aber alle verlassen die Stadt spätestens nach den ersten beruflichen Schritten, zuletzt fliehen sie geradezu panisch.

Dass mit einigen Ideen, verhältnismäßig wenig Geld und klaren Formen zur Ausschreibung, Jurierung und Realisation von Projekten die „digitale Boheme“, junge Künstler und eine innovative „Ideenwirtschaft“ recht schnell an die Weser zu locken oder ein paar Jahre zu halten sind, hat Bremens Bewerbung als Kulturhauptstadt Europas gezeigt. Sie sind aber auch schnell wieder weg, wenn sie sich verarscht fühlen.

Förderung ist nicht alles

Deshalb braucht Bremen vor allem Möglichkeiten der Projektentwicklung – nachhaltig und verbindlich. Da Arbeitsbiografien nicht stringent verlaufen, lebenslanges Lernen zum Muss geworden ist und moderne Stadtentwicklung ohne kulturellen Motor nicht auskommt, muss eine den Lebens- und Arbeitswelten entsprechende Projektarbeit institutionalisiert werden – nicht im Sinne des Bewahrens von Erbhöfen, Lebensträumen und Subventionsansprüchen, sondern im Sinn einer so zuverlässigen wie durchlässigen Betreuung und Finanzierung durch den Staat, im transparenten Wettbewerb zeitgemäßer Ideen, Aufgaben und Anliegen.

Wenn die Grünen jetzt die „kreative Stadt“ proklamieren und die kulturpolitische Sprecherin der SPD, Carmen Emigholz, „endlich wieder über Ideen sprechen“ will „und dann über Umsetzungsmöglichkeiten“ – das klingt nach neuen Chancen für eine Kulturpolitik auf Augenhöhe mit Stadtentwicklung und Wirtschaftsförderung. „Der Pudding aber erweist sich beim Essen“, wie Klaus Pierwoß so schöne Versprechungen regelmäßig schön kommentiert. Dazu braucht es neben frischen Zutaten, liebevoller und kompetenter Zubereitung ja auch noch Appetit. Und Geschmack.

Kompetenz liegt brach

Konkret ist immer stressig: Braucht die Welt die teure (und ohnehin nur temporäre) Musealisierung von Gebrauchskunst und ihren Nebenprodukten, wie sie etwa das Designzentrum und die Günter-Grass-Stiftung betreiben? Muss jede Off-Truppe auf immerdar ihr eigenes „Haus“ bekommen und bestellen, muss jede Idee konserviert und also auf Jahrzehnte „durchgerechnet“ werden? Glaubt wirklich noch jemand mit politischem Sinn und künstlerischem Verstand, das Kulturchaos in Bremen-Nord würde durch technokratisch oktruierte „Strukturen“ beherrschbar? Warum da nicht mit zeitgenössischen Ideen, Forschung und Recherche vor Ort ganz neu starten – gerade weil das neue Kräfte statt der vielfältig gescheiterten fordert? Die Bremer Investitions Gesellschaft (BIG) kann das ganze Gelände des Güterbahnhofs zwischen Hauptbahnhof und Walle für eine kulturelle Nutzung anbieten – Raum auf Jahre oder Jahrzehnte für temporäre Architektur, künstlerische Existenzgründungen und manches Event. Vielleicht auch für die Breminale oder ein Nachfolgeformat. Kann die ewige Baustelle Schwankhalle nicht konsequent zur Dauerbaustelle „Stadtwerkstatt“ werden und mit immer neuen Ideen der Sorge begegnen, sie „gehöre“ wem?

Die Kulturverwaltung braucht interdisziplinär aktionsfähige Mitarbeiter und Referate. Dazu Kompetenz endlich auch für immer noch so genannte „neue Medien“ und für die Kulturvermittlung in allen Schichten der Gesellschaft. Apropos: Muss sich (Kultur-)Politik nicht endlich auch wieder der Medien der Stadt annehmen?

Die Kulturstadt braucht Institutionen zur Bewahrung des kulturellen Erbes wie zur Bildung des künstlerischen Nachwuchses. Fehlendes Geld führt zur Insolvenz und auch Konten von Freiberuflern sind hinterm Dispokredit zu Ende. Soviel ist klar. Aber Kultur ist nicht beherrschbar. Sie lebt von Ideen, immer neuen. Nur darum kann sie Stadtentwicklung leisten. Wenn Politik den Spagat leisten will, muss Kultur ihn mitmachen: Die Förderung von Ideen darf nicht zur Institutionalisierung oder zum Löcherstopfen missbraucht werden. „Sich ehrlich machen“ hat sowas mal der Chef des rot-grünen „Projektes“ im Bund genannt.

Carsten Werner

„Und niemand füllt neuen Wein in alte Schläuche; sonst zerreißt der neue Wein die Schläuche und wird verschüttet, und die Schläuche verderben.“
Lukas 5, 37

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