Eine Rede
zum Scheitern der Bremer Kulturhauptstadt-Bewerbung
und dem Umgang der Bremer damit
Bremen erleben: Wir erleben in den letzten Wochen
– auf der einen Seite: die intensive Arbeit an dem Versuch, möglichst viel von der Dynamik der Kulturentwicklung, möglichst viel Substanz der mit großem Aufwand gegründeten Projekte zu bewahren und weiter zu entwickeln, die von Martin Heller und seinem Team motiviert wurden. Vor allem wurden ja auch viele Akteure anderer Bereiche zu einer inspirierenden, kontroversen Auseinandersetzung mit dem Stadtleben motiviert: Stadtplaner, Wissenschaftler, Medienmacher, Freiberufler, Dienstleister, der Handel, die Taxifahrer. Martin Heller & Co. haben geschafft, was dieser kläglich gescheiterten, „großen“ Koalition seit über einem Jahrzehnt nicht gelingt: Positiven Aufbruch zu inszenieren, selbstbewusstes Bremischsein mit einem Blick in die Welt hinaus.
Wir erleben in den letzten Tagen, andererseits: Mediales Raunen über teure Parties und Feste, über Unsummen für Wasserköpfe – „informierte Kreise“, besorgte Anonymas nutzen die Medien als Lautsprecher für Attacken auf die Freiheit und die Entwicklung der Kultur.
KulturpolitikerInnen spielen Verwaltung, jagen durch konzeptionsloses Gefuchtel, durch planloses Vertagen wichtigster Entscheidungen Kulturbetriebe und Selbständige in den Ruin. Ein Kultursenator stammelt in vorauseilendem Gehorsam seine Absage an seine bisherige Lichtgestalt Martin Heller. Gloysteins Partei- und Senatskollegen beharren dagegen, der Senat habe noch gar nichts entschieden! Und nun ist Gloystein also auf der „Suche nach einer neuen Dynamik“!
Hallo? Guten Morgen, alter Senator: Die Dynamik ist schon da, die war schon vor Ihnen erwacht!
Es sei „zum Beispiel auch denkbar, über Projekte neue Dynamik in die Kulturlandschaft zu bekommen“, meint derselbe Politiker, der vor vier Wochen in der Schwankhalle in aufwändigen Wortkaskaden große Versprechen von zu erhaltender (!) Dynamik, „gesicherten“ Etats und dem Bleiben von Martin Heller in und für Bremen gestammelt hat: „Das kommt, das … Dings …!“ – Er meinte den Kulturinvestitionsfonds für das laufende Jahr – und ausdrücklich „einen Großteil“ der für die „Kulturstadt Bremen“ eingeplanten Investitionsmittel für die kommenden fünf Jahre.
Neueste Masche unter Bremer Kulturpolitikern ist die Rede von einer „Umsteuerung der Kulturförderung“ – hin zu einer nicht näher definierten „Projektförderung“ der „Brutstätten und Besessenen“. Und „nachhaltig“ soll das alles sein! Der in weiten Teilen von Martin Heller abgekupferte „Masterplan“ (Nummer drei oder vier) ist dazu noch in der Mache. Die Projekte sind schon da, haben ihre Arbeit begonnen. Doch gleichzeitig fahren jede Woche ein paar dieser gelobten und gepreisten „Projekte“ an die Wand: Die klassische Projektförderung mit Wettmitteln ist seit fünf Monaten vom Finanzsenator gesperrt. Eine zweite Tranche des Kulturinvestitionsfonds – das große, wichtige, neue Förderinstrument der Stadt – ist von SPD und CDU politisch auf Eis gelegt worden. Kulturgelder der Bremen Marketing GmbH wurden erheblich gekürzt. Immense Sponsorengelder liegen auf Eis, so lange die Stadt nicht agiert. „Personalkompensationsmittel“, mit denen weggefallene Stellen ersetzt werden sollen, sind ebenfalls gesperrt. Der zuständige Kultursenator erklärt sich schamlos für „handlungsunfähig“. Damit sind für freie Projekte – und die Menschen, die sie produzieren: Selbständige, Freiberufler, freie Künstler, Kuratoren, Journalisten und Dienstleister – die Bedingungen nicht nur schlechter geworden in Bremen: Sie existieren gar nicht mehr.
CDU-Staatsrätin Motschmann, SPD-Sprecherin Emigholz und CDU-Sprecher Schrörs haben am vergangenen Freitag in der Schwankhalle einmütig noch einmal erschreckend deutlich gemacht, dass sich an dieser Situation nichts ändern wird: Sie haben kein Konzept, keinen Zeitplan, kein Verständnis, kein Interesse an Kulturentwicklung. Stattdessen haben sie ihr mühsames Geschäft bejammert, das – so Emigholz – „nicht so sexy wie Projekte entwickeln“ sei und ideenlos an die Kulturszene appelliert: „Warten Sie doch, was für die Projekte übrigbleibt“ (Schrörs). Die große Koalition hat fertig.
Aber vorher wird die Kunst Bremen verlassen haben: Diverse Leitungsposten sind ja jetzt schon unbesetzt – von der Glocke übers Musicaltheater und das Museum Weserburg, das Waldau Theater, den gesamten Bremer Norden, bis (demnächst) zum Bremer Theater oder der Schwankhalle. Vielleicht kommen die Genossen Emigholz und Scherf dann ans glückliche Ende ihrer Laufbahnen: Beamtete Generalintendanten der Vereinigten Kleinstädtischen Kulturbetriebe Bremens.
Es liegt in der Natur der Sache, dass auch das Projekt „Kulturstadt Bremen“, seine Kriterien und Verfahren entwicklungsfähig wären. Martin Heller hat die neuen Strukturen als provisorisch bezeichnet. Man kann und muss sie verbessern – das ist für Veranstalter und Produzenten von Kultur Alltagsgeschäft. Eine sinnvolle Kulturentwicklung muss auch nicht unbedingt zum „Festival“ designed werden. Doch Abwarten und immer wieder „Abstimmungsbedarf“ sind keine Motoren kreativer Entwicklungen.
Warum sollten genau die Akteure, die über zehn Jahre nicht einmal die Kultur/verwaltung/ reformiert bekommen, vorliegende Fördermodelle weder bearbeiten noch umsetzen – warum sollten gerade die nun die ganze Kultur/szene/ organisieren können?
Einen seriösen Umgang mit Konzepten haben Bremens Politiker offenbar nie gelernt. Ein seriöser Umgang mit den ihnen anvertrauten oder von ihnen selbst engagierten Menschen ist augenscheinlich auch nicht zu erwarten.
Wenn zu beweisen war, dass Bremen den Titel „Kulturhauptstadt Europas“ nicht verdient – es ist jetzt vollbracht. Künstler und Macher, Existenzgründer, Dienstleister fliehen aus der Stadt mit den niedrigsten Pro-Kopf-Zuschüssen aller Bewerber: Die Menschen suchen sich – im freien Wettbewerb der Ideen und Bedingungen – neue Felder, andere Netzwerke, bessere Städte. Darin sind sie geübt und das müssen sie tun – weil ihre Existenz auf dem Spiel steht. Und bessere Städte als Bremen, das darf man nach dem Bewerbungs-Aus ja wieder sagen: die gibt es. In ganz Europa. Bremen hat daraus nichts gelernt.
Senator Gloystein hat nun eine „Neuorientierung“ angekündigt. Die eigene?